Abstract [de]: Aufruf und Thesen suchen den Austausch und wollen Anstoß sein für einen Workshop.


Integration und Innovation

„Die Migationswelle wird helfen, die Erstarrungen dieser deutschen Nischenkultur zu überwinden.“ Antje-Hermenau (Antje-Hermenau.de /Publizistik)

Aufruf 

Wer um sein Leben fürchtet, sucht Schutz vor der Gefahr. Wer aber Wohlstand und Fortschritt will, sucht Zugang zu Wirtschaft und Arbeit. Die Wirtschaft brauche Arbeitskräfte, heisst es. Schon seltener hört man, dass wir für unsere Wirtschaft, für Handel und Wissenstransfer beides brauchen: Integration und Innovation. 

Die Fokussierung auf Integration und Innovation will Startschuss sein für eine Diskussion im Blog und Internetauftritt des Instituts für Sozialstrategie. Bei entsprechender Resonanz soll ein Workshop folgen. Einer der möglichen Partner dafür wäre das Institut für Weltethos. Vom Theologen Hans Küng gegründet, postuliert es ein „Weltwirtschaftsethos“, das auf dem Dialog der Religionen und ethischen wie religiösen Werten fusst. Auf dieser Basis der Einstellungen wird auch dem Enthusiasten klar, dass es die „lineare“Integration von A in B nicht geben kann. Ohne den Dialog nämlich mit Existenzgründern und Arbeitnehmern aus anderen kulturellen Kontexten, wie dem islamischen, ist die „globale Zivilgesellschaft“, die sich das IFS zum Ziel gesetzt hat, nicht erreichbar. 

Folgende Fragen stellen sich: 

  • Wie verhalten sich Innovation zu Integration zueinander?
  • Wie kommunizieren wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen miteinander? 
  • Welche best-practice Lösungen illustrieren diesen Prozess, der in einem Startup anders aussieht als im Mittelstand; im Arbeitsteam anders als im Konzern; in Firmen anderes als in der sellbstorganisierten Initiative; in der Produktion anders als im Innovationslab?
  • Welche Erfahrungen haben Sie mit Prozessen der Integration und Innovatiion?
  • Wie haben diese Prozesse Ihr Projekt vorangebracht?

Fallen Ihnen auch eher untypische Beispiele (aus dem Alltag) ein? 

Ihr Kommentar, Ihr Beitrag schliessen den 1. Schritt der Diskussion ab. Darauf folgt

  • bei Resonanz: eine erweiterte Diskussion im Rahmen des IFS (Blog, Internetauftritt)  
  • bei entsprechendem Interesse ein „Echtzeit“-Workshop (Akteure/Projekte).

Wir bieten: Vernetzung und Austausch mit allen Engagierten und Entscheidern. 

Thesen zur Beziehung von Integration und Innovation

I. Zur Integration:

„Alles hängt mit allem zusammen“ so oder ähnlich wird Globalisierung in der Hauptsache als Verkettung, wenn nicht Verhängnis bezeichnet, ohne dabei aber die agierenden Subjekte mit ihren unterschiedlichen Interessen sichtbar zu machen.

Die deutsche Sprache kennt sowohl „ich integriere jemanden“ (Subjekt-Objekt) als auch das reflexive „ich integriere mich“, bei dem das Subjekt auch das Objekt ist. Integration ist ein beidseitiger Prozess. Eine an sich banale Erkenntnis, wäre an dem, was einem fremd ist und fremd bleibt, nicht der Charakter des Integrationsprozesses messbar. Fremdsein ist, wie dazugehören, eine Kategorie des Humanen, unabhängig davon, ob es sich um den Bewohner der globalisierten Welt oder den des Nachbardorfs handelt. Integration ohne den Restbestand der Fremdheit ist Anpassung oder Eingemeindung.

Hebe ich dagegen ausschliesslich auf die Unterschiede ab, wird selbst der vertraute Nachbar zum Fremden. Exakt dieser Umstand sorgt auch dafür, dass Unterschiede von einem auf den anderen Moment obsolet werden. Vor-Urteile werden nicht abgebaut oder überwunden sondern ersetzt durch entscheidendere Kriterien. Dabei ist wichtig, dass es sich bei der Erklärung von Gemeinsamkeiten nicht um blosse realitätsüberwölbende Meinungen handelt („wir sitzen alle in einem Boot“) sondern dass diese verankert sind in im Handeln und der Existenz.  

Zwischen dem emphatischen sich im Anderen zu erkennen oder sich im Gegenteil von ihm  als Fremdem zu distanzieren, liegt das ganze Spektrum der Annäherung und Entfernung. Doch gibt es noch eine Steigerung der Fremdheit: Die Heimatlosigkeit. Erlaubt der Fremde nämlich keine Identifikation mit dem Ort, wo er tatsächlich oder auch nur scheinbar „herkommt“, wird ihm der Ort abgesprochen und er wird in einer antisemitisch gefärbten Formulierung zum „heimatlosen Gesellen“. Im Anderen das Subjekt zu sehen und ihn Subjekt sein zu lassen, beileibe nicht nur Objekt meiner Integrationsbereitschaft, ist eine Frage an mein Selbst-, Bildungs- und Kulturverständnis. 

II. Zur Innovation:

Die Aussage „voneinander zu lernen“ reicht in Bezug auf Innovation ebensowenig wie die Aussage „alles hängt mit allem zusammen“ bezüglich der Integration. Der Begriff der Innovation soll hier gewählt werden, um den Wert der Ankommenden für die Wirtschaft abzubilden. Oft wird seitens der Wirtschaft von dringend gebrauchten Arbeitskräften gesprochen. Fakt aber ist, dass die Ankunft des Neuen das Bestehende verändert und sei es durch eine veränderte Kommunikation. Auf die Wirtschaft setzen ja vor allem die, die zu uns kommen. Da wir uns angewöhnt haben, pure Bedürftigkeit von wirtschaftlichen Motiven zu trennen, verlieren wir diesen Aspekt leicht aus den Augen. 

Die Wirtschaft aber profitiert in mehrfacher Hinsicht: Von der höheren Frustrationstoleranz, von der hohen Erwartung an unseren Lebensstandard und von der Erfahrung, wie hier erzeugte Produkte in anderen zivilisatisatorischen Kontexten aufgenommen werden. Eine Integration, die dies unterschlägt, vergibt die Chance, aus dem Anderssein und der Distanz, Funken für Dialog und Innovation zu schlagen. 

Stimmen aus der Wirtschaft sprechen deshalb auch gern von „disruptiver Innovation“ (vgl. Johannes Bittner am 29.06.2015: Disruptive Startups – die Rettung für unser Gesundheitswesen? (www.healthcare-startups.de). Disruptiv meint hier den Bruch mit hergebrachten Erfahrungen und Entwicklungsperspektiven. 

Fragen, die den innovativen Gehalt näher erschliessen, sind:

  • Ist die andere Art zu lernen, eine Alternative zu unserem Lernverständnis?
  • Was sagt die Art sich hier zu orientieren über den Blick auf unsere Kultur?
  • Wie wirken sich andere Berufs- und Karriere-Vorstellungen auf den Lebensstil aus? 

Integration, die Innovation ausblendet, drückt Herkunftsidentitäten in diverse Nischen. 

Weniger angepasste Anteile wirken wie Defizite, wie Handicaps. Der Ankommende wird doppelt zum Objekt: Erstens als jemand, der zu integrieren ist, zweitens als einer, der Defizite nachzuholen hat. Hört man wiederum Stimmen aus der Wirtschaft, bietet sich ein differenziertes Bild: Wer Spezialisten sucht, spricht von hochgradig Motivierten, wer günstige Hilfskräfte sucht, von Unausgebildeten. In beiden Fällen ist das Bild ein Reflex auch der eigenen Interessenslage.

Jedenfalls werde ich nur das begreifen, was zumindest peripher meinem Verständnis zugänglich ist. Dabei fällt auf, dass gerade an den Brennpunkten, an denen Disziplinen, Lebensstile, Kulturen aufeinander treffen, Innovationen sich entzünden. Hinter der Attitude des „Alles-Verstehens“ dagegen steckt nicht selten die wohlbekannte Bevormundung. Im Gegensatz dazu räumt die sich globalisierende Zivilgesellschaft dem Fremden, dem Anderen den Aktionsradius handelnder Subjekte ein.  

Posted by Jean-Paul Kühne

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