Abstract [de]: Ethische Geldanlagen und profitorientiertes Denken müssen kein Widerspruch sein, meint Professor Josef Wieland, Leiter der Constance Academy of Business Ethics. So findet die Praxis des Social Responsible Investing (SRI) zwischenzeitlich breiten Anklang – bei kirchlichen Akteuren ebenso wie bei führenden Banken. Damit die sozialbewussten Geldanlagen jedoch wirklich zweckgemäß sind und nicht nur als Kommunikationsstrategie dienen, fehlt es allerdings noch an Transparenz und klar definierten Standards. 


April 2012

Money oder Moral?

Wie man Geld ethisch anlegt

Erschienen am 01.06.2010 im Fluter: Magazin der Bundeszentrale für politische Bildung.

Angesichts der Wirtschafts- und Finanzkrise machen sich immer mehr Menschen Gedanken über wirtschaftliche Folgen von unethischem Verhalten. Wie bringt man Ethik und Ertrag zusammen?

Mindestens einen von zehn US-Dollars in gute Zwecke zu investieren, ergebe natürlich Sinn, sagt Raymond Fisman, Professor an der Columbia Business School in New York. Für Fisman ist sozial verantwortungsvolles Anlegen oder Social Responsible Investing, im Fachjargon kurz “SRI”, lange überfällig. Nur das Aufspringen auf einen fahrenden Zug. Statt Boykottmaßnahmen gegen Kinderspielzeug aus China sei es, so Fishman, “viel besser, sozialbewusste Anlagen zu unterstützen”. Fishman prognostiziert, dass Unternehmen, die ethisch danebenliegen, “zukünftig vom Anleger härter bestraft werden”. Seine Begründung: die banale Feststellung, dass Investoren Menschen sind. Mit Hirn, Herz und Hand. Und ein verlässlicherer Indikator im Risikomanagement sei das SRI deshalb obendrein. Denn es basiert auf dem Prinzip der Transparenz. Wenn Anleger/innen und Unternehmer/innen dadurch mehr voneinander wissen, dann bringt das “gutes Geld” für viele Menschen. Und schafft Vertrauen in die Portfolio-Manager/innen.

Marc Witzenbacher, Sprecher der Evangelischen Landeskirche in Baden, sagt: “Jeder kann das, ethisch investieren.” Die Kunst sei nur, es mit Ethik und Ertrag zugleich zu tun. Barbara Bauer ist als Oberkirchenrätin für solche “ethischen Investments” verantwortlich. Sie will das der Kirche anvertraute Geld stets sinnvoll, aber auch gewinnbringend einsetzen. Um als Non-Profit-Unternehmen die Pfarrer bezahlen zu können. Hinzu kommen Rücklagen für kostspielige Gebäudesanierungen oder Krankheitsbeihilfen. Insgesamt managt der Kirchen-Konzern im Südwesten der Republik 950 Millionen Euro, die ethisch angelegt werden wollen. Keine Peanuts. Und die Liste seiner “No-Go’s” ist lang: Aktien-Gewinne aus Rüstungsgeschäften, Glücksspielen, Gentechnik, Drogen, Pornografie, Kinderarbeit oder Atomenergie. Für die Kirchenräte sind solche Anlagen ein striktes Tabu.

Aber nicht nur Kirchen bevölkern den SRI-Markt: Die Deutsche Bank, Primus im konventionellen Investment-Banking, will ebenso zu den Guten im Geschäft gehören. “Unsere eigenen Erfolgschancen sind umso größer, je stabiler die Gesellschaft ist”, sagt Sprecher Nico Reinhold, “und es liegt in unserem ureigenen Interesse, in die Stabilität und Prosperität von Gesellschaften zu investieren.” Die kirchlichen Anleger wollen dagegen noch mehr. “Als Aktionär wollen wir selbst mit den Unternehmen sprechen, um Unternehmen in die richtigen Bahnen zu lenken”, so Witzenbacher. Theologisch entspräche diese Finanz-Praxis christlicher Nächstenliebe. Ökonomisch ist diese Strategie bekannt als Instrument namens “Engagement Overlay”. Dessen Ziel: Im Unternehmen mitreden, statt nur auf Kurs und Bilanz gucken. Über 90 Prozent “gutes Geld” sei bei der Evangelischen Landeskirche in Baden bereits im Portfolio, das Ziel seien 100 Prozent für Umwelt, Gesundheit und Soziales.

Ob Ethik und Ökonomie sich widersprechen oder ob sich ihre Maximen vereinen lassen, solche Fragen haben seit dem schottischen Philosophen Adam Smith (1732–1790), dem Begründer der klassischen Volkswirtschaftslehre und Autoren der “Theorie der ethischen Gefühle”, immer wieder Denker/innen beschäftigt. In Konstanz beackert das CABE (Constance Academy of Business Ethics) das schwierige Themengebiet zwischen Money und Moral. Wir haben mit dem Wissenschaftlichen Direktor Josef Wieland gesprochen.

Geld regiert die Welt. Erst kam die Finanzkrise, dann die Wirtschaftskrise, nun schwächeln ganze Staaten. Können ethische Investments so etwas wie Gerechtigkeit (wieder) herstellen?

Die Idee ist gut und richtig. Nur das Wie ist noch nicht wirklich geklärt. In ethisch einwandfreie Aktien und Fonds investieren, das ist weltweit und vor allem in Deutschland nur ein Bruchteil des Marktvolumens. Bisher eine sehr beschränkte Sache. 

Welche moralischen Standards fehlen, damit “Social Responsible Investing” (SRI) mehr ist als nur ein Feigenblatt von Banken, Beratungen oder Konzernen?

Ex-UN-Generalsekretär Kofi Annan hat ganze 20 Milliarden Dollar zusammengebracht, mit denen unter anderem auch soziales Unternehmertum finanziert werden soll. Etwa Kleinstunternehmen, die sich darum kümmern, Hartz-4-Empfänger soweit sozial und hinsichtlich ihrer Qualifikationen fit zu machen, dass sie diese Unterstützung nicht mehr nötig haben. Es geht also nicht nur um das Investieren in Unternehmensgründungen, sondern um die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung. Zum Beispiel das Vergeben von Mikrokrediten, Hilfen zur Selbsthilfe. In Großbritannien wird sogar überlegt, dies über vielfach gescholtene Hedge-Fonds abzuwickeln. Der Sozialstaat kann nicht mehr alle Probleme der Gesellschaft lösen.

Soziales Kapital schaffen. So steht es in den Leitbildern aller Großbanken. Widersprechen sich ethische Geldanlage und profitorientiertes Denken nicht?

Eindeutig: nein. In der ökonomischen Logik sind große Teile Asiens, Afrikas und Südamerikas keine Armenhäuser, sondern zu entwickelnde Investitions- und Konsummärkte. Wie kann man diese Länder in den Markt holen? Zum Beispiel durch das Angebot von Mikro-Versicherungen für Menschen, die sich keine westlichen Standards genügende Versicherung leisten können. Die kosten dann eben 50 Cent. Da geht es dann auch um eine echte Entwicklung der Ökonomie.

Die Deutsche Bank & Co haben eine ganze Reihe von Benchmarks, zertifiziert von Rating-Agenturen. Klingt gut für den Privatkunden. Wo ist das Problem? 

Es gibt bisher keine überzeugenden Zahlen, weder allgemein akzeptierte Standards noch einheitlich definierte Kriterien, mit denen man “Nachhaltigkeit” als Erfolgskennzahl messen kann. Was wir fördern müssen, ist die Forschung zu diesem Zusammenhang. Wir brauchen mehr als nur Plausibilitätskriterien.

Warum engagieren sich Ihrer Meinung nach so viele Banken im Bereich ethische Investments, momentan?

Ich vermute, da geht es häufig weniger um den “Business Case” als um das Thema der Reputation der Banken und der Finanzmärke, einem “Branding” des Guten, vor allem im Angesicht der Krise. Mir geht es wesentlich um Ersteres. Also nicht nur darum, den UN Global Compact oder sonst eine Deklaration zu unterschreiben. Die Banken werden vom Kunden an ihren Produkten gemessen, nicht ihren Leitbildern. Das gilt global und regional. In welche Fonds wird investiert? Was ist mit Energie und Wasser? Gibt es Kredite für sozial Schwache? Wie wird die Tafelbewegung unterstützt? Das will die Gesellschaft sehen. Bis dahin bleibt SRI eine Kommunikationsstrategie.

Machen wir das an einem Begriff fest. Was heißt Nachhaltigkeit für Sie?

Jedenfalls mehr als die Kontinuität des Geschäfts. Das wäre nur der Teil der Ökonomie, einseitig ohne die ökologische und gesellschaftliche Komponente. Es geht um die Ermöglichung von gesellschaftlichem Wohlstand. Banken sind das Rückgrat unserer Gesellschaft, und dafür sind sie häufig noch viel zu passiv. Manche Institute engagieren sich auch heute schon mutig, die Sparkassen und Genossenschaftsbanken mit ihrem regionalen Förderauftrag. Aber wir sollten mehr auf das Entwickeln von Nachhaltigkeit vor der eigenen Haustür achten. Ich erinnere mich an ein Gespräch, das ich vor etwa 15 Jahren mit Verantwortlichen der City-Bank in New York hatte. Wie andere Banken hat auch sie ihre Filialen in den New Yorker Szenevierteln, der Bronx und Brooklyn, nicht aufgegeben. Eine Bank kann das einfach nicht. Also vergaben Sie Kredite für soziale Wohnprojekte und stellten mehr Azubis ein. Ihnen ging es darum, die gesellschaftliche Stabilität zu fördern, indem sie neue Mitarbeiter und Kunden gewinnen. Ich denke, dies ist ein gutes Beispiel für nachhaltiges Investment.

LITERATUR:

Thomas Kohrs & Anselm Grün, Ethisch Geld anlegen, Vier-Türme-Verlag 2008

Hans-Ullrich Küpper, Unternehmensethik, Schäffer-Poeschel 2006

Leo Müller, Tatort Zürich, Ullstein 2008


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Posted by Jan Thomas Otte

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