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A virus spreads in Latin America and concerns the world – the Zika-virus. But behind are more than health challenges. Also questions how to interact with civil society and how paternalistic states in such a context react, have to be asked.

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Ein Virus grassiert in Lateinamerika und bewegt die Welt – der Zika-Virus. Doch dahinter stecken mehr als gesundheitliche Herausforderungen. Auch Fragen des Umgangs mit der Zivilgesellschaft oder wie paternalistisch Staaten in einem solchen Zusammenhang reagieren, müssen gestellt werden.

 

Februar 2016

Der Zika-Virus in Lateinamerika – Die Gefährdung fragiler Strukturen, top-down policies und begrenzte Handlungsspielräume

 

Der Zika-Virus wurde zunächst bei Affen isoliert und kam bis 2007 nur im tropischen Afrika und Südostasien vor. Über ihn ist wenig bekannt, beispielsweise mangelt es an Wissen zu Übertragungswegen. Der Virus kann jedoch zum sogenannten Zikafieber führen. Verwandt ist der Virus beispielsweise mit dem Dengue-Virus, welcher sich gerade in vielen urbanen Gebieten Lateinamerikas zu einer immer größeren Herausforderung und Gefährdung entwickelt.

Dengue-Fieber ist jedoch weitaus gefährlicher für Menschen. Beim Zika-Virus entwickelt nur eine von fünf Personen Symptome wie Hautausschlag, Fieber, Muskel-, Kopf- und beziehungsweise oder Gelenkschmerzen. Tote durch den Virus gab es bisher nicht. Es gibt jedoch Hinweise auf eine Übertragung des Virus von schwangeren Müttern auf ihre ungeborenen Kinder, welche zu Mikrozephalie führt.

Seit Mitte 2015 breitet sich der Virus in Lateinamerika zunehmend aus – zunächst in Brasilien, dann in Kolumbien und weiter in vielen Ländern Mittel- und Südamerikas. In Brasilien werden inzwischen gehäufte Fälle von Mikrozephalie bei Neugeborenen gemeldet, statt circa 200 Fällen pro Jahr gab es von Oktober 2015 bis Januar 2016 fast 4000 – dies wird mit der Ausbreitung des Zika-Virus in Verbindung gebracht.

Doch bewiesen ist dies nicht – dennoch empfahlen die Gesundheitsbehörden in Kolumbien, Ecuador, El Salvador und Jamaika Schwangerschaften in den nächsten Monaten zu vermeiden. Länder wie die USA oder auch Deutschland empfehlen Schwangeren und jenen die Schwanger werden wollen, von Reisen in Gebiete mit Zika-Virus-Infektionen abzusehen.

In die Medien schaffte es dabei neben Brasilien, jenem Land mit den meisten Fällen, insbesondere auch El Salvador. El Salvadors Regierung empfahl der Bevölkerung Schwangerschaften bis 2018 zu verschieben, bis das Virus besser verstanden sei. Dies ist ein radikaler Eingriff in die individuelle Selbstbestimmung und mit kaum mit ähnlichen Fällen zu vergleichen. Selbst auf den Höhen der Angst vor HIV/AIDS als unbekannte Krankheit wurde nicht soweit gegangen Frauen Schwangerschaften zu verbieten. Dies geschieht auch nicht in El Salvador, doch die Empfehlung geht deutlich in Richtung einer Druck auslösenden Aussage.

Es ist aber auch klar als Ruf der Hilflosigkeit anzusehen, zu solchen Empfehlungen zu greifen. Daneben setzt man auf eine breite Bekämpfung von Aedes Mücken, die den Virus übertragen. Diese Mücken übertragen auch Gelb- und Dengue-Fieber. Es werden also zweierlei Ansätze erprobt.  Der eine ist jener, die vermutlich gefährdetste Gruppe der Bevölkerung zu reduzieren, indem von Schwangerschaften abgeraten wird. Dies ist nicht nur eine Geste der Hilflosigkeit, es ist auch ein sehr direkter Eingriff in die Selbstbestimmungsrechte jedes einzelnen.

El Salvador ist bereits ein von sehr dichter Besiedelung, deutlicher Armut und Gewalt durch Gangs und Drogen gezeichneter Staat, der nun durch den Virus weiter gefährdet wird. So schrecklich die Auswirkungen des Zika-Virus auch sind, alleine in El Salvador sterben jedes Jahr einige Menschen an Dengue-Fieber, es gibt über 10.000 jährlich bestätige Erkrankte, vermutlich noch mehr Fälle – es ist also wenn dann eine zusätzliche Gesundheitsbürde. Doch der mediale Fokus, welcher Druck erzeugt und El Salvador auch in den Fokus stellt, konzentriert sich auf Zika.

Andere Gesundheitsbehörden sehen solche Empfehlungen wie in El Salvador jedoch eher skeptisch, zumindest solange keine wissenschaftliche Klarheit herrsche, bezüglich der Gefahren, aber auch dem Status der Verbreitung im Land. Es ist anzunehmen, dass diese Empfehlung eher auf Grund von Hilflosigkeit erfolgte, aber sie macht auch deutlich, wie sehr zentral und von oben herab, also top-down reagiert wird.

Der Anschein eines regulierenden Eingriffes, der bei Bevölkerungspolitik oder Themen wie Familienplanung nie fern ist, wird hier all zu deutlich. El Salvador war bis Anfang der 1990er Jahre durch einen Bürgerkrieg zerrüttet und baute zivilgesellschaftliche Strukturen erst wieder auf. Diese blieben stets fragil, nicht nur durch verbreitete Gewalt, die durch Drohungen immer wieder beispielsweise auch die Schließung von Krankenhäusern zur Folge hatte.

Nun angesichts einer neuerlichen und als kaum kontrollierbar angesehenen Bedrohung top-down in private Bereiche der Bevölkerung eingreifen zu wollen – nicht direktiv, aber eben doch als starke Empfehlung – gefährdet die Möglichkeiten zivilgesellschaftlicher Organisation und Vernetzung. Es wird eben nicht auf unterstützte Selbstregulierung und transnationale Antworten gesetzt, sondern vor allem auf regulatorisch-zentralistische.

Dies gefährdet ganz klar zivilgesellschaftliche Wurzeln und lässt weitere Eingriffe in anderen Bereichen, kommuniziert als notwendiger Schutz, durchaus möglich werden. Analog gilt diese Gefahr angesichts eines unkontrollierbar scheinenden Virus auch in anderen Ländern wie Kolumbien, auch hier steht zentral- staatliches top-down Agieren als einzige Krisenbewältigungsstrategie lokalen und zivilgesell-schaftlichen Ansätzen entgegen.

Diese Tendenz zeigt sich auch beim anderen Ansatz, den Virus unter Kontrolle zu bringen. Der andere Ansatz ist jener der Bekämpfung der Virus-Ursachen, jedoch mit Fokus auf die Mücken, nicht beispielsweise auf Armut und mangelnde allgemeine Gesundheitsversorgung, welche Krankheits-ausbreitungen begünstigen. Massiv werden in El Salvador oder auch in Kolumbien Maßnahmen ergriffen, Aedes Mücken zu töten – die größten Schlagzeilen macht dabei jedoch Brasilien. Dort werden 220.000 Soldaten zur Bekämpfung der Mücken eingesetzt. Da es keine Behandlung oder eine Impfung gegen den Virus gibt, wird darin die einzige mögliche Maßnahme gesehen, dem Virus zurückzudrängen.

In Brasilien grassiert in diesem Kontext zusätzlich die Angst vor einer Gefährdung der Olympischen Sommerspiele und des sehr bald anstehenden Karnevals in Rio de Janeiro. Dabei geht es um Geld, aber auch um Prestige. Viele Länder haben durch Tourismus große Einnahmen, auch Brasilien. Die Angst vor dem unbekannten Virus könnte jedoch Touristen abhalten in das Land zu reisen – dies ist eine zusätzliche Quelle der Sorgen in Brasilien neben der Gesundheitsgefahr selber. Noch wird sich zurückgehalten mit Warnungen bezüglich Olympia von Seiten beispielsweise der USA.

Allerdings gibt es Verweise darauf, dass die Lage weiterhin beobachtet wird. Gerade das Auftreten eines Virus in urbanen Gebieten, wie bei Dengue, aber eben auch dem Zika-Virus, wird dabei als besonders gefährdend für den Tourismus gesehen. Dabei natürlich vor allen in Ländern, in denen es viele weitere durch Stechmücken übertragene Krankheiten gibt.

Da klingt es erstmal sinnvoll, doch die Mücken anzugehen, möglicherweise gar den Versuch zu wagen, so den Virus komplett auszurotten. Die Idee einen Virus durch das vollständige Auslöschen bestimmter Mücken in den Griff zu bekommen ist nicht neu – ähnliche Versuche gab es mit Aedes Mücken bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Brasilien um Gelbfieber auszurotten.

Dies verursachte hohe Kosten, aber auch temporär reduzierte Raten, dann aber kam es zu einem Wiederkehren der Mücken und der Krankheit. Spätestens ab den 1970er Jahren kamen entsprechende zentralistische und global verbundene Versuche durch Ausrottung Krankheiten in den Griff zu bekommen in die Kritik. Stattdessen sollten lokal jene Krankheiten bekämpft werden, die dort die größte Gefährdung darstellen. Da auch in Brasilien Dengue ein wachsendes Problem ist, scheinen die Aedes Mücken in diesem Sinne ein sinnvolles Ziel zu sein – quasi das Angehen mehrerer Krankheiten durch die Bekämpfung einer Ursache, von Aedes Mücken.

Doch der Fokus darauf steht klar für Aktionismus. Ausrottungsversuche von Mücken und Viren scheiterten oft daran, dass die lokale Anbindung und damit auch Unterstützung der Maßnahmen fehlte, Menschen lokal eben nicht nur unter einer Krankheit litten. Dazu kamen Krankheitsgründe wie Armut oder schlechte Wasserversorgung, die erst weite Mückenbrutgebiete zulassen. Sich also darauf zu fokussieren die Mücken anzugehen, zeugt von Kurzfristigkeit, aber auch zentralistischem Eingreifen. Statt die Zivilgesellschaft zu stärken, lokale Gesundheitsversorgung insgesamt anzugehen und weitere Gründe in den Maßnahmenkatalog zu integrieren, agiert man mit engem Fokus. Dies mag international nach Durchgreifen aussehen, steht aber nicht für langfristige Lösungen.

Doch es gibt durchaus einen Lichtblick. Schaut man auf die 220.000 Soldaten in Brasilien, dann zeigt sich: diese sollen vor allem informieren, also durch Bildung zum Selbstschutz befähigen. Der Ausbruch und die Verbreitung des Zika-Virus in Lateinamerika sind zugleich eine enorme Herausforderung, durch Warnungen von außerhalb, aber auch eine wahrgenommene und medial verbreitete große Gefahr – siehe Olympia. Dies führt zu aktionistischen Agieren, Versuchen paternalistischer Kontrolle, wie der Empfehlung nicht schwanger zu werden, und kurzsichtigen Agieren.

Durchaus kann dadurch das Bild entstehen, die Staaten hätten alles unter Kontrolle. Doch dies erlaubt nicht nur mehr Eingriffe, Kontrolle und Lenkung, es ist auch nicht mehr als ein Bild mit fraglichem Inhalt. Es bleibt zu beobachten, wie sich die Situation entwickelt, auch durch inzwischen in den USA auftretende Fälle durch Reisende. Aber schon jetzt zeigt sich, dass Momente wahrgenommenen Kontrollverlusts und medialen Drucks, aber auch Drucks der jeweiligen Zivilgesellschaften, zu aktionistischem und mindestens partiell paternalistischen Agieren führen, nicht einer Antwort durch kooperatives Einbinden der Zivilgesellschaft(en). Dies schließt nicht aus, dass diese, möglicherweise auch in ihrer Vernetzung über Grenzen hinaus, ihre eigenen Antworten finden. Auch dies gilt es zu beobachten. Gerade Fragen der Gesundheitspolitik sind stets auch Fragen des Umgangs mit der Zivilgesellschaft, dem Changieren zwischen Kontrolle und ermächtigender Einbindung, und die akute Ausbreitung des Zika-Viruses steht dafür überaus deutlich.

 

Näheres dazu unter anderem unter:

Azam Ahmed: El Salvador’s Advice on Zika Virus: Don’t Have Babies, in: New York Times, 26.01.2016, online in: http://www.nytimes.com/2016/01/26 /world/americas/el-salvadors-advice- on-zika-dont-have-babies.html?_r=0 (letzter Zugriff: 27.01.2016).

Center for Disease Control and Prevention: Zika Virus in Central America, online in: http://wwwnc.cdc.gov/travel/notices/ alert/zika-virus-central-america (letzter Zugriff: 27.01.2016).

Center for Disease Control and Prevention: Zika Virus in South America, online in: http://wwwnc.cdc.gov/travel/notices/ alert/zika-virus-south-america (letzter Zugriff: 27.01.2016).

Colin Fernandez: Fears that Zika will spread to Florida: British medicas warn pregnant women of risk from virus which leaves babies deformed, in: The Daily Mail, 26.01.2016, online in: http://www.dailymail.co.uk/health/ar ticle-3417032/Don-t-South-America- pregnant-Britons-told-Warning-Zika- virus-spread-mosquitoes-deforms- babies-brains.html (letzter Zugriff: 27.01.2016).

Gloria Marisela Morán: Zika, Embarazos y algo más, in: Diario Digital Contra Punto, 22.01.2016, online in: http://www.contrapunto.com.sv/repo rtajes/zika-embarazos-y-algo-mas (letzter Zugriff: 27.01.2016).

Simon Romero: Brazil Will Deploy Troops to Spread Awareness of Zika Virus, in: The New York Times, 27.01.2015, online in: http://www.nytimes.com/2016/01/27 /world/americas/zika-virus-brazil-will- deploy-troops-to-spread- awareness.html (letzter Zugriff: 27.01.2016).

Nancy Leys Stepan: Eradication. Rid- ding the World of Diseases Forever?, London: Reaktion Books 2011.

 

 

 

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Posted by Mario Faust-Scalisi

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