Abstract [en]:

Heterogeneity is a lived reality – but not all is judged the same way. Looking at social inequality in Mexico and the USA it can be seen how on the one side sexism and racism keep on existing in plural heterogen societies, but on the other side there are always countermovements. Going further from this it can be shown that this doesn’t endanger the concept of one global civil society, contrary it supports the concept and shows that the concepts includes inner heterogeneity and a discursive bargain of positive and negative judgements.

Abstract [de]:

Heterogenität ist eine gelebte Realität – doch wird nicht jede Heterogenität gleich bewertet. An Beispiel der Betrachtung sozialer Ungleichheit in Mexiko und den USA zeigt sich, wie einerseits Sexismus und Rassismus auch in pluralen heterogenen Gesellschaften weiterlebt, andererseits aber es auch stetige Gegenbewegungen gibt. Darauf aufbauend lässt sich zeigen, dass dies keineswegs das Konzept einer globalen Zivilgesellschaft gefährdet, sondern im Gegenteil dieses Konstrukt stützt und zeigt, dass das Konzept innere Heterogenität sowie diskursive Aushandlung positiver und negativer Bewertungen inkludiert.

April 2017

Gelebte Heterogenität oder die normative Suche nach Ordnung? – Möglichkeitsformen globaler Zivilgesellschaft

get pdf: Gelebte Heterogenität oder die normative Suche nach Ordnung?

Hier wurde sich mit dem Wesen der globalen Zivilgesellschaft beschäftigt in einer ausgemachten Zeit der Polarisierung. Eine solche zeichnet sich dabei durch eine Polarisierung von Menschengruppen zu- und gegeneinander aus, nicht nur durch eine politische Instrumentalisierung dieser Tendenz oder eine konstatierbare politische Polarisierung. Diese Gruppen konstruieren Einheit oder werden von anderen als Einheiten konstruiert, und damit auch abgegrenzt. In der Realität erweisen sich solle Versuche jedoch in ihrer Wirkungsmächtigkeit als begrenzt. Wie gezeigt wurde stehen gerade Grenzregionen für eine gelebte Heterogenität, eine tatsächliche Diffusität, die propagierter Abgrenzung und Trennschärfe entgegen steht. So wurde im letzten Beitrag von mir an dieser Stelle der Blick auf die Mikroebene sowohl gefordert als auch geworfen, der zumindest eine andere Realität aufscheinen ließ, als die ausgemachte Globaltendenz der Polarisierung. Dies negiert nicht die politische Instrumentalisierung von Polarisierung, negiert nicht die Wahrnehmung einer Bedeutungszunahme von Polaritäten, bietet aber doch ein Gegenbild dazu. Allerdings muss gefragt werden, ob diese zuletzt dargestellte Ansicht so haltbar ist, ob hier nicht gewissermaßen das eigene Idealbild mit dem Autor durchging.

Warum frage ich das? Heterogenität ist sichtbar; gerade in urbanen Gebieten ist sie zu offensichtlich, um sie als Faktum negieren zu können. Doch Heterogenität ist auch eine Herausforderung. Manches wird dabei von vielen als positiv heterogen gewertet, sicherlich aber nicht von allen. Aber was positiv heterogen ist, ist keinesfalls Konsens. Einige betonen eine Heterogenität von Lebensentwürfen als positiv, andere von sexuellen Vorstellungen oder Orientierungen, wieder andere von Religionen. Diese Liste kann lang weitergeführt werden, manche werden vieles wahrgenommene Heterogene positiv bewerten, andere nur weniges. Denn zugleich gibt es auch negativ wahrgenommene Heterogenität, auch hier wird eine Spannweite abgedeckt. Manche sehen eine „zu starke“ Heterogenität in wirtschaftlicher Gestaltungsfertigkeit als negativ, andere Heterogenität bei Bildungschancen, wieder andere aber auch eine „zu große“ Bandbreite an Lebensentwürfen. Dabei ist zu betonen, dass es sich dabei keineswegs um vergleichbare Kategorien handeln muss noch oftmals handelt. Subjektive Einstellungen spielen hier eine große Rolle, doch sind diese zugleich gesellschaftlich oder zumindest sozial durch kleinere Gruppen geprägt, individuell ist maximal die Mischung. Wird diese Heterogenität der Ansichten über Heterogenität betrachtet, fällt es schwer, tatsächlich von einer bejahten gelebten Heterogenität zu schreiben. Diese erweist sich vielfach maximal als akzeptiert im Sinne einer Bejahung der Existenz, aber eben keiner positiven Konnotierung dieser. Zudem werden verbreitet nur selektive Teile wahrgenommener Heterogenität überhaupt positiv bewertet. Verdeutlicht werden soll diese Problematik für eine konstatiere gelebte Heterogenität an einem bewusst überspitzt gewählten und dargestellten Beispiel: Der Frage sozialer Ungleichheit in Verbindung mit zwei Phänomenen: Sexismus und Rassismus. Als Kontrastfolien dienen hier Positionen, wie sie unter anderem in den USA zu finden sind, im Vergleich zu solchen, wie sie in Mexiko zu finden sind. Dabei sind beide Positionen in beiden Ländern zu finden, sie werden hier nur exemplarisch angebunden.

Rassismus ist als Wissenschaft diskreditiert, auch ein Verweis auf unterschiedliche „Rassen“ ist maximal eine radikale Minderheitenposition. Doch gibt es nachwievor Rassismus. Eine Form dieses ist der so genannte „Color Blind Racism“. Für diesen stehen Menschen, die davon überzeugt sind gerade keine Rassist*innen zu sein, sondern gleiche Chancen und Rechte für alle zu fordern. Dabei negieren sie nicht tatsächliche Unterschiede, wie, bezogen auf die USA, eine Unterrepräsentation von Afroamerikaner*innen in Führungspositionen und eine Überrepräsentation dieser in der Haftbevölkerung. Doch stehen für sie nicht gesellschaftlicher oder institutioneller Rassismus dahinter, sondern weniger Leistungsbereitschaft der „Anderen“; diese würden demnach ihre in der Vergangenheit erfahrene Diskriminierung, die klar anerkannt wird, immer wieder vorschieben, um eine Sonderbehandlung zu erfahren, statt selbst für ihr Wohlergehen zu sorgen. Hinter dieser Form von Rassismus stehen nicht nur individuelle Sichtweisen, sondern gesellschaftliche, und auch materielle Prägungen. Individuelle Sichtweisen sind keineswegs bloß individuell, sondern gesellschaftlich mindestens beeinflusst, eher mindestens tendenziell bedingt. So ist auch ein entsprechender Rassismus durchaus gesellschaftlich beeinflusst, und findet sich nicht nur, aber auch in den USA. Eine solche Sichtweise macht es dabei schwer, gegen tatsächliche gesellschaftliche Unterschiede, wie eine deutlichere Armutsgefährdung von bestimmten Gesellschaftsschichten vorzugehen. Da jene, die für einen solchen Rassismus stehen, von absoluter Neutralität der Institutionen und Chancengleichheit ausgehen und das Fortdauern von Privilegien negieren, kann dem folgend kaum gesellschaftlich oder staatlich für eine Beseitigung oder Verringerung einer, von vielen im ausgemachten Ausmaß negativ bewerteten Heterogenität von Möglichkeiten, ergo von sozialer Ungleichheit, vorgegangen werden. Dieses Phänomen verbindet sich mit weiter fortdauerndem Sexismus. Auch diesbezüglich gibt es die Sichtweise, dass etwa Programme zur Förderung oder zum Schutz bestimmter Geschlechter oder sexueller Ausrichtungen, nicht mehr notwendig seien, tatsächliche Gleichheit im Sinne von Zukunftsmöglichkeiten real bestehe, und jede Förderung sowie jeder besondere Schutz eher eine Privilegierung seien. Tatsächliche empirisch auffindbare Unterschiede werden dabei auf unterschiedliche Potentiale zurückgeführt, quasi „naturalisiert“. Auch kann sich beides, also Sexismus und Rassismus, verbinden, dies nennt sich dann Intersektionalität, wie erfahrene Diskriminierung als Frau und ethnische Minderheit. Fortdauernder Sexismus, wie fortdauernder Rassismus, kann somit bestehende Ungleichheit, die durchaus an sich negativ bewertet werden kann, in einem solchen Maße als „natürlich“ verklären, dass jede staatliche oder zivile Gegenmaßnahme selbst zu einer rassistischen oder sexistischen verklärt werden kann. Die Verklärung ist „Leistung lohnt sich nicht mehr“, es bedürfe eines Minderheitenstatus um erfolgreich zu sein. Dies jedoch, darf nicht mit einer positiven Bewertung von Heterogenität verwechselt werden. Keineswegs ist dies eine Ansicht im Sinne von ’jede*r soll einen eigenen Weg gehen’ oder ’gemeinsam gestalten wir’. Vielmehr steckt dahinter eine ganz klare Vorstellung von Normen und Ordnung. Armut wird nicht positiv wenn Gegenmaßnahmen als falsch deklariert werden, keineswegs werden Ideen von „Bildung“ oder „Kultur“ aufgegeben oder heterogen geöffnet, wenn andere Formen davon empirisch wahrgenommen werden. Vielmehr wird ein Ideal als Norm etabliert, aber der Weg dorthin soll ohne „Hilfe“ bewältigt werden. Klappt dies nicht, beweist dies aus der rassistisch-sexistischen Sicht schlicht fehlendes Potential. Dies ist keineswegs ein Moment der Verbindung im Rahmen von erkannter Heterogenität, sondern vielmehr eine deutliche Polarisierung vor dem Scheinbild der Homogenität an Chancen.

Diese Tendenz findet sich in den USA, aber sie findet sich auch in vielen anderen Gesellschaften. Postkoloniale Studien weisen etwa immer wieder entsprechende kolonialgeprägte Vorstellungen in ihrem Fortdauern und Fortprägen nach. Dies geschieht im Rahmen der Sprache, aber etwa auch von Körpernormen, wie es etwa anhand der Verbreitung des Idealbildes heller Haut in Südafrika gezeigt wurde. Dabei zeigt sich auch ein Aspekt der Selbstinferiorisierung, eine Bewertung etwa der eigenen Körperlichkeit vor der Kontrastfolie vorgegebener, vorgelebter und verbreitet dargestellter Ideale, die als „Norm“ angenommen werden. Auch dies haben Postkoloniale Studien deutlich gezeigt, Normen werden internalisiert, oft unbewusst, und haben so eine Wirkungsmacht über den eigentlich prägenden Rahmen hinaus. Dies heißt, dass selbst eine intellektuelle Ablehnung etwa von Rassismus die eigene Betrachtung als „minderwertig“ nicht verhindern kann, und sei es eine unbewusste Selbstbetrachtung dieser Art. So leben etwa auch Sammelkategorien fort, die eigentlich abgelehnt werden. Sich als unabhängiges Individuum und Subjekt zu begreifen, ist intellektuell möglich, aber Fremd- und, teilweise unbewusste, Eigenkategorisierungen dabei zu vermeiden, ist de facto unmöglich, sei es als Frau, als „schwarz“ oder als „indigen“. Dabei ist es ein Wechselspiel zwischen Selbstinferiorisierung und –kategorisierung sowie Inferorisierung und Kategorisierung durch andere – beide beeinflussen und bedingen sich gegenseitig. Dies kann deutlich auf Mexiko bezogen werden. Mexiko betrachtet sich selbst gerne als Volk der Mestizen, nominell gibt es keine Unterschiede, alle sind beispielsweise etwas indigen, etwas europäisch, und auch etwas anderes zugleich. Doch dieses Ideal hat in der Wirklichkeit klare Grenzen. Nicht nur ist es eine Beschränkung auf ethnische Kategorien, beispielsweise wird der weiterhin verbreitete Sexismus nicht hinterfragt oder gar verhindert, auch bleibt es ein Ideal, welches etwa auch in Mexiko auffindbare Unterschiede bezüglich gesellschaftlichen Stellungen oder ökonomischer Potenz aufgrund sozialer und auch ethnischer Herkunft nicht ausschließt. Nun könnte gefragt werden, warum Mexiko dann hier als Kontrastfolie dienen könnte – die Antwort ist, dass es zumindest in Mexiko-Stadt deutliche gesellschaftliche wie politische Bemühungen gibt, auf die weiterhin ausgemachten Missstände zu reagieren. So wurde eine neue Verfassung für die Hauptstadt ausgearbeitet, die etwa Interkulturalität hervorhebt und Schutzrechte für LGBTI* kennt. Dies bedeutet keineswegs, dass solche Pläne oder Verkündigungen Realität werden müssen, aber sie sind sowohl eine Absichtserklärung, als auch ein Hinweis auf erkannte Missstände. Dabei wird in dieser Verfassung deutlich der Versuch gemacht, „positive“ von „negativer“ Heterogenität zu scheiden. Dies könnte als ein politisches Vorhaben gedeutet werden, und dies ist an sich auch kein falscher Eindruck, aber zugleich steckt dahinter auch ein zivilgesellschaftlicher Prozess. Die Verfassung ist das Ergebnis eines Aushandlungsprozesses, welche Rechte betont werden sollen, welche Heterogenität geschützt und welche angegangen. So werden kulturelle Unterschiede wie Unterschiede in der sexuellen Orientierung bejaht, aber die wirtschaftliche Heterogenität zumindest  insofern angegangen, indem, als Absichtserklärung,  versucht wird, einen Mindeststandard zu sichern. Deutlich ist die Verfassung dabei ein Kompromiss, sie ist ein lebendiges Werk, welches in der Praxisumsetzung noch Anpassungen und Interpretationen erfahren wird. Auch gibt es hier durchaus Normierungen, aber eben zum Teil plurale und offene: Sexualität und Geschlecht umfassen nach dieser Normierung auch LGBTI* – der Unterschied ist nicht, ob es Normierungen gibt, sondern eher, ob die Normierung Heterogenität positiv umfasst, im Sinne von ’es gibt viele Wege’, oder aber negativ setzt im Sinne von es gibt ein Ziel und alles andere ist bloßer Weg zu diesem Ziel.

Wenn nun gefragt wird, was der Unterschied dieses Versuches, der in Mexiko durchaus ein Sonderfall ist, zu einer Sichtweise ist, die sich auch in den USA findet, neben vielen anderen, so können unterschiedliche Dimensionen in den Fokus genommen werden. Eine wäre die Rolle des Staates, der mit Hilfe der neuen Verfassung für Mexiko-Stadt Rahmen setzen und intervenieren, aus der dargestellten US-Sicht sich aber zurückhalten soll. Hier aber, soll ein anderer Aspekt im Fokus stehen, jener der Kommunikation und der Ermächtigung. Der Prozess der Verfassungsgebung in Mexiko war keineswegs ein Paradebeispiel von Konsenssuche und konstruktiver Kommunikation. Und doch stecken hinter dem Ergebnis, wie es sich heute präsentiert, diskursive Kommunikation und die Suche nach Ausgleich. Dafür steht die Ermächtigung unterschiedlicher Akteur*innen mitzuwirken und sich einzubringen, von unterschiedlichen organisierten Interessengruppen über Parteien hin zu nicht-organisierten Akteur*innen, die doch alle in einem zivilgesellschaftlichen Diskurs verbunden waren und nach wie vor sind. Dem entgegen steht ein Prozess des Setzens und Entmächtigen im Rahmen von Rassismus und Sexismus. Dies muss gar keine aktive Diskriminierung sein, es kann auch die beschriebene Selbstinferiorisierung sein, doch deutlich ist es eine machtvolle Normierung anstatt einer diskursiven; dies ist der deutliche Unterschied beider Fälle.

Durchaus mag zu Beginn dieses Beitrages der Eindruck entstanden sein, die Vorstellung gelebter Heterogenität sei ein Irrglaube; dies war durchaus beabsichtigt. Denn der Blick auf die Mikroebene zeigt eben nicht nur die gelebte Heterogenität, sondern auch deren deutliche Ablehnung und die aktive Ablehnung von Verbindungen. Dies entspricht durchaus der bereits mehrfach vorgebrachten These einer Zeit deutlicher Polarisierungen. Doch gilt es deren Novität zu hinterfragen. Gerade der Blick auf das Fortdauern von Rassismus und Sexismus, wie er hier gewagt wurde, zeigt auch die Historizität einer solchen Polarisierung im Rahmen der Konstruktion und Setzung von Normen. Gerade wenn dahinter deutliche Macht steht, der bezügliche Diskurs gelenkt ist, muss eher von einem Fortdauern einer Zeit der Polarisierung geschrieben werden, denn einer Novität. Dies macht Polarisierung nicht weniger zu einem Signet unserer Zeit, aber was dahinter steckt, darf nicht ahistorisch betrachtet werden – diese These steckt hinter diesem Text. Gleiches gilt für die Konstruktion von Homogenität, dieses Phänomen ist sowohl historisch als auch heute prägend. Aber dies ist nur die eine Seite. Denn auch wenn Rassismus und Sexismus in allen Weltgesellschaften fortdauern, oder Armut immer auch mit Ausgrenzung verbunden ist, wenn auch in massiv unterschiedlichen Graden, gibt es doch auch eine andere Seite. Diese zeigte sich exemplarisch bei den Bemühungen um eine neue Verfassung für Mexiko-Stadt, sie zeigt sich aber auch durch Aktivist*innen, die sich zum Ziel gesetzt haben, fortdauernden Rassismus und Sexismus aufzuzeigen, statt dem Postulat der realen Chancengleichheit und deren Hintertreibung durch Minderheitenschutz zu folgen. Für solche Aktivist*innen ist Minderheitenschutz zwingende Notwendigkeit, ein Grundrecht, keine Bevorteilung real nicht Benachteiligter und so ein Hintertreiben gleicher Chancen, wie „Color Blind Racism“ es betont. So muss als These hier hervorgehoben werden, dass es stets sowohl zivilgesellschaftliche Kräfte gibt, die im Rahmen positiv besetzter Heterogenität über Grenzen zusammenwirken, etwa um negativ besetzte anzugehen, eine tatsächliche globale Zivilgesellschaft, als auch inhärente respektive verbundene Gegenkräfte. Dabei ist die These nicht, dass es damit nicht eine globale Zivilgesellschaft gibt, sondern, dass diese notwendigerweise diffus wie sich stetig wandelnd ist. Sie umfasst, so die These hier, sowohl Rassist*innen, Sexist*innen wie Antirass*issten oder Akteur*innen, die sich gegen ausgemachten Sexismus stellen. Die globale Zivilgesellschaft beinhaltet stets ihre eigenen Antipoden und sich negierende Kräfte, ergo sowohl Kräfte, die versuchen durch Macht Normen zu setzten, und so Pole konstruieren, wie solche, die durch Diskurse versuchen auszuhandeln und zu vermitteln. Dies mag unwahrscheinlich oder definitorisch zu weitgehend klingen, doch einerseits gilt es real existierende Dynamiken, auch in ihren gegensätzlichen Bewegungen zu erfassen, andererseits darf „Einheit“ nicht zu eng gefasst werden, sonst bleibt sie bloßes idealisiertes Konstrukt, statt eine real existierende, aber inhärent heterogene Zivilgesellschaft erfasst zu können. Eine solche Zivilgesellschaft erlaubt Pole, die sich aufeinander beziehen, sie erlaubt Gegensätze und bewusste Blindheit, und ja, sie „erlaubt“ auch Rassismus, mindestens als Kontrastfolie, im Sinne, dass vorhandener Rassismus nicht einer globalen Zivilgesellschaft entgegensteht. Eine globale Zivilgesellschaft kann nur als vereint in Widersprüchen und Diffusität gefasst werden, soll diese nicht zwangsnormiert und damit machtvoll beschränkt, und so machtlos werden. Damit kann auch, und dies ist die letzte These dieses Beitrages, eine konstatierte zunehmende Polarisierung zu einem Motor globaler zivilgesellschaftlicher Aktivitäten werden; werden so doch Diskurse befördert, handelnde Praxis verlangt, Selbstermächtigung und Selbstpositionierung in einem dynamischen Feld stets neuer Verbindungen notwendig. Fremdsetzungen im Sinne instrumentalisierter Polarisierung sind demnach stets begrenzt in ihrer Reichweite, denn zugleich befördern sie globale zivilgesellschaftliche Aktivitäten und damit die globale Zivilgesellschaft. Dies geschieht nicht umgehend, nicht widerstandslos, und auch nicht zwangslogisch, aber eine instrumentalisierte Polarisierung ist doch stets Möglichkeitsfeld globaler Zivilgesellschaft, und zwar tatsächlich global, unabhängig von derzeit vorherrschenden Polarisierungs- und Homogenisierungstendenzen vielerorts. Dahinter stecken wiederum Möglichkeiten und Notwendigkeiten globaler Kommunikations- und Organisationskanäle, dies zeigen bereits Versuche gegen diese vorzugehen, etwa von einigen Staaten, doch dies auszuführen bedarf es eines weiteren Beitrags.

AUSWAHLBIBLIOGRAPHIE

Vgl. zu Rassismus:

  • Dorothy A. Brown.: Critical Race Theory. Cases, Materials, and Problems, 3. Auflage, St. Paul: West Academic 2003.
  • Charles A. Gallagher,: Color-blind egalitarianism as the new racial norm, in: Karim Murji/John Solomos, (Hrg.): Theories of Race and Ethnicity. Contemporary Debates and Perspectives, Cambridge: Cambridge University Press 2015, S. 40-56.

Zu Sexismus:

  • Éric Fassin: (Sexual) whiteness: beyond good and evil white people, in: Karim Murji/John Solomos, (Hrg.): Theories of Race and Ethnicity. Contemporary Debates and Perspectives, Cambridge: Cambridge University Press 2015, S. 233-250.
  • bell hooks: Postmodern Blackness, in: Patrick Williams/Laura Chrisman (Hrg.): Colonial discourse and post-colonial theory. A reader, New York u. a.: Harvester Wheatsheaf 1993, S. 421-427.

Zu Postkolonialen Studien, Körperlichkeit und Selbstverortung

  • Frantz Fanon: Schwarze Haut, weiße Masken, in: Frantz Fanon: Das kolonisierte Ding wird Mensch, Leipzig: Reclam 1986, S. 5-99.
  • Miriam Nandi: Sprachgewalt, Unterdrückung und die Verwundbarkeit der postkolonialen Intellektuellen. Gayatri C. Spivak: „Can the Subaltern Speak“ und „Critique of Postcolonial Reason“, in: Julia Reuter/Alexandra Karentzos (Hrg.): Schlüsselwerke der Postcolonial Studies, Wiesbaden: Springer VS 2012, S. 121-130.

Zu Mexiko und der neuen Verfassung

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Posted by Dr. phil. Mario Faust-Scalisi

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