Eine Brücke von beiden Seiten, die alle Beteiligten zur Veränderung führt
Abstract [de]: Am 29. Juli 2016 fand in der Geschäftsstelle des Instituts für Sozialstrategie in Bad Wimpfen ein Dialogsymposium zum Thema Flüchtlinge, Bildung und Arbeitswelt statt. Eingefunden hatten sich Personen aus der Zivilgesellschaft, weiterhin Vertreterinnen und Vertreter des Weinbauverbands Baden-Württemberg, der Handwerkskammer, der Steinbeis University, des KIT und anderer Institutionen. Die Initiative ging aus von Jean Paul Kühne, der für das Institut für Sozialstrategie das Kompetenzzentrum Flüchtlinge, Bildung und Arbeitswelt leitet.
August 2016
Eine Brücke von beiden Seiten, die alle Beteiligten zur Veränderung führt
Begegnungstag des Instituts für Sozialstrategie in Bad Wimpfen zum Thema Flüchtlinge, Bildung, Arbeitswelt
Am 29.Juli 2016 fand in der Geschäftsstelle des Instituts für Sozialstrategie in Bad Wimpfen ein Dialogsymposium zum Thema Flüchtlinge, Bildung und Arbeitswelt statt. Eingefunden hatten sich Personen aus der Zivilgesellschaft, weiterhin Vertreterinnen und Vertreter des Weinbauverbands Baden-Württemberg, der Handwerkskammer, der Steinbeis University, des KIT und anderer Institutionen. Die Initiative ging aus von Jean Paul Kühne, der für das Institut für Sozialstrategie das Kompetenzzentrum Flüchtlinge, Bildung und Arbeitswelt leitet.
Ziel des Dialogtags war die Vernetzung der Akteurinnen und Akteure aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen. So wurde der Hinweis auf ein online verfügbares Verzeichnis der lokalen Helferkreise sehr begrüßt, weil Flüchtlinge beispielsweise als Saisonarbeitskräfte in der Landwirtschaft gebraucht werden könnten. „Wir zahlen den Mindestlohn, und gerade bei kleineren Weinbaubetrieben ist Familienanschluss garantiert. Arbeiten wollen ist eine Voraussetzung, gute Beherrschung der deutschen Sprache nicht unbedingt“, so äußerte sich Hermann Hohl, Präsident des Weinbauverbands Baden-Württemberg mit über 14.000 Mitgliedern. Ob die Mitarbeit bei der Traubenlese bei islamischen Flüchtlingen auf Vorbehalte stoßen könnte, wurde lebhaft diskutiert; entscheidend wird aber die Praxis sein.
„Wir brauchen mehr Bewerber auch aus dem Kreis der Flüchtlinge“, äußerte Danilea von Rüden vom KIT aus Karlsruhe. Dort arbeiten 9000 Menschen; es gibt 500 Auszubildende in 33 Berufen. Für die Flüchtlinge ist das sehr strukturierte, aber nicht immer transparente deutsche System behördlicher Zuständigkeiten oft nicht durchschaubar. Gerade daher sei wechselseitige Information so entscheidend.
Gerade deshalb engagiere sich beispielsweise die Handwerkskammer auf verschiedenen Ebenen, so Figen Sülün. Da gibt es vorgeschaltete Sprachkurse – auch in Kooperation mit der IHK, Berufseinstiegsbegleitung, Schnupperpraktika und ähnliches. Schwierig sei manchmal der unterschiedliche Rechtsstatus der Flüchtlinge, die in einer Unterkunft lebten: Die einen hätten Anspruch auf Deutschkurse, die anderen nicht. Gefordert wurde folglich die Chance zum Deutschkurs für alle, nicht nur für Flüchtlinge mit Bleibeperspektive. „Wenig bekannt ist es“, so fügte Figen Sülün hinzu, dass das BAMF allen, die innerhalb von zwei Jahren das sprachliche Niveau B1 erreichen und die Qualifikation „Willkommen in Deutschland“ bestehen, 50% der entstehenden Kosten zurück zahlt.
Die von der Steinbeis-Stiftung getragene Steinbeis-University versteht sich u.a. als Anlaufstelle für Flüchtlinge mit akademischem Hintergrund. Bernhard Seidl führte aus, dass gerade das Online-Studium mit dem Titel Master of International Business ein gutes Dach für ganz unterschiedliche Studiengänge biete, auch in Verbindung mit 400-500 Kooperationsunternehmen.
Der zweite Teil des Symposiums wurde eingeleitet durch einen Impulsvortrag des Direktors des Instituts für Sozialstrategie, Prof. Dr. Dr. Ulrich Hemel. Seine Reflexion über das dialogische Prinzip, den Fremden und die Fremde beleuchtete vor allem die Wechselseitigkeit jedes ernsthaften Begegnungsprozesses. Diese brauche Zeit, aber auch persönlichen Kontakt und die Fähigkeit, den anderen mit seiner eigenen Prägung und Vorerfahrung überhaupt wahrzunehmen. Das „Befremdende“ dürfe nicht ausgeklammert werden, sondern solle vielmehr aktiv zur Sprache kommen.
Die anschließende Diskussion zeigte auf, dass es dabei auch zu Schwierigkeiten und Konflikten kommt. „Warum erhalten die Muslime 30 Minuten Pause zum Beten, wir anderen aber nur 15 Minuten?“, so ein Beispiel aus der Welt der Auszubildenden im KIT. „Wie gehen wir mit mangelnder Verbindlichkeit um?“, fragte Bernhard Seidl, etwa wenn große Bemühungen stattgefunden haben, um Behörden und Betriebe zu koordinieren und der Bewerber dann einfach nicht erscheine. Als hilfreich wurde in diesem Zusammenhang die Benennung von Sprachpaten oder von kulturellen Tandempartnern empfunden. Dann ist eben auch eine persönliche Ansprache möglich.
„Kulturelle Muster sind höchst unterschiedlich“, gab Amparo Lucia Hemel, Deutsch-Kolumbianerin vom Institut für Sozialstrategie, zu bedenken. „Was in Deutschland an Pünktlichkeit und Verbindlichkeit erwartet wird, ist für viele Menschen aus dem Ausland neu und unerwartet! Auch darf man nicht vergessen, dass die Situation des Flüchtlings und jedes Migranten erst mal heißt, dass die bisherige Vergangenheit abgeschnitten, ja sogar anscheinend wertlos ist“. Diskutiert wurden dann unterschiedliche Stile im Zeitempfinden, aber auch die Last der besonderen Ängste von Flüchtlingen, etwa vor Behördenbriefen. Man dürfe auch nicht vergessen, dass bei manchen finanzielle Verpflichtungen bestehen, etwa weil die Familie in der Heimat unterstützt werden will.
Ganz im Sinn des dialogischen Prinzips nach Martin Buber (1878-1965) lag der Wert des Symposiums im Austausch, der wechselseitigen Begegnung und Information. Als Fazit formulierte Figen Sülün: „Integration ist eine Brücke, von beiden Seiten zu begehen“. Es muss also von beiden Seiten der Wille zum Erfolg da sein, dann kann Integration auch im Sinn wechselseitiger Bereicherung und Veränderung gelingen. Weil aber keiner aus einem echten Dialog so heraus kommt, wie er hinein geht, so Ulrich Hemel, wird der Umgang mit so vielen Flüchtlingen auch die Gesellschaft in Deutschland erheblich verändern.