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Die strategische Ausrichtung kirchlicher Krankenhausträger erfolgt immer stärker auf Basis der eigenen Kernkompetenzen. Dabei kann die Etablierung von regionalen Wertschöpfungszentren eine attraktive strategische Option darstellen, um sich im Wettbewerb zu differenzieren. Die Untersuchung unterschiedlicher kirchlicher Trägertypen zeigt, dass Träger von Einrichtungen der Caritasverbände und Diakonischen Werke aufgrund ihrer Spezifika als besonders geeignete Kandidaten für die Implementierung dieser Strategien gelten können.
Kernkompetenzorientierte Wertschöpfungszentren als Strategieoption für kirchliche Krankenhausträger – konzeptionelle Überlegungen und empirische Befunde
Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Fachzeitschrift für Verbands- und Nonprofit-Management, 36. Jg., Nr. 1, S. 30-41.
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1. Kernkompetenzenorientierung als gegenwärtiger Trend in der Strategiediskussion kirchlicher Krankenhausträger
Zahlreichen kirchlichen Krankenhausträgern[1] mangelte es bis vor kurzem an einer professionellen Strategieerarbeitung und -umsetzung.[2] Dies verwundert nicht vor dem Hintergrund, dass zentrale Gestaltungsfelder der Unternehmensstrategie, z. B. Investitionsmaßnahmen, durch staatliche Regelungen stark beeinflusst waren. Klassische unternehmerische Aktivitäten fanden daher vielfach ausschließlich auf der operativen Ebene statt.[3] Mittlerweile hat sich dieses Umfeld verändert. Die demografischen Veränderungen, der Fortschritt in Medizin und Technik, veränderte gesetzliche Rahmenbedingungen, der gesellschaftliche Wertewandel, die Wettbewerbsintensivierung[4] sowie das kirchliche Selbstverständnis einer ganzheitlichen Hilfe[5] bilden dabei zentrale Herausforderungen für das Krankenhausmanagement,[6] die einer aktiven Gestaltung bedürfen.
Die strategische Ausrichtung kirchlicher Krankenhausträger hat in diesem Zusammenhang an Relevanz gewonnen.[7] Hierfür kommen unterschiedliche Ansätze des strategischen Managements in Frage. In der Strategieforschung hat u. a. aufgrund der Erkenntnisse der Industrieökonomik über längere Zeit eine marktorientierte Perspektive dominiert.[8] Anhänger des Ressourcenansatzes versuchen hingegen, anhand der Existenz und Akkumulierung einzigartiger Ressourcen zu erklären, wie die Generierung dauerhafter Wettbewerbsvorteile erfolgt.[9]
Im Folgenden wird der Schwerpunkt auf den Ressourcenansatz bzw. seine Weiterentwicklung in Form des Kernkompetenzansatzes gelegt.[10] Die v. a. von Penrose,[11] Barney[12] und Wernerfelt[13] in die Diskussion eingeführten Überlegungen zu den Ressourcen von Unternehmen haben in den 90er Jahren auch im deutschsprachigen Raum Verbreitung gefunden. Hier seien z. B. die Arbeiten von Rasche,[14] Bamberger/Wrona[15] oder Krüger/Homp[16] aufgeführt.[17] Im Dienstleistungsunternehmen mit ihrem stark überdurchschnittlichen Personalkostenanteil[18] und der hohen Relevanz von Prozessen erscheinen Überlegungen des Kernkompetenzansatzes besonders vielversprechend.
Prahalad/Hamel schlagen vor, Unternehmen als Portfolio von Kompetenzen zu betrachten.[19] Hinterhuber/Stuhec definieren Kernkompetenzen als „integrierte und durch organisationale Kernprozesse koordinierte Gesamtheiten von Technologien, Know-how, Prozessen und Einstellungen,
- die für den Kunden erkennbar wertvoll sind,
- Werte auch für die anderen „Stakeholder“ schaffen,
- gegenüber der Konkurrenz einmalig sind,
- schwer imitierbar sind und
- potentiell den Zugang zu einer Vielzahl von Märkten eröffnen.“[20]
Die Eröffnung des Zugangs zu zahlreichen Märkten[21] hängt v. a. von der Transferierbarkeit ab. Diese ist gegeben, wenn sich die Kernkompetenzen auf neue Produkte und Dienstleistungen übertragen lassen. Kernkompetenzen werden in einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess, der mehr als zehn Jahre andauern kann, aufgebaut.[22] Überträgt man diese Anforderung auf die Wertschöpfungsfelder kirchlicher Krankenhausträger, lassen sich vier zentrale Arten von Kernkompetenzen identifizieren: verfahrenspezifische, krankheitsbildbezogene, stakeholderorientierte und wertschöpfungsfelderübergreifende Kernkompetenzen.
Die Trägerperspektive verdeutlicht, dass verfahrensspezifische Kernkompetenzen bei Diagnostik und Therapie den Schwerpunkt bilden. Hierbei handelt es sich um medizinisch- und informationstechnische Verfahren, die krankheitsbild- und stakeholderübergreifend eingesetzt werden können. Beispielhaft sei hier auf minimal-invasive Verfahren verwiesen, welche die Grundlage für die Erbringung verschiedenster diagnostischer oder therapeutischer Behandlungen bilden. So kann ein Krankenhaus, das sich auf minimal-invasive Verfahren spezialisiert, diese für die Erbringung von Leistungen der Kardiologie, Gastroenterologie etc. anbieten. Diese Leistungen sind für den Klienten erkennbar und liefern einen Nutzen in Form einer kürzeren Verweildauer und einer schonenden Behandlung. Ferner hebt sich das Krankenhaus damit von der Konkurrenz ab. Ähnliches gilt für informationstechnologische und High-tech Verfahren. Die spirituelle Versorgung im Wertschöpfungsfeld der Betreuung zeigt sich im kirchlichen Krankenhaus u. a. in seelsorgerischen Bemühungen[23] gegenüber Patienten und Angehörigen. Ferner werden Ethikkomitees[24] in den Patientenverlauf eingebunden, die bei existenziellen Entscheidungen die medizinischen Mitarbeiter unterstützen.
Krankheitsbildbezogene Kernkompetenzen sind Fähigkeiten, die einen klaren Bezug zu einem bestimmten Krankheitsbild aufweisen. Sie haben sich insbesondere in den Wertschöpfungsfeldern Therapie, Pflege und Betreuung entwickelt. Hier sei im außerklinischen Bereich auf die Krankheitsbilder Demenz, Epilepsie und Suchterkrankungen verwiesen. Die hier erarbeiteten Kernkompetenzen sind eine Hürde für Adaptoren, da es sich um interdisziplinäre Leistungen für ein spezifisches Krankheitsbild handelt. Die Interaktion zahlreicher Akteure inklusive der Angehörigen, die in die Betreuung eingebunden sind, und die hier vielfach etablierten spezifischen Prozesse erschweren eine Imitierbarkeit und tragen zur Dauerhaftigkeit bei. Exemplarisch kann das Beispiel des Kompetenzzentrums Demenz der Diakonie Neuendettelsau aufgeführt werden.[25]
Neben diesen beiden Kernkompetenztypen beziehen sich die stakeholderorientierten Kernkompetenzen auf die demografischen, soziografischen und psychografischen Merkmale der Klienten. Im Mittelpunkt stehen Fähigkeiten, die sich auf eine bestimmte Zielgruppe ausrichten und unabhängig von deren Krankheitsbild sind. Hierbei kommt z. B. die Pflege und Betreuung von Migranten in Betracht. Die kulturelle und sprachliche Orientierung des Leistungserbringers an die jeweilige Zielgruppe kann als Kernkompetenz mit hohem Klientennutzen interpretiert werden. Eine besondere Zielgruppe können auch ältere Klienten darstellen, die besondere Anforderungen an die Krankenhausorganisation stellen. Zentren für altersgerechtes Operieren, die einzigartige Therapie-, Pflege- und Betreuungsleistungen für diese spezifische Personengruppe etablieren, können ein Alleinstellungsmerkmal für Krankenhäuser darstellen. Neben den Klienten gibt es weitere externe Stakeholder für deren Etablierung und Weiterentwicklung kirchliche Krankenhausträger Kernkompetenzen entwickelt haben. Hier ist an das Management und die Einbindung von Ehrenamtlichen zu denken sowie präventive Angebot für Eltern, Kinder und ältere Menschen.
Die Kernkompetenzen, die den einzelnen Wertschöpfungsfeldern zugeordnet sind, werden durch wertschöpfungsfeldübergreifende Kernkompetenzen zusammengehalten. An dieser Stelle sollen sie zur Vollständigkeit genannt werden. Eine Vertiefung würde diesen Beitrag übersteigen. Für Lauterbach stehen hierbei sowohl auf Einrichtungs- als auch Wertschöpfungszentrenebene die generelle Managementkompetenz, unterstützende Serviceleistungen, die strategische Ressourcenverfügbarkeit, die regionale Infrastruktur, der lokale Wissenspool und die sozialen Institutionen im Mittelpunkt.[26] Für die nachfolgend aufgeführte Wertschöpfungszentrenstrategie ist insbesondere eine ausgeprägte Managementkompetenz mit einer regionalen Infrastruktur von hoher Bedeutung.
2. Bildung von regionalen Wertschöpfungszentren als strategische Option
Ausgehend von der steigenden Bedeutung der Kernkompetenzorientierung zeichnen sich bei kirchlichen Krankenhausträgern deutliche Tendenzen zur Bildung von einrichtungs-, sektorübergreifenden und regionalen Wertschöpfungszentren ab.[27] Der Grund hierfür ist in dem hohen Diversifikationsgrad[28] kirchlicher Krankenhausträger zu sehen.[29] So sind 73% aller kirchlichen Krankenhausträger[30] mindestens in vier Wirtschaftszweigen und nur 9% ausschließlich im Krankenhausbereich tätig. Neben Krankenhäusern betreiben 71% aller kirchlichen Krankenhausträger Bildungseinrichtungen,[31] 61% Alten-, Pflege- und Behindertenheime, 32% Kindergärten und Vorschulen, 29% soziale Beratungs- und Fürsorgeleistungen[32] und 23% Vorsorge- und Rehabilitationskliniken.[33]
Betrachtet man die Wertschöpfungsfelder im Gesundheitswesen, die den kranken oder hilfsbedürftigen Menschen in einen gesunden oder gelinderten Zustand versetzen[34] sowie ihn vor einer Krankheit zu bewahren, zeigt sich, dass kirchliche Krankenhausträger prinzipiell in allen Wertschöpfungsfeldern vertreten sind. Die sachlichen und zeitlichen Aktivitäten[35] der für die Wertschöpfungsfelder relevanten Primär-, Sekundär- und Tertiärprozesse[36] laufen in der Regel bei einer „lead institution“ zusammen,[37] auf die im Ausblick noch Bezug genommen wird.
So sind es im Wertschöpfungsfeld der Diagnostik beispielsweise Arztpraxen und im Feld der Therapie schwerpunktmäßig Krankenhäuser, welche die Leistungserbringung am hilfsbedürftigen Menschen koordinieren. Die Leistungen der Einrichtungen kirchlicher Krankenhausträger können dabei sowohl stationär als auch ambulant erbracht werden. Die nachfolgende Abbildung verdeutlicht diesen Zusammenhang schematisch.
Bei der Bildung von strategischen Wertschöpfungszentren[38] spielen die in der Einführung aufgezeigten Eigenschaften von Kernkompetenzen der jeweiligen Wertschöpfungsfelder eine entscheidende Rolle. Die für die Bildung von Wertschöpfungszentren wichtigste Eigenschaft ist die Übertragbarkeit.[39] Nur wenn es dem kirchlichen Krankenhausträger gelingt, Kernkompetenzen gemeinsam mit anderen Akteuren in das Wertschöpfungszentrum einzubringen, werden Kompensations- und Spezialisierungseffekte realisiert sowie der eigene Transferbereich ausgedehnt.[40]
Zum besseren Verständnis sind Wertschöpfungszentren kirchlicher Krankenhausträger als komplexe Netzwerke zu verstehen, die sowohl intra- als auch interorganisational[41] ausgeprägt sind und bei denen sich die Akteure vertikal oder horizontal einbringen. Die Entstehung ist bewusst geplant und zeigt eine regionale räumliche Konzentration.[42]
Wertschöpfungszentren sind komplex, da mehr als zwei Akteure beteiligt sind. Das Wertschöpfungszentrum als Netzwerk kann innerhalb des eigenen Verbundes, der eigenen Trägerschaft etabliert werden. Hierbei spricht man von einem intraorganisationalen Wertschöpfungszentrum. Außerdem kann es über diese Grenzen hinausgehen, aber noch innerhalb des kirchlichen Bereiches bleiben. D. h., es handelt sich um ein interorganisationales Wertschöpfungszentrum in Kooperation mit anderen kirchlichen Akteuren der gleichen oder einer anderen Konfession. Als zweite interorganisationale Ausprägung reicht die Zusammenarbeit über die Grenzen des kirchlichen Bereichs hinaus. Hierbei handelt es sich um Kooperationen mit nichtkirchlichen Akteuren (privat, öffentlich oder freigemeinnützig), bei denen die kirchlichen Krankenhäuser in besonderem Maße gefordert sind, ihre Kirchlichkeit zu profilieren.[43]
Diese Untergliederung der Verortung von Vernetzung ist deshalb sinnvoll, da die Kooperation innerhalb des kirchlichen Bereichs (aber über die eigenen Unternehmensgrenzen hinaus) auf eine gemeinsame Wertebasis zugreift, die im Sinne eines Vertrauensvorschusses als besonderer „Verbindungsfaktor“ und damit als Chance gesehen werden kann.[44]
Für die nachfolgenden Ausführungen ist insbesondere die strategische Option der intraorganisationalen und der innerkirchlichen Wertschöpfungszentren von Interesse. Steuerungstheoretisch treten damit die transaktionskostenrelevanten Vor- und Nachteile von Hierarchie und Kooperation auf.[45] Das intraorganisationale Wertschöpfungszentrum unterliegt einer hierarchischen Steuerung, wohingegen das innerkirchliche über Kooperation gelenkt wird (vgl. hierzu auch das nachfolgende Kapitel zur Abgrenzung von anderen strategischen Optionen). Darüber hinaus wird die Wertschöpfungszentrenstrategie als eine Form des geplanten Unternehmenswachstums verstanden, die insbesondere auf der Einrichtungsebene ihre Ausrichtung findet.
2.1 Abgrenzung zu anderen strategischen Optionen
Im Vergleich zu anderen beobachtbaren einrichtungsorientierten Wachstumsstrategien mit regionalem Fokus wie der Spezialisierungsstrategie[46] und Ambulantisierungsstrategie[47] hebt sich die Wertschöpfungszentrenstrategie wie folgt ab:
Insbesondere hinsichtlich der Positionierung in der Wertschöpfungskette zeigt sich, dass die Wertschöpfungszentrenstrategie einen umfassenden Ansatz verfolgt, da sie sich über alle Wertschöpfungsfelder erstreckt. Sie umfasst neben stationären Leistungsangeboten auch ambulante Dienste von der Prävention über die Diagnostik bis zur Betreuung. Im Gegensatz hierzu sind die Spezialisierungs- und Ambulantisierungsstrategie auf einzelne Nischen oder die Erweiterung in vorgelagerte Wertschöpfungsfelder ausgerichtet. Beispielsweise kann auf die Gründung von Medizinischen Versorgungszentren durch kirchliche Krankenhäuser verwiesen werden. Auch ist die Wertschöpfungszentrenstrategie darauf ausgerichtet, neue Märkte durch neue Dienstleistungen zu entwickeln. Nur so kann eine Leistungserbringung über alle Wertschöpfungsfelder hinweg sichergestellt werden, die sowohl intra- als auch interorganisational erfolgt. Den beiden anderen Strategietypen (Amublantisierungs- und Spezialisierungsstrategie) ist inhärent, dass auch hier Wachstumsziele verfolgt werden, beispielweise mittels neuer Dienstleistungen im Bereich der ambulanten Operationen oder durch die Einrichtung eines Herzkathetermessplatzes. Schwerpunktmäßig erfolgt die Spezialisierung dabei innerhalb der eigenen Organisation; die Ambulantisierung durch Kooperationen mit dem niedergelassenen Bereich.
Je nach Strategietyp werden die Kernkompetenzen schwerpunktmäßig geschärft, geöffnet und/oder vernetzt.[48] Die Schärfung zeigt sich deutlich bei minimal-invasiven Verfahren, die eine stete Weiterentwicklung schonender Operationsmethoden darstellen. Unter der Öffnung von Kernkompetenzen wird die Schaffung von Transparenz verstanden, die insbesondere mit einer innovations- und veränderungsfreundlichen Organisationskultur einhergeht. Der letzte Schritt bei der Nutzung und Entwicklung von Kernkompetenzen ist die wertstiftende Vernetzung im Rahmen der Wertschöpfungsfelder durch Kooperationen.
Dabei nimmt der Klient eine besondere Rolle ein, da ein direkter Zugang zu ihm die entscheidende Voraussetzung für eine notwendige Auslastung und die wirtschaftliche Sicherung der Einrichtung spielt. Daraus lässt sich folgende Hypothese ableiten: Je früher ein Klient bzw. gesunder Mensch in die eigene Versorgungskette integriert werden kann, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass er auch entsprechende Angebote des regionalen kirchlichen Krankenhausträgers nutzen wird. Aufgrund der umfassenden Abdeckung der Wertschöpfungsfelder bietet die Wertschöpfungszentrenstrategie hier Chancen für einen breiten Klientenzugang. Dies kann soweit führen, dass der Klient zur präventiven, diagnostischen, therapeutischen, pflegerischen Versorgung und Betreuung den kirchlichen Krankenhausträger nicht mehr verlassen muss. Im Gegensatz hierzu hat die Spezialisierungsstrategie nur eine kleine und begrenzte Klientengruppe im Fokus, die, wenn der Spezialisierungsgrad nicht stark genug ausgeprägt ist, stets bereit ist den Anbieter zu wechseln. Darüber hinaus ist diese Strategie einem höheren Risiko der Substitution durch neue Dienstleistungen ausgesetzt, z. B. ein Arzneimittel anstelle eines bislang durchgeführten chirurgischen Eingriffs, und kann die Abhängigkeit von Kostenträgern erhöhen.
An dieser Stelle lässt sich festhalten, dass alle drei Strategien das Ziel verfolgen, Markteintrittshürden aufzubauen, um dauerhafte Wettbewerbsvorteile zu realisieren. Aus der Sicht der Autoren „sitzt“ die Ambulantisierungsstrategie „zwischen den Stühlen“.[49] Sie orientiert sich an der Wertschöpfungszentrenstrategie, indem sie sich zwar an den Wertschöpfungsfeldern entlang bewegt. Dies erfolgt indes nicht mit absoluter Konsequenz, da letztlich insbesondere eine Patientenzuweisung aus dem ambulanten Bereich angestrebt wird. So wird das Management kirchlicher Krankenhausträger früher oder später gefordert sein, eine grundsätzliche Richtungsentscheidung zwischen Spezialisierungs- und Wertschöpfungs-zentrenstrategie zu treffen.
2.2 Trägerspezifische Eignung der Wertschöpfungszentrenstrategie
Die Ausführungen zu Beginn des vorangegangen Kapitels haben bereits angedeutet, dass kirchliche Krankenhausträger auf Grund ihres breiten Leistungsangebotes eine gute Ausgangsbasis für die Etablierung einer Wertschöpfungszentrenstrategie aufweisen. Dies zeigt sich auch an den hohen Marktanteilen, die kirchliche Krankenhausträger auf Landkreisebene etabliert haben. In 30% aller Landkreise, in denen kirchliche Krankenhäuser tätig sind, weisen sie einen Marktanteil nach Betten von mehr als 60% auf.[50]Damit sind sie vielfach Marktführer im therapeutischen Bereich, was es vereinfacht, die anderen Wertschöpfungsfelder zu erschließen.
Hierbei stellt sich nun grundsätzlich die Frage, ob alle kirchlichen Krankenhausträger in gleichem Umfang für eine Wertschöpfungszentrenstrategie geeignet sind oder ob es innerkirchliche Trägergruppen gibt, die aufgrund ihrer strukturellen Begebenheiten und existierenden Kernkompetenzen eine Vorreiterrolle einnehmen können.
Hierzu klassifizieren die Autoren kirchliche Krankenhäuser hinsichtlich ihrer Trägerschaft. Als Trägertypen wurden dabei identifiziert:[51]
- die organisierte Kirche wie Bistümer oder Landeskirchen (Trägertyp 1)
- die rechtlich selbständigen Teile der organisierten Kirche wie Kirchengemeinden, Kirchenkreise oder Pfarrgemeinden (Trägertyp 2)
- die Ordensgemeinschaften und die Diakonissen-, Schwestern und Bruderschaften (Trägertyp 3)
- die Caritasverbände und die Diakonischen Werke (Trägertyp 4)
- die religiös ausgerichteten Träger mit einer kirchlich orientierten Satzung, die keiner der anderen Kategorien zugeordnet werden können, wie Mitglieder der Caritas- oder Diakonieverbände (Trägertyp 5)
Hinsichtlich der strukturellen und kernkompetenzorientierten Begebenheiten, die für eine erfolgreiche Implementierung einer Wertschöpfungszentrenstrategie sprechen, sind
- der Diversifikationsgrad,
- der Grad der Verbundstrukturen und
- die räumliche Nähe zwischen den Einrichtungen
relevant. Der Diversifikationsgrad zeigt die durchschnittliche Anzahl an Aktivitätsfeldern, in denen der kirchliche Krankenhausträger tätig ist. Die Einordnung folgt den Wirtschaftszweigen des Statistischen Bundesamtes. Der Grad der Verbundstrukturen gibt die durchschnittliche Anzahl an Krankenhäusern je Krankenhausträger des jeweiligen Trägertyps an. Als Verbund werden in diesem Zusammenhang kirchliche Krankenhausträger verstanden, die zwei oder mehr Einrichtungen betreiben. Darüber hinaus haben die Autoren die räumliche Nähe zwischen den Krankenhäusern eines Trägers betrachtet. Hier wurde die durchschnittliche Entfernung von einer Einrichtung im Verbund zu den anderen ermittelt.
Diese Kriterien haben die Autoren auf die erarbeiteten Trägertypen angewendet und konnten dabei herausarbeiten, dass Einrichtungen in Trägerschaften von Caritasverbänden und Diakonischen Werken eine besonders Erfolg versprechende Ausgangssituation aufweisen.[52] Die nachfolgende Tabelle fasst die Ergebnisse zusammen:
Angesichts eines zunehmend dynamischen Umfeldes – auch in den klassischen Tätigkeitsfeldern kirchlicher Krankenhausträger – gewinnt eine strategische Ausrichtung dieser Einrichtungen an Bedeutung. Vor dem Hintergrund der Auflösung sektoraler Grenzen im Sozial- und Gesundheitswesen und zu erwartender Einkaufsmodelle[54]gegenüber Kostenträgern wird es für die Anbieter von Gesundheitsleistungen immer bedeutsamer, „Systemanbieter“ respektive „Ganzheitlicher Gesundheitsanbieter“[55] zu werden. Da der Großteil der Erbringung diagnostischer, therapeutischer und pflegerischer Leistungen sowie die Betreuung in einem regionalen Kontext stattfinden, erscheinen regionale Wertschöpfungszentren als eine besonders attraktive Option. Aufgrund ihres existierenden Diversifikationsgrades, hoher regionaler Marktanteile und dem Potenzial zu trägerspezifischen Kernkompetenzen sind kirchliche Krankenhausträger (und hier v. a. Caritasverbände und Diakonische Werke) prädestiniert, die strategische Entwicklung regionaler Versorgungsstrukturen aktiv zu gestalten und eine Führungsrolle (lead institution) einzunehmen. Sie können sich dabei als Case Manager[56], hier verstanden als Steuerungsinstitution, durch sämtliche Angebote gegenüber dem Klienten profilieren.
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[1] Unter kirchlichen Krankenhausträgern werden die Eigentümer eines Krankenhauses verstanden. Bei Krankenhäusern, die in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft geführt werden, wird für diese Arbeit der Mehranteilseigner herangezogen.
[2] Vgl. Prill/Schlüchtermann 2006, S. 235 und von Reibnitz 1999, S. 1. Auch in Schweizer Krankenhäusern stehen operative Maßnahmen im Mittelpunkt, vgl. Schönenberger 2005, S. 562. Zur Anwendbarkeit der Balanced Scorecard als Instrument zur Strategieumsetzung vgl. z. B. Da-Cruz/Nagels/Thiess 1999, Falk/Da-Cruz 2006 (mit Beschaffungsbezug).
[3] Vgl. Schlüchtermann 1998, S. 436 und Schönenberger 2005, S. 572.
[4] Vgl. u.a. Behar 2009, S. 36.
[5] Vgl. Kurz 1994, S. 80.
[6] Vgl. z. B. Schlüchtermann 2006, S. 14ff., Greiling/Jücker 2003, S. 15ff. und Aulmann 2006, S. 17f.
[7] Vgl. Vera/Warnebier 2006, S. 285 und S. 290 sowie Da-Cruz/Schommer 2006a, S. 34f.
[8] Vgl. Hinterhuber/ Friedrich 1999, S. 990.
[9] Vgl. Hümmer 2001, S. 3.
[10] Für Hinterhuber/Stuhec stellt der Beitrag „The Core Competence of the Corporation“ von Hamel/Prahalad 1990 die Operationalisierung des „resource-based view of the firm“ von Wernerfelt 1984, vgl. Hinterhuber/Stuhec 1997, S. 2.
[11] Vgl. Penrose 1959.
[12] Vgl. Barney 1991.
[13] Vgl. Wernerfelt 1984.
[14] Vgl. Rasche 1994.
[15] Vgl. Bamberger/Wrona 1996.
[16] Vgl. Krüger/Homp 1997.
[17] Vgl. Krüger/Homp 1998, S. 530. Obgleich der Begriff Resource Based View v. a. durch Wernerfelt, vgl. Wernerfelt 1984, geprägt wurde, ist er nicht als der Begründer dieser Perspektive anzusehen.Davor wurden bereits verschiedene Arbeiten veröffentlicht, die für die Entstehung des Ansatzes großer Bedeutung waren, vgl. Freiling 2000, S. 14.
[18] Vgl. Schwegel/Da-Cruz/Schommer 2009, S. 26. Im Krankenhausbereich lag der Anteil der Personalkosten in 2007 bei 61,2%. Vgl. hierzu Augurzky et al 2009, S. 14.
[19] Vgl. Prahalad/Hamel 1991, S. 74.
[20] Hinterhuber/Stuhec 1997, S. 3
[21] Für die Arbeit auch verstanden als Wirtschaftszweige.
[22] Vgl. Prahalad/Hamel 1991, S. 72.
[23] Vgl. Nauer 2009, S. 225ff.
[24] Vgl. u.a. KKVD/DEKV 1997, S. 15ff.
[25] Vgl. Neuendettelsauer Chronik 2008, S. 3.
[26] Vgl. Lauterbach 2005, S. 107ff. und S. 115ff.
[27] Vgl. Baun 2009, S. 14.
[28] Der Diversifikationsgrad wird in dieser Arbeit als das Ausmaß der Diversifikation auf einem Kontinuum von „nicht diversifiziert“ bis hin zu „hoch diversifiziert“ verstanden. Das Ausmaß errechnet sich anhand der Anzahl der Aktivitätsfelder, in denen ein Unternehmen tätig ist. Vgl. Wulf 2007, S. 10ff. Als Aktivitätsfelder wird hierbei eine spezifische Auswahl an Wirtschaftszweigen nach der Klassifikation des Statistischen Bundesamtes herangezogen.
[29] Vgl. Prognos/DEKV/KKVD 2009, S. 28, Röthig 2008, Onlineversion S. 2f., Grether 2009, S. 11.
[30] Auf Basis des Krankenhausverzeichnisses 2007 des Statistischen Bundesamtes wurden 620 kirchliche Krankenhäuser identifiziert, die im Besitz von 300 kirchlichen Krankenhausträgern sind.
[31] Hierzu zählen 85.2 Grundschulen, 85.3 Weiterführende Schulen, 85.4 Tertiärer und post-sekundärer, nicht tertiärer Unterricht, 85.5 Sonstiger Unterricht.
[32] Diese Kategorie ist als 88.9 Sonstiges Sozialwesen (ohne Heime) klassifiziert. Für weitere Unterklassen vgl. Statistisches Bundesamt 2008, S. 528.
[33] Auf Basis öffentlich zugänglicher Informationen wurde analysiert in welchen Wirtschaftszweigen kirchliche Krankenhausträger tätig sind. Folgen Wirtschaftszweige, nach der Klassifikation des Statistischen Bundesamtes, wurden in der Analyse berücksichtig: 55.1 Hotels, Gasthöfe und Pensionen, 85.1 Kindergärten und Vorschulen, 85.2 Grundschulen, 85.3 Weiterführende Schulen, 85.4 Tertiärer und post-sekundärer, nicht tertiärer Unterricht, 85.5 Sonstiger Unterricht, 86.10.1 Krankenhäuser (ohne Hochschulkliniken, Vorsorge- und Rehabilitationskliniken), 86.10.3 Vorsorge- und Rehabilitationskliniken, 86.2 Arzt- und Zahnarztpraxen, 86.9 Gesundheitswesen a. n. g. (Tätigkeiten von Psychotherapeuten), 87.1 Pflegeheime, 87.2 Stationäre Einrichtungen zur psychosozialen Betreuung, Suchtbekämpfung u. Ä., 87.3 Altenheime; Alten- und Behindertenwohnheime, 87.9 Sonstige Heime (ohne Erholungs- und Ferienheime), 88.1 Soziale Betreuung älterer Menschen und Behinderter, 88.9 Sonstiges Sozialwesen (ohne Heime). Vgl. Statistisches Bundesamt (2008): Klassifikation der Wirtschaftszweige, Wiesbaden.
[34] Vgl. Seelos 1998, S. 107.
[35] Vgl. Struthoff 1999, S. 60.
[36] Vgl. Oberender/Schwegel/Da-Cruz 2008, S. 11.
[37] Vgl. Kernke 2009, S. 142. Kernke spricht in diesem Zusammenhang von einem „Systemkopf“.
[38] Vgl. u.a. folgende Beispiele: Kompentenzzentrum Demenz Diakonie Neuendettelsau (Neuendettelsauer Chronik 2008, S. 3.), Epilepsie Zentrum Bethel (http://www.epilepsieforschung.de/fileadmin/template/downloads/KSE_Konzeptpapier_Stand_5.10.07.pdf [Abgerufen am 6. Januar 2010]), Zentrum der Johanniter in Stendal (Baun 2009, S. 14.).
[39] Vgl. Chatterjee/Wernerfelt (1991), S. 34 sprechen auch von der Flexibilität. Je flexibler eine Ressource ist, desto umfangreicher sind ihre Einsatzgebiete.
[40] Vgl. Lauterbach 2005, S. 97.
[41] Vgl. Struthoff 1999, S. 59. Siehe zu interorganisationalen Beziehungen auch Dyer/Singh 1998. Zur Anwendung der beziehungsorientierten Perspektive an der Schnittstelle zwischen niedergelassenen Ärzten und Krankenhaus siehe Douglas/Ryman 2003, S. 336ff.
[42] Vgl. Rometsch 2007, S. 25f.
[43] Vgl. Deutsche Bischofskonferenz 2007, S. 16 ff. im Besonderen S. 18. Beispielhaft sei hierbei auf die Kooperation zwischen der Diakonie Neuendettelsau und der Arbeiterwohlfahrt zum Bau und Betrieb eines Kompetenzzentrums für Menschen mit Demenz in München hingewiesen. Vgl. Neuendettelsauer Chronik 2008, S. 3.
[44] Vgl. Prognos/DEKV/KKVD 2009, S. 28f.
[45] Vgl. Struthoff 1999, S. 30.
[46] Vgl. Röthig 2008, S. 6 und 8.
[47] Vgl. hierzu inhaltlich u. a. Lüngen/Stock/Lauterbach 2007, S. 50 ff. im Besonderen S. 61.
[48] Vgl. Heintz 2006, S. 83ff.
[49] Porter hierzu: „Ein Unternehmen, das jeden Strategietyp verfolgt, aber keinen verwirklichen kann, bleibt „zwischen den Stühlen“ sitzen.“ Porter 1992, S. 38.
[50] Statistisches Bundesamt 2009, eigene Berechnungen.
[51] Vgl. Kessels 1983, S. 47.
[52] Einschränkend ist hier darauf hinzuweisen, dass die Trägertypen 1 und 4 durch eine geringe Trägeranzahl gekennzeichnet sind.
[53] n bezieht sich hierbei auf die Anzahl der Krankenhausträger. Die Verteilung hinsichtlich der Anzahl an Krankenhäusern stellt sich wie folgt dar: Trägertyp 1: 6, Trägertyp 2: 93, Trägertyp 3: 236, Trägertyp 4: 15, Trägertyp 5: 270.
[54]Vgl. zu Einkaufsmodellen z. B. Leber 2008, S. 159.
[55] Vgl. Pongs/Schommer/Schwegel 2007, S. 397f.
[56] Vgl. von Reibnitz 2009.
- Philipp Schwegelist Seniorberater bei Oberender & Partner und schwerpunktmäßig für die Betreuung von kirchlichen Krankenhäusern verantwortlich. Er studierte Betriebswirtschaft in Ansbach, Joplin (USA) und Aalborg (Dänemark) mit den Schwerpunkten Organisation und Management sowie European Business. Seit Oktober 2008 promoviert er an der Universität Bayreuth über kirchliche Krankenhausträger. Darüber hinaus ist er Mitglied im Deutschen Verein für Krankenhauscontrolling.
- Patrick Da-Cruzist Projektleiter bei Oberender & Partner. Nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre an den Universitäten Duisburg/Essen und Dublin war er zunächst für eine führende Managementberatung, anschließend in leitenden Funktionen bei einem Pharmakonzern im In- und Ausland tätig. Er ist seit 2006 wieder beratend tätig, wobei seine Schwerpunkte in der Strategieberatung von Gesundheitsdienstleistern und NPOs liegen. Parallel zu seiner beruflichen Tätigkeit ist er externer Doktorand an der Universität Bayreuth. Er ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen und Vorträge und Mitglied verschiedener Fachgesellschaften.
- Univ.-Prof. Dr. Dr. h. c. Peter Oberenderist Direktor der Forschungsstelle für Sozialrecht und Gesundheitsökonomie der Universtität Bayreuth und Seniorpartner von Oberender & Partner, eines auf das Gesundheitswesen spezialisierte Beratungsunternehmen. Von 1980 bis 2007 war er Ordinarius für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth und gründete den ersten deutschen Universitätsstudiengang Gesundheitsökonomie. Daneben war er von 1999 bis 2005 Mitglied des Wissenschaftsrates. Gegenwärtig ist er zudem Mitglied des Bundesschiedsamtes für die vertragsärztliche Versorgung.