Stefan Streits Thematisierung der derzeit diskutierten Impfpflicht beginnt mit Vol. 1: Malus – Bonus / Strafe und Belohnung als Maßnahmen in der Corona Pandemie


Februar 2022

Malus – Bonus Impfpflicht Vol. 1

Strafe und Belohnung als Maßnahmen in der Corona Pandemie

Ist alles getan? Ist alles verhältnismäßig?

Einschränkungen von Bürgerrechten sind nur gerechtfertigt, wenn alle anderen Maßnahmen ausgeschöpft sind, die mit weniger Einschränkungen einhergehen. Das gilt für Beschränkung der Freiheiten im Alltagsleben wie z.B. bei den Kontaktbeschränkungen, aber auch bei der geplanten Impfpflicht. Nun sind bei der Impflicht sogar Malus Regelungen im Gespräch.[i] Abgesehen vom zweifelhaften sozialen Signal einer Strafe in dieser Angelegenheit schränken auch Malus-Regelungen Menschen ein. Insofern wäre zu fragen, ob nicht vor einer Malusreglung und einer Impfpflicht über eine Bonusregelung zu diskutieren wäre?

Die komplizierte ECMO-Behandlung eines Corona-Patienten kostet 92.000 Euro, eine „einfache Beatmung“ auf der Intensivstation 34.000 Euro und eine Krankenhausbehandlung auf der Normalstation 5.800 Euro. Das sind die Durchschnittskosten pro Patient![ii] Man könnte also ziemlich einfach ausrechnen, mit welchem Bonus hier sogar noch Geld gespart werden könnte. Zumal auch der Malus mit Kosten einhergeht, denn der muss eingetrieben werden.

Die übliche Einlassung man wäre ungerecht gegenüber denen, die sich schon umsonst hätten impfen lassen, zieht diesmal nicht. Denn von einem Lockdown oder einer Schulschließung wären Geimpfte und Ungeimpfte gleichermaßen betroffen. Das bessert sich für alle nur, wenn sich auch die Ungeimpften noch impfen lassen.

Die Gerichte winken längst nicht mehr alle freiheitsbeschränkenden Maßnahmen durch. So kippte das Oberverwaltungsgericht am 16.12.2021 die niedersächsische 2G-Regel für den Einzelhandel.[iii] Die Verhältnismäßigkeit zwischen erwartetem Nutzen und den Einschränkungen konnte vom den Richtern nicht nachvollzogen werden. Die angeordnete Pflicht zum Tragen von FFP-Masken im öffentlichen Raum wäre verhältnismäßiger gewesen, so die Begründung.

Was das für die Impfpflicht mit einer Malus-Regelung bedeutet ist klar: Viele Gerichtsverfahren wegen fehlender Verhältnismäßigkeit.

Und jenseits der Gerichtsäle? Eine weitere Verzögerung der zügigen Impfkampagne! Dagegen wäre von einer Bonusregelung eine schnelle und deutliche Verbesserung der Impfsituation zu erwarten, weil man Gruppen anspricht, die von den bisherigen Maßnahmen noch nicht erreicht wurden. Die überzeugten Impfgegner erreicht man weder mit Malus- noch mit Bonusregelung. Allerdings auch nicht mit einer Impfpflicht. Viele Menschen haben ja jetzt schon mit gefälschten Impfpässen versorgt, die durch die Corona-APPS digital als echt geadelt wurden.

Hier gibt es keine Chance mehr, auch nicht mit einem Impfregister! Aber die vielen, leicht Zögerlichen, die die schlecht die Sprache verstehen, die Bequemen, die kämen, wenn es einen zusätzlichen Grund gäbe, die könnte man so aktivieren. Die Belohnung als Zünglein an der Waage bei unterschwelligen Bedenken, diffuser Angst, Nichtwissen oder einfach eines fehlenden Grundes sich auf den Weg zu machen. Mein Vorschlag wäre: 100 Euro für die Erstimpfung, 50 Euro für die zweite und 30 Euro für die dritte Impfung.

Das erscheint Ihnen zu hoch? Neben den ersparten 92.000, 34.000 bzw. 5800 Euro für nicht erforderliche Krankenhausbehandlungen, sollte Sie bitte berücksichtigen, dass seit der Schließung der Impfzentren die Corona-Impfungen sehr preiswert geworden sind. Eine Corona-Impfung im Impfzentrum kostete seinerzeit mindestens 330 Euro.[iv] Dazu kam anfangs noch der Transport per Taxi (20 Euro pro Fahrt) oder der Krankentransport (ca. 100 Euro pro Fahrt), also noch mal 40 Euro, bzw. 200 Euro für Hin- und Rückfahrt dazu. Da die Praxen die Impfung heute für 28 Euro erledigen, müsste ja von der Differenz zu 330 Euro bzw. 550 Euro noch was übrig sein. Die Immobilität des Hochbetagten stellt ein klares Impfhindernis dar, wie sollten diese Menschen ins Impfzentrum kommen? Impfangst, Unkenntnis oder Gleichgültigkeit sind ebenfalls klare Impfhindernisse, warum sollten diese Menschen ins Impfzentrum kommen? Die Transporte für die Hochbetagten wurden bezahlt, also kann man auch die Belohnung für die Ängstlichen, die Nichtverstehenden und die Gleichgültigen zahlen, damit die Impfung stattfinden kann. Inklusion baut doch auf niederschwellige Angebote, oder?

Klar, die Auszahlung muss verwaltet werden. Hier bestünde dann die Chance zum Neustart zu einer wahrhaftigen Corona-Impfdokumentation. Ich glaube nicht, dass sich der Impfpasseintrag als Legitimation für die Bonusauszahlung eignet… Mein Vorschlag: mit der Auszahlung erfolgt ein Eintrag unter der Steuer-ID, die ja sowieso schon als Personenkennziffer verwendet wird mit Namen, Impftag und Chargennummer. Danach erfolgt ein automatisierter Direktabgleich zwischen dem Bonuszahlungsregister und den Abrechnungsdaten, die von den impfenden Ärzten bei der Kassenärztlichen Vereinigung gemacht wurden (Identität, Tag der Impfung und Chargennummer, liegt dort alles vor). Da es sich nur um einen Abgleich von zwei eigentlich gleichen Datensätzen an zwei verschiedenen Orten handelt, sollte die Datenschutzhürden nicht allzu hoch liegen. (Eine echte Datenübertragung findet ja im Normalfall gar nicht statt, sondern nur dann, wo der Verdacht besteht, der Bonus sei erschlichen worden.) Verbindet man das alles mit dem Versprechen diese Daten direkt nach dem erfolgreichen Datenabgleich zu löschen, dann könnten Politik und Verwaltung sich gleichzeitig bewähren, was den Umgang mit Registerdaten angeht…

Und bevor wir jetzt ein Impfregister für bis zu 240 Millionen Impfungen aus der Vergangenheit bei 85 Millionen Menschen einrichten, wäre es doch leichter, 10 oder 20 Millionen zukünftige Impfungen zu verwalten. Außerdem würden dann auch nicht die ganzen Impfungen aus gefälschten Impfpässen amtlich. Und es bestünde nicht die Gefahr, dass am Ende die Impfpflicht wegen des Nichtausschöpfens von weniger einschränkenden Maßnahmen von einem Gericht kassiert wird. Man sollte eine Milliarde Euro in die Hand nehmen und versuchen mit dieser unerwarteten Strategie die Impfkampagne voranzubringen und dabei die Laune gut zu halten. Sollte sich die Impfquote nicht verbessern bringen, dann kostet die Sache nichts: weder finanziell noch sozial.

Einen Versuch wär‘s wert. Auch weil Belohnen die Stimmung verbessert und bessere Stimmung die jenseits der Mitte zurück zur Mitte bringt.

[i] Holetschek fordert Malus-Regelung von DPA, in Süddeutsche Zeitung, vom 27.12.2021 auf Seite 24.

[ii] Holetschek fordert Malus- Regelung von DPA, in Süddeutsche Zeitung, vom 27.12.2021 auf Seite 24.

[iii] Kritik an Montgomerys „Richterlein“-Kritik von DPA, in Süddeutsche Zeitung, vom 28.12.2021 auf Seite 5.

[iv] Wer ist günstiger, Hausarzt oder Impfzentrum von (lzt) in FAZ vom 14.3.2021 auf Seite 22.


Vol. 2 Unbürokratische Impfpflicht? Von wegen finden Sie hier:


Alle Rechte vorbehalten.

Abdruck oder vergleichbare Verwendung von Arbeiten des Instituts für Sozialstrategie ist auch in Auszügen nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung gestattet.

Publikationen des IfS unterliegen einem Begutachtungsverfahren durch Fachkolleginnen- und kollegen und durch die Institutsleitung. Sie geben ausschließlich die persönliche Auffassung der Autorinnen und Autoren wieder.

Posted by Stefan Streit