Wiedergelesen: „Zehn Gebote für Unternehmer“ (2006)
Abstract [en]:
People look for orientation, especially in times of great uncertainty. For example, the digital revolution creates many fears and uncertainties for people in general and especially for entrepreneurs. In this context, the format of the “ Ten Commandments” is a bestseller, a still unsurpassed orientation mark. Because of that, the BKU made a short version of that orientation called “Ten Commandments for Entrepreneurs” in postcard format. In the concise brevity of this text, the life themes of entrepreneurs become visible, permanently effective areas of tension that can certainly lead to conflicts in individual cases. An example of this is the balance between professional commitment and family life. Another is the inner attitude towards employees or the competition.
Abstract [de]:
Menschen suchen nach Orientierung, erst recht in Zeiten großer Unsicherheit. Allein schon die digitale Revolution schafft vielfältige Ängste und Unsicherheiten, natürlich auch für Unternehmerinnen und Unternehmer. Das Format der „10 Gebote“ ist in diesem Zusammenhang ein Bestseller, eine nach wie vor unübertroffene Orientierungsmarke. Das hatte auch den BKU bewegt, eine Kurzorientierung mit dem Namen „10 Gebote für Unternehmer“ im Postkartenformat zu erstellen.[1] In der prägnanten Kürze dieses Textes werden Lebensthemen von Unternehmern und Unternehmerinnen sichtbar, dauerhaft wirksame Spannungsfelder, die im Einzelfall durchaus zu Konflikten führen können. Ein Beispiel dafür ist die Balance zwischen beruflichem Engagement und Familienleben. Ein anderes ist die innere Haltung gegenüber Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern oder gegenüber dem Wettbewerb.
[1] Bund Katholischer Unternehmer – BKU (Hrsg.), Zehn Gebote für Unternehmer, Postkarte, 2006. Bezugsmöglichkeit über: BKU-Geschäftsstelle, Georgstraße 18, 50676 Köln. Der Text ist 2006 in der Schriftenreihe „Beiträge zur Gesellschaftspolitik“ (Nr. 37) erschienen; Autor ist der damalige geistliche Berater des BKU, Wolfgang Ockenfels OP, gemeinsam mit einer Arbeitsgruppe, die sich „Aktion Moses“ nannte.
Dezember 2018
Wiedergelesen: „Zehn Gebote für Unternehmer“ (2006)
Veröffentlicht in der Dominikaner-Zeitschrift WORT UND ANTWORT 60 (2019), Heft 1 www.wort-und-antwort.de
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Dekalog für unternehmerisches Handeln
I: Das erste Gebot lautet „Ich bin der Herr, Dein Gott. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben.“ Die unternehmerische Perspektive dazu kommentiert: „Spiele Dich nicht als Herrgott auf“, ergänzt durch den Zusatz „halte dich nicht für allwissend oder allmächtig“.
Dieser Imperativ richtet sich erkennbar an den mittelständischen Familienunternehmer, der als Alleinentscheider gelegentlich von fachlich kompetenten, aber auch stromlinienförmigen Mitarbeitern umgeben ist. Die Versuchung, sich als „Herrgott“ aufzuspielen, ist 2019 – auch „mangels guter Gelegenheit“ – weniger präsent als zu stärker patriarchalisch geprägten Zeiten. Aber auch schon 2006 wird der Satz ergänzt durch die Aufforderung „Höre auf dein Gewissen und deine Mitarbeiter“. Was passiert, wenn die Stimme der Mitarbeiter von der des Gewissens unterscheidet, kommt freilich nicht zur Sprache: eine erste, nicht aufgehobene Spannung.
II: Das zweite Gebot „Du sollst den Namen Gottes nicht verunehren“ betrifft die Heiligung des Namens Gottes. Auf Unternehmer übertragen wird hier daran erinnert, „Gott und die religiösen Symbole“ nicht zu „Werbezwecken“ zu missbrauchen. Im mitteleuropäischen Kontext ist dies kaum überraschend, weil sozial unüblich. Interessanter ist die folgende Mahnung: „Verstecke deine Geschäftsinteressen nicht hinter hohen moralischen Ansprüchen“. Ebenso problematisch ist eine gelegentlich anzutreffende Haltung moralischer Überlegenheit, weil man die eigene Position verabsolutiert und die anderer nur als „Defizitdenken“ wahrnimmt.
III: Im dritten Gebot „Du sollst den Tag des Herrn heiligen“ geht es um die Sonntagsheiligung. Hier sind die unternehmerbezogenen Kommentare eher allgemein: „Halte dir den Sonntag frei als Zeit der Rekreation, der Danksagung und des familiären Lebens“. Es folgt aber eine Ergänzung durch eine heute noch aktuelle Aussage: „Respektiere die religiösen Ansprüche deiner Mitarbeiter“. Von katholischen Unternehmern und Unternehmerinnen wird ein tieferes Verständnis für den Wunsch nach religiösen Feiertagen auch bei Nicht-Katholiken erwartet. Ein Beispiel ist etwa das Gewähren von Sonderurlaub für das „Fastenbrechen“ nach dem Ramadan.
IV: Beim vierten Gebot „Du sollst Vater und Mutter ehren“ ist der damaligen Arbeitsgruppe nicht sehr viel Konkretes eingefallen. Ergänzt wird der Kommentar durch einen Satz zur Generationengerechtigkeit: „Fördere den Einsatz älterer Mitarbeiter, so wie du jungen Menschen eine Chance gibst“. Das ist 2019 in Zeiten des Fachkräftemangels eine Selbstverständlichkeit. Das ökologische Bewusstsein im Blick auf die Rechte zukünftiger Generationen ist hier noch nicht in den Blick geraten.
V: Wenn wir an Papst Franziskus berühmt gewordenen Satz „Diese Wirtschaft tötet“ (Apostolisches Schreiben „Evangelii Gaudium“, Nr. 53) denken dann gilt dem fünften Gebot „Du sollst nicht töten“ besondere Aufmerksamkeit. Wenn es hier kommentierend heißt, „Sorge dafür, dass dem Leben dienliche Güter und Leistungen in humaner Weise entstehen“, dann wird dem Grundgebot der Humanität ausdrücklich Rechnung getragen. Ein christlich geführtes Unternehmen wird also „lebensfeindliche“ Produkte kritisch betrachten und nicht ins Produktportfolio aufnehmen. Weitere Anregungen greifen Forderungen auf, die heute zum Allgemeingut von „guter Unternehmensführung“ gehören. Dazu gehört ein Imperativ wie „Beachte die Menschenwürde“, verhindere „Mobbing“ und vernichte keinen Wettbewerber.
VI: Beim sechsten Gebot („Du sollst nicht ehebrechen“)ließe sich zweifeln, ob es auf die Unternehmenssphäre anwendbar ist. Der BKU-Text formuliert den Sachverhalt freilich sehr pragmatisch „Sei nicht so mit einem Unternehmen ‚verheiratet‘, dass deine Familie darunter leidet.“ Gefragt wird also nach der richtigen Balance zwischen beruflichem Einsatz und Engagement in der Familie („Work-Life-Balance“).
VII: Im siebten Gebot („Du sollst nicht stehlen“) geht es um Eigentumsfragen. Natürlich zielt die Kommentierung der „Zehn Gebote für Unternehmer“ dann auf die Achtung für das „geistige und materielle Eigentum anderer“, eine Selbstverständlichkeit. Doch wird ausdrücklich auf die Gefahr der Korruptionhingewiesen. Die heute nahe liegende ökologische Perspektive kommt hier jedoch noch nicht zur Sprache. Auch fehlt ein Gespür für ethische Dilemmata des Alltags: Beispiele aus der Automobilindustrie, den Banken und den Pharmaunternehmern ließen sich hier durchaus finden.
VIII: Das achte Gebot lautet bekanntlich „Du sollst nicht falsch aussagen gegen deinen Nächsten“. Dass Wahrhaftigkeit zum Kern guten Unternehmertums gehört, versteht sich von selbst. Die Forderung „bleib glaubwürdig“ setzt voraus, dass ethisch motivierte Unternehmer und Unternehmerinnen sich im Lauf der Zeit eine persönliche und auf das Unternehmen bezogene Glaubwürdigkeiterarbeitet haben. Die hier gelegentlich auftauchenden Konflikte kommen freilich wie auch bei den meisten anderen Kommentierungen der Zehn Gebote nicht weiter zur Sprache.
IX: Das neunte Gebot „Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau“ rückt in der Kommentierung auch das mögliche Ausnutzen der eigenen Vormachtstellung in den Blick. Denn natürlich kann Macht dazu verwendet werden, „Mitarbeiter sexuell zu missbrauchen“. Heute würde ein solcher Text zweifellos von „Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen“ sprechen und damit sichtbar machen, dass auf diesem Gebiet nach wie vor erhebliche Unterschiede im Verhalten der Geschlechter bestehen.
X: Das zehnte Gebot „Du sollst nicht begehren deines Nächsten Gut“ findet Niederschlag in der Forderung, den eigenen Egoismus im Zaum zu halten sowie Neid und Geiz zu vermeiden. Gespiegelt wird ein solches Verhalten in positiven Reaktionen: „Freue dich, dass auch andere Erfolg haben“.
Systemische Zusammenhänge und neue Herausforderungen
Gut zehn Jahre nach der Veröffentlichung der „Zehn Gebote für Unternehmer“ werden die entsprechenden Postkarten nach wie vor an interessierte Mitglieder des BKU verteilt. Schon dieses Detail spricht dafür, dass die Autoren einen Nerv getroffen haben. Da nur Personen verantwortlich handeln können, ist es kein Nachteil, dass die kommentierenden Imperative sich an den einzelnen Unternehmer oder die einzelne Unternehmerin in seiner bzw. ihrer Personalität richten. Aus heutiger Perspektive wäre freilich eine stärkere Beachtung der systemischen Hintergründe, aber auch Drücke und Zwänge in einem Unternehmen von Bedeutung. Denn jeder einzelne, auch die Person an der Unternehmensspitze, handelt im Rahmen eines gegebenen Systems, welches sich nicht leicht und erst recht nicht allein durch die gute Absicht und die gute Tat einzelner verändert. Wie schwierig solche Change Prozesse aus systemischen Gründen heraus sind, sieht man ja nicht zuletzt an der enormen Schwierigkeit einer notwendigen Reform in der katholischen Kirche.
Denkt man darüber nach, was darüber hinaus heute noch zu ergänzen wäre, wird insbesondere der Aspekt der Ökologie und der Nachhaltigkeit zu erwähnen sein. Dafür spricht ja auch die Enzyklika „Laudato Si“ von Papst Franziskus (2015). Am ehesten lassen sich die Forderungen nach der Entkopplung von materiellem und wirtschaftlichem Wachstum und nach ökologischer Nachhaltigkeit womöglich im Kontext des „Siebten Gebots“ aussprechen. „Du sollst nicht stehlen“ kann sich ja durchaus auf den Aspekt der Bewahrung der Schöpfung (aber auch der Generationengerechtigkeit) beziehen. Denn was uns als Menschen anvertraut ist, das dürfen wir nicht vergeuden und verschwenden. Gerade christlich orientierten Unternehmern und Unternehmerinnen ist es aufgegeben, hier besondere Akzente zu setzen. Denn die Wirtschaft ist für den Menschen da, nicht umgekehrt. Gerade ein Blick auf die christliche Schöpfungsordnung zeigt, dass wirtschaftliches Handeln immer ein Vorletztes ist.
Ein im Glauben verankertes Unternehmertum ermöglicht den realistischen Blick auf die Verbindung von eigener Leistung und letztlich gnadenhaften Fügungen. Dazu ist es nicht nötig, den eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern christliche Werte aufzudrängen oder sie gar zu missionieren. In aller Regel haben diese ein gutes Gespür für Glaubwürdigkeit und Authentizität. Genau das trägt zu einer humanen Unternehmenskultur bei, verbunden mit wechselseitiger Achtung von Person zu Person, gleich welcher religiösen Grundüberzeugung sie folgt.