Abstract [de]: Mindestlöhne sind gefährlich, weil sie soziale Gerechtigkeit versprechen und dennoch zum Abbau von schlecht bezahlten Arbeitsplätzen führen. Und es gibt dazu sehr wohl eine Alternative: Die negative Einkommensteuer.


Juni 2010

Mindestlohn oder negative Einkommenssteuer?

Stellen wir uns vor, die Bundesregierung würde in ihrer Weisheit beschließen, dass der Benzinpreis pro Liter in Deutschland 3 Euro nicht unterschreiten darf. Durch ein „Gesetz für ökologische Ausgleichsfinanzierung“ wäre es Tankstellen verboten, Benzin unterhalb dieses Preises abzugeben. Außerhalb Deutschlands bleibt es beim bisherigen Preisniveau. Was würde passieren? Bei einem Preis von 1,40 l/Euro und einer Tankfüllung von 50 Litern sprechen wir hier immerhin von 80 Euro!

Natürlich würden alle Grenzlandbewohner im Ausland tanken. Wollte die Regie rung dies unterbinden, müsste sie eine „Tankfüllungsbescheinigung“ bei jeder Ausreise einführen und eine „Einreise-Ausgleichsabgabe“ bei allen Autofahrern erheben, die mit leerem Tank aus- und mit vollem Tank einreisen. Das Schengen-Abkommen müsste kurzfristig außer Kraft gesetzt werden. Da im Gesetz nur von Tankstellen die Rede ist, bieten Aldi und Lidl die „Sonderaktion gefüllter Benzinkanister“ an: 20 Liter zu 40 Euro! Da bleibt ein ordentlicher Gewinn für die Händler, aber auch der Endverbraucher profitiert: Er spart immerhin 20 Euro pro Kanister. Das spürt er in der Haushaltskasse deutlich! Und der Benzinabsatz an inländischen Tankstellen geht um 20% zurück. Die Regierung begrüßt diese Entwicklung als „positiven Beitrag zum Klimawandel“ und reagiert auf den Freiverkauf von Treibstoff dadurch, dass sie für das Einlagern von Brennstoffen eine „Gefahrgutbetreiber-Bescheinigung“ einfordert. Diese setzt den Besuch eines pro Stadt und pro Landkreis angebotenen Kurses voraus.

Es kommt nun zu Protesten, weil die Anzahl der angebotenen Kurse nicht ausreicht. „Gefahrgutbetreiber-Bescheinigungen“ werden auf dem Schwarzmarkt gehandelt. Trotzdem steigt die Anzahl von Wohnungsbränden signifikant. Was daraus zu lernen ist, sagt schon das Sprichwort: Gut gemeint ist noch nicht gut gemacht. Die gleiche Assoziation gilt leider auch für das Thema Mindestlohn. Weder die chinesische noch die bulgarische oder tschechische Regierung wird die Löhne im eigenen Land drastisch anheben, um Deutschland zu Hilfe zu eilen.

Folglich wird dort, wo es möglich ist, noch mehr an Arbeitsvolumen ins Ausland verlagert, denn der Preiswettbewerb stellt viele kleine und mittlere Unternehmen vor die schlichte Alternative: „Mitspielen“ oder „nicht mehr überleben“! Wer sich vehement gegen Mindestlöhne einsetzt, muss daher noch kein Büttel des internationalen Groß- und Finanzkapitals sein. Und er muss auch nicht unbedingt einen Mangel an Gerechtigkeitsempfinden verkörpern! Wenn eine Gesellschaft aus guten Gründen für einen sozialen Ausgleich ist, dann hat sie auch die Aufgabe, nach sinnvollen Wegen zur Realisierung sozialer Gerechtigkeit zu suchen- wie immer diese im Einzelfall definiert ist.

Mindestlöhne sind gefährlich, weil sie soziale Gerechtigkeit versprechen und dennoch zum Abbau von schlecht bezahlten Arbeitsplätzen führen. Und es gibt dazu sehr wohl eine Alternative:

Die negative Einkommensteuer. Gemeint sind nicht die klassischen Kombilöhne, zu denen unterschiedliche Erfahrungen vorliegen. Gemeint ist vielmehr ein weitgehend bürokratiefreier Vorgang, der unmittelbar an Arbeit und Einkommen anknüpft. Wenn gering qualifizierte Arbeit auf dem Weltmarkt für 5 Euro zu haben ist, dann kann ein verantwortlicher Arbeitgeber auch nur 5 Euro zahlen. Die Gesellschaft kann in Form ihres gewählten Parlaments aber sehr wohl entscheiden: Für uns ist das akzeptable Existenzminimum bei 7.50 Euro pro Stunde erreicht. Die meisten Konzeptionen rufen an dieser Stelle nach staatlicher Bürokratie. Es werden Ämter eingerichtet, Berechtigungen überprüft, Kontrollen durchgeführt und dergleichen. Um 2,50 Euro pro Stunde zu überweisen, entstehen Mehrkosten, die in keinem Verhältnis zu den guten Absichten stehen. Anders bei der negativen Einkommensteuer. Hier wird vom Gesetzgeber festgesetzt: Der Basisbetrag für die Besteuerung von Einkommen liegt bei 7.50 Euro pro Stunde. Wer weniger verdient, erhält über den Arbeitgeber eine „negative Einkommensteuer“. Diese liegt bei 2,50 Euro, wenn jemand über seine Arbeit 5 Euro pro Stunde erlösen kann. Die negative Einkommensteuer wird vom Arbeitgeber bezahlt und mit der Gesamtlohnsteuer eines Betriebs gegenüber dem Finanzamt abgerechnet.

Staatliche Bürokratie entfällt und Unternehmen werden auch dort wieder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen, wo sie heute unter dem Druck der Konkurrenz ins Ausland abwandern. Es wird aber auch kein Lohndumping entstehen. Deutschlands Bevölkerung schrumpft. Es ist unwahrscheinlich, dass Unternehmen sich dort im Lohn unterbieten, wo es schon heute schwer ist, zwar gering qualifizierte, aber zuverlässige Mitarbeiter zu finden! Für den einzelnen Mitarbeiter bedeutet dies ein hohes Maß gefühlter Gerechtigkeit. Er ist nicht mehr Kostgänger des Staates und ungeliebter Almosenempfänger, sondern er hat Anteil an der Würde, die in jeder sinnvollen Arbeit steckt.

Und der Staat profitiert dadurch, dass die Arbeitslosenzahl sinken wird denn die hohe Arbeitslosigkeit in Deutschland hängt auch damit zusammen, dass gering entlohnte Tätigkeiten wirtschaftlich erschwert worden sind:

Arbeitslose verloren ihr Arbeitslosengeld, Betriebe litten unter dem Wettbewerbsdruck aus Niedriglohnländern. Wie war das noch einmal mit dem Benzin? dass wirtschaftliche Kräfte anders wirken, wenn es um menschliche Arbeit geht?

Posted by Anne Häseker

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