Abstract [en]: Recent epochal events, such as the pandemic, natural disasters, climate change, global migration movements motivated by hunger, scarcity of resources, lack of life prospects and, last but not least, a terrible war of aggression, have disproved previous certainties in a devastating way. What can science and civil society do in the face of this immense challenge? Civil society is dependent on well-founded knowledge and up-to-date findings from a wide range of scientific disciplines in the most diverse areas, whether they are concerned with people or the environment. Civil society engagement and scientific discourse touch each other, can interpenetrate and mutually promote each other. What is the interplay between the individual actors and interests? How can political decisions benefit equally from civil society engagement and scientific knowledge? The cooperation partners Institute of Philosophy in Hanover, the Weltethos-Institute in Tübingen and the Institute for Social Strategy addressed this range of questions at a scientific conference. The following conference report gives an insight into the main contents, thoughts and discussions of the event. Concepts such as the demand for a “science-capable democracy”, the claim for an “intersubjective science” that is not based on subjective value judgements, are reflected upon as well as the naming of practical means and possibilities for an effective interpenetration of the scientific and civil society spheres.  Furthermore, a critical appraisal of the conference from the author’s point of view is made and a connection to the weaknesses of the social discourse in the spectrum of deficits in action and implementation in politics, economy and science is established. Finally, research questions derived from the discussions with a focus on civil society are formulated and an outlook on the need for research is derived. The article concludes with an attempt to outline a vision for a productive interplay between science and civil society in a democracy capable of reflection and judgement.

Abstract [de]: Jüngste epochale Ereignisse, wie die Pandemie, Naturkatastrophen, der Klimawandel, die globalen Migrationsbewegungen, motiviert durch Hunger, Knappheit an Ressourcen, fehlende Lebensperspektiven und nicht zuletzt ein furchtbarer Angriffskrieg, haben bisherige Gewissheiten auf verheerende Weise widerlegt.  Was können Wissenschaft und Zivilgesellschaft im Angesicht dieser immensen Herausforderung leisten? Die Zivilgesellschaft ist in den unterschiedlichsten Bereichen, ob dem Menschen oder der Umwelt zugewandt, auf fundiertes Wissen und aktuelle Erkenntnisse aus den verschiedensten Wissenschaftsdisziplinen angewiesen. Zivilgesellschaftliches Engagement und wissenschaftlicher Diskurs berühren sich, können einander durchdringen und gegenseitig befördern. Wie ist das Zusammenspiel der einzelnen Akteure und Interessen? Wie können politische Entscheidungen von zivilgesellschaftlichem Engagement und wissenschaftlicher Erkenntnis gleichermaßen profitieren? Diesem Fragenspektrum stellten sich die Kooperationspartner Institut für Philosophie in Hannover, das Weltethos-Institut in Tübingen sowie das Institut für Sozialstrategie im Rahmen einer wissenschaftlichen Tagung. Der folgende Tagungsbericht gibt einen Einblick in die wesentlichen Inhalte, Gedanken und Diskussionen der Veranstaltung. Begriffe, wie der nach einer „wissenschaftsfähigen Demokratie“, der Anspruch auf eine „intersubjektive Wissenschaft“, die nicht auf subjektiven Werturteilen fußt, werden ebenso reflektiert, wie die Benennung von praktischen Mitteln und Möglichkeiten für eine wirkungsvolle Durchdingung von wissenschaftlicher und zivilgesellschaftlicher Sphäre. Weiterhin wird eine kritische Würdigung der Tagung aus Sicht des Verfassers vorgenommen sowie eine Verbindung zu den Schwächen des gesellschaftlichen Diskurses im Spektrum von Handlungs- und Implementierungsdefiziten in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft hergestellt. Abschließend werden aus den Diskussionen gewonnene Forschungsfragen mit Fokus Zivilgesellschaft formuliert und ein Ausblick auf den Forschungsbedarf abgeleitet. Der Beitrag schließt mit dem Versuch, eine Vision für ein produktives Zusammenspiel von Wissenschaft und Zivilgesellschaft in einer reflexions- und urteilsfähigen Demokratie zu skizzieren.


September 2022

Tagungsbericht: „Wissenschaft als Teil der Zivilgesellschaft“

04./05. August 2022 in Hannover

Einführung

Die diesjährige Tagung der Kooperationspartner Forschungsinstitut für Philosophie (fiph.), Weltethos-Instiut und des Instituts für Sozialstrategie (ifs) beschäftigte sich mit der Fragestellung, in welcher Beziehung Wissenschaft und Zivilgesellschaft zueinanderstehen. Unter dem Titel „Wissenschaft als Teil der Zivilgesellschaft“ wurden in der zweitägigen Tagung in Form von Fach- und Impulsvorträgen sowie thematisch fokussierten Diskussionen diverse Themenfelder aus geisteswissenschaftlicher als auch naturwissenschaftlicher Perspektive hinterfragt.

In seinen einleitenden Worten nahm der Gastgeber Prof. Dr. Jürgen Manemann zunächst eine Einordnung der Zusammenarbeit der drei Institute vor. Ziel der Institute sei es, im Hinblick auf die Ausgestaltung der Zivilgesellschaft eigene Positionen zu erarbeiten. Es gehe darum, einen anwendbaren Kompass für die Erarbeitung sozialer Lösungen zu gestalten. Kurz gesagt: Man sollte nicht auf andere warten, wenn es darum gehe, eigene Lösungen zu entwickeln und im gesellschaftlichen Diskurs anzubieten! Das übergreifende Ziel sei es, Menschen zu ermutigen, sich in zivilgesellschaftliche Prozesse einzubringen. Sozialstrategie sei in diesem Sinne ein Begriff des sozialen Empowerments. Als Fundament brauche es einen kontinuierlichen Wertediskurs.

In seiner Hinführung skizzierte Prof. Dr. Dr. Ulrich Hemel, der Institutsdirektor am Weltethos-Institut als auch am Institut für Sozialstrategie ist, den Begriff der Zivilgesellschaft. Im gesellschaftlichen Raum gehe es darum, miteinander in den Dialog zu kommen. Ohne einen Dialog könne es keine tragfähige Zukunft geben. Die gesellschaftlichen Akteure müssten ihrer speziellen Verantwortung gerecht werden. Einer dieser Akteure ist die Wissenschaft im Allgemeinen. Aus Sicht von Hemel befinden wir uns in einer Säulengesellschaft. Die einzelnen gesellschaftlichen Bereiche existieren nebeneinander und nicht miteinander, wie es eigentlich wünschens-und erstrebenswert wäre. Um die Manifestierung von Säulen zu überwinden, bedürfe es spezieller Lern- und wissenschaftlicher Suchprogramme. Die Durchdringung von Forschung und Lehre, sowie der Transfer von wissenschaftlichen Erkenntnissen, neuen Technologien und Praktiken in die gesellschaftliche Praxis bedürfe einer an die Erfordernisse der Zeit angepasste Vorgehensweise.

Vorträge

Die Vorträge widmeten sich neben den theoretischen Einordnungen ebenso den brennenden Themen unserer Zeit wie der Corona-Krise, dem Klimawandel, dem Verständnis von Umwelt und Natur, der Technikentwicklung mit den dazugehörigen Folgen, dem Ukraine-Krieg sowie den vielfältigen inneren wie äußeren Gefahren für den Bestand der westlichen Demokratien (siehe dazu das Tagungsprogramm vom 05.08. 2022).

Die Referenten arbeiteten heraus, welche Rolle die Wissenschaft in der Demokratie spiele. So beschrieb Dr. Christopher Gohl das Spannungsfeld in den Antipoden zwischen Populismus und Versachlichung. Damit in Verbindung stehe die generelle Frage, welche Vorstellungen in einer Gesellschaft von Wissenschaft und Politik bestünden. Der Referent beschäftigte sich weiterhin mit den theoretischen Grundlagen des Demokratieverständnisses. Die identifizierten Grundlagen einer demokratischen Architektur wurden schließlich in das Wechselspiel mit der Zivilgesellschaft eingeordnet. Seinen Ausblick fasst er in der Aufforderung an die Gesellschaft zusammen, sich in der Lernfähigkeit zwischen Wissenschaft und Politik zu üben. Das Wechselspiel müsse deutlich besser und das Rollenverständnis geschärft werden. Die wesentliche Aufgabe der Wissenschaft sah Gohl in der Intention nach Veränderung bei gleichzeitiger Verständigung mit den gesellschaftlichen Akteuren im Zuge eines gemeinsamen Erkenntnisprozesses.

Die Teilnehmer waren bestrebt, die Beziehung von Wissenschaft und Gesellschaft als ein geordnetes Miteinander zu beschreiben. Dieses Miteinander folge vereinbarten Ordnungsprinzipien. Der Wissenschaft selbst solle es in diesem Zusammenspiel grundsätzlich um Wahrhaftigkeit gehen. In der Öffentlichkeit stelle besonders die Kommunikation der Vorläufigkeit von Wissen eine Herausforderung dar. Die Verantwortung der Wissenschaftler im Umgang mit einer informationsüberfluteten Gesellschaft wurde betont. Eine pragmatischere Perspektive auf das Leben der Menschen sei notwendig, um Vertrauen für eine respektvolle Kommunikation zu schaffen. Lebensformen seien erstarrt. Aus diesem Grunde müsse Zivilgesellschaft mit der Forschung zu Lebensformen in Verbindung gebracht werde, erläuterte Prof. Dr. Manemann in seinem Redebeitrag. Demokratie als Ereignis zu sehen, Wissenschaft als Ereignis sei eine grundlegende Aufforderung an die Zivilgesellschaft zur aktiven Auseinandersetzung mit Erkenntnissen und Schlussfolgerungen. In gewisser Weise müsse wahrscheinlich so etwas wie „Wissenschaft von unten“ neu erfunden werden, um breite Bevölkerungsschichten zu erreichen und in Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Aus seiner Sicht sinke das Ansehen der Wissenschaft in der öffentlichen Wahrnehmung nach einem gewissen Reputationsanstieg im Verlaufe der Corona-Pandemie wieder. So kann z. B. der ExpertInnenrat nicht mehr die eigene Arbeit während der Corona-Pandemie beurteilen, weil es sogar in den Kreisen der Wissenschaft keine Einigung auf grundlegende Ziele gibt. Die Wissenschaft selbst mache in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit einen teils zerstrittenen Eindruck.

Der Frage, welche Möglichkeiten die Zivilgesellschaft im Hinblick auf die Partizipation zur Lösung der drängenden Probleme überhaupt habe, stellte sich der Vortrag von Dr. Arianna Ferrari vom Naturschutzbund Deutschland (NABU). Der NABU ist von den Mitgliederinnen her der stärkste Verein, der sich in Deutschland mit Fragen der Umwelt und deren Schutz beschäftigt. Die Referentin sah ein besonderes Manko darin, dass die Möglichkeiten zur Partizipation durch die Institutionalisierung der Verfahren zwischen Politik und Wissenschaft sehr begrenzt seien. Die Wissenschaft bekomme entweder einen Auftrag und liefere Studienergebnisse. Möglicherweise finden Erkenntnisse aus der Wissenschaft Eingang in Gesetzesinitiativen. In welcher Ausprägung und mit welchen Wirkungen ist jedoch weitestgehend nicht messbar. Eine weitere wichtige Säule der Einflussnahme durch die Wissenschaft sind die sogenannten Expertenkommissionen, welche an einzelne politische Instanzen wie z. B. Europäische Kommission, Regierung, Parlament, Ministerien etc. angebunden sind, bzw. turnusmäßig Expertise zuliefern. Die Referentin hob auf Grundlage der skizzierten Strukturen hervor, dass Wirtschaft und Wissenschaft diese Gremien überwiegend beeinflussen. Die Zivilgesellschaft spiele in diesem Kontext keine wesentliche Rolle. Ferrari stellte in diesem Zusammenhang folgende Fragen: Wie wird garantiert, dass Beratung, Interessenverfolgung und Einflussnahme der einzelnen Akteure unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit erfolgen? Wie kann garantiert werden, dass zukünftige Auswirkungen von grundlegenden politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen mit den Interessen der Zivilgesellschaft kompatibel sind?

Die Gefahr interessengesteuerter Entscheidungen werde durch den Fakt deutlich, dass fast zwei Drittel der Ausgaben für Innovation aus der Wirtschaft kommen (siehe BMBF Bundesbericht Forschung und Innovation 2022). Aus Sicht der Referentin reichen technische Innovationen für die Lösung von Problemen alleine nicht aus. Es bedürfe darüber hinaus sozialer Innovationen und neuer Wege im Rahmen der Zivilgesellschaft, um den Menschen erfahrbare Möglichkeiten für Selbstwirksamkeit und Durchgriffsstärke zu verschaffen. In diesem Bereich würde es ein Defizit an neuen sozialen Räumen und Konzepten geben. Wirksame Impulse könne die transformative Forschung bei der Entwicklung von neuen Lösungsräumen leisten. Die entscheidende Voraussetzung sei eine (organisierte) Zivilgesellschaft, welche für den Prozess einer Übertragung und Auseinandersetzung transformativen Wissens empfänglich sein müsse. Den Weg zu einer diesbezüglichen zielorientierten Interaktion zwischen den Akteuren sah die Referentin in vier wesentlichen Feldern: Transformationsforschung, Transformative Forschung, Transformationsbildung, Transformative Bildung.

Im Nachgang wurde in der Diskussion herausgearbeitet, dass wir uns besonders im Zuge der Corona- Pandemie einem teils wissenschaftsskeptischen Klima gegenübersahen und -sehen. Die Folge dessen sei, dass in diesem gesellschaftlichen Klima der Interventionsanspruch der Wissenschaft in Frage gestellt werde. Die Verantwortlichen und auch weite Teile der Bevölkerung wissen eigentlich was praktisch getan werden müsse, dennoch werde nicht auf Grundlage der Fakten gehandelt. Ein weiteres Defizit sei die unausgereifte Kommunikation zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Die adressatengenaue Kommunikation müsse unbedingt verbessert werden. Das sei auch ein gravierendes Problem im Rahmen der Corona-Pandemie gewesen.

Entscheidend sei, einer interessierten Öffentlichkeit zu vermitteln, dass es keinen einheitlichen Wissenschaftsstandpunkt gebe. In der öffentlichen Wahrnehmung wurden bestimmte wissenschaftliche Auffassungen verabsolutiert. Diese Tatsache führe zu einem Kampf um die Deutungshoheit. Was wiederum die Skepsis bei einzelnen Bevölkerungsschichten verstärke und zur generellen Ablehnung von wissenschaftlichen Erkenntnissen führen könne. Der Weg einer Vereinheitlichung von Interaktionen zwischen Wissenschaften und Gesellschaft wurde bezweifelt. Es komme auf Rahmenbedingungen und spezifische Situationen an, die beurteilt werden müssten. Diese können von Ereignis (Pandemie, Krieg, Inflation, Naturkatastrophe etc.) zu Ereignis grundverschieden sein.

Von einer ganz anderen Seite näherte sich der Vortrag von Anne Specht vom Forschungsinstitut für Philosophie (fiph.) der Thematik von Wissenschaft und Zivilgesellschaft. In ihrem Vortrag wurde das Verhältnis zwischen den beiden Philosophen Karl Popper und Theodor Adorno in deren sogenanntem „Positivismusstreit“ untersucht. Im Kontext der Bezüge zur Zivilgesellschaft leitete die Referentin Empfehlungen für eine gute und authentische Streitkultur ab. Es wurde hervorgehoben, dass Streit und Diskurs zu einer lebendigen liberal-demokratischen Kultur unabdingbar dazugehören.

Was machte nun Popper in den Augen Adornos zum Positivisten? Zugespitzt gesagt, Adorno vermeinte eine Bedrohung der kritischen Theorie zu erkennen und behauptete, Popper torpediere mit seinen Auffassungen die Fortschrittsfähigkeit der Gesellschaft. Was lehrt uns das für die gegenwärtige gesellschaftliche Debattenkultur? In komplexen Situationen könne das Ziel nicht die stringente Anpassung der Positionen sein, meinte die Referentin als Ableitung aus diesem Streit. Es sei auch in einer auf Konsens orientierten Gesellschaft opportun, „nein“ zu sagen. In einer Zeit in welcher es viel um Konformität gehe, sei es besonders wichtig, konstruktive Kritik zu üben. Nicht jeder gesellschaftliche Mainstream sei die beste Lösung im Streit der Meinungen. Aus dieser Perspektive könne die Auseinandersetzung zwischen den beiden Epigonen heute von Interesse sein. Die Beherzigung von wesentlichen Punkten könne beim „richtigen“ Streiten helfen. So z. B. die Beachtung des Kontextes, des Publikums, mit dessen Begriffen und Anschauungen. Die Beachtung von Gemeinsamkeiten und nicht von Unterschieden sowie die Vermeidung von Machtmissbrauch, sei entscheidend für eine produktive Streitkultur.

Den Schlusspunkt des ersten Tages setzte Prof. Dr. Jan Wörner. Der langjährige ESA-Direktor und ehemalige Präsident der TU Darmstadt stellte inspirierend so manch scheinbare Gewissheiten in Frage. Der Vortrag begann für einen Ingenieur sogleich mit der lapidaren These: „Statik ist die Ausnahme von Dynamik“. Kurz brachte es Prof. Wörner auf den Punkt, indem er die Unterschiede zwischen seiner Zunft und den Geistesswissenschaften charakterisierte: der Ingenieur suche nach technischen Lösungen für gestellte Anforderungen, die Geisteswissenschaft sieht die technische Lösung und sucht nach Problemen, die damit in Verbindung stünden. So gab auch das Zitat aus Max Webers Text „Wissenschaft als Beruf“ von 1917/1919 zu denken: „Das akademische Leben ist ein wilder Hazard“. Es erfordere Wagemut, um in der Wissenschaft voranzukommen. Die Akteure der Wissenschaft müssten etwas entdecken wollen, für Zusammenhänge und Erkenntnisse muss Aufmerksamkeit geschaffen werden, Probleme müssen mit den Mitteln der Erkenntnis entweder bekämpft oder in einen anderen Zustand, eine andere Form, transformiert werden.

Die Frage, welche Möglichkeiten wir in Europa nutzen können, um gegen die gravierenden Probleme effektiv vorzugehen, beantwortete der Referent durchaus positiv. Aus seiner Sicht verfügen wir über sehr gute Technologien. So z. B. das Test-Bed Telescope der ESA. Es ist drei Mal genauer als ein GPS-System. Insgesamt kämen wir nach seiner Auffassung mit der Technologieentwicklung voran. Als Beispiel hob er hervor, dass ein durchschnittlicher Mensch in der westlichen Welt ca. 100 l Wasser am Tag verbrauche. Auf der Raumstation ISS wurde durch eine effiziente Wasseraufbereitung und Wiederverwendung der Bedarf auf sagenhafte 5 l reduziert.

Mit der Frage, ob die die Wissenschaft bestimmten Zwecken folgen müsse, wurde der Bezug zur Ethik hergestellt. Aus der Sicht von Wörner führten alle ethisch-moralischen Vorgaben im Endeffekt zu persönlichen Entscheidungen. An welche ethischen Regeln sich die Akteure halten, entscheide jeder letztendlich für sich selbst. Wesentliche Parameter für den Umgang mit der Gesellschaft aus Sicht der Wissenschaft sah er in folgenden Verhaltensweisen: in der Toleranz, in der Akzeptanz und im Bemühen, Andere in Handlungen, Entwicklungen und Denken mitzunehmen. Im englischen Sprachgebrauch gebe es dafür einen stimmigen Begriff, der genau diesen Zusammenhang herstelle. Gemeint ist die aktive Trägerschaft, im Deutschen umständlich ausgedrückt.  Im Englischen einfacher mit „Ownership“ bezeichnet. Prof. Wörner appellierte an die schlummernden Kräfte von Wissenschaftlern und Teilen der Gesellschaft, indem er mit einem Zitat von Einstein seinen Vortrag schloss: „Die Zukunft soll man nicht voraussehen, sondern möglich machen!“.

Der 2. Tagungstag wurde mit einem Vortrag von Frau Prof. Dr. Ursula Zehnpfennig eröffnet. Sie widmete sich der grundsätzlichen Fragestellung, ob Wissenschaft überhaupt wertfrei sein könne. Die Referentin vertrat die Auffassung, dass Menschen nicht wertfrei sein könnten. Unser gesamtes Alltagswissen sei von Werturteilen durchdrungen. Auf dieser Grundlage treffen wir in Permanenz Entscheidungen. Mit dem eigenen Wertegerüst verfügen wir über eine Art Kompass, welcher uns durch unser Leben führe. Diese grundsätzliche Überlegung wurde im Vortrag mit den Prämissen und Rahmenbedingungen für die Wissenschaft in Bezug gebracht. Besondere Aufmerksamkeit fand die Frage, wie sich ein wissenschaftliches Weltverhältnis herausbilde. Prof. Dr. Zehnpfennig machte dafür die Fähigkeit zur Objektivität durch Werte und zur tiefgreifenden Analyse als elementar aus.

Die Referentin hob hervor, dass Menschen die Welt immer subjektiv erfassen. Vorstellungen vom Guten seien bei jedem Einzelnen ganz unterschiedlich ausgeprägt. Diese Unterschiedlichkeit kann ein Hemmnis, anderseits jedoch auch eine Chance für mögliche Impulse sein. Unterschiedlichkeit könne der Ausgangspunkt sein, um auf andere zuzugehen,  Kompromisse auszuhandeln. Ein Zusammenleben ist ohne Gemeinsamkeiten nicht möglich. Die generelle Aufgabe bestehe darin, einen Kompromiss zwischen den unterschiedlichen Weltdeutungen zu finden. Dafür müsse zunächst anerkannt werden, dass unterschiedliche Weltdeutungen gleichberechtigt existieren. Eine Grundprämisse von Wissenschaft hingegen sei der Wahrheitsanspruch. Wissenschaft habe einen empathischen Bezug zur Wahrheit. Grundvoraussetzungen würden angenommen und eingefordert. Der Anspruch der Wissenschaft sei es, stets etwas Allgemeingültiges zu finden. Das Allgemeine gewinne seinen Status aus der rationalen Analyse. Rationalität mache Kommunikation erst möglich. Im privaten Raum zählten demgegenüber vorrangig Meinungen und nicht Erkenntnisse. Beim Forscher hingegen müssen Forschungsinteressen im Vordergrund stehen. Die Orientierung am Ich muss der Herrschaft und Orientierung an der Sache weichen, betonte Zehnpfennig. Die Orientierung an der Sache wiederum impliziere, sich zu „unterwerfen“ und das Ich zurück zu stellen. Die Anlage wiederum, sich selbst zurücknehmen zu können, ist eine grundsätzliche Anlage zum Guten. Die Wissenschaft hätte also etwas rationales Gutes in sich. Werte, welche dem Forschungsprozess zu Grunde liegen, müssten begründet werden. Sachlichkeit sei in diesem Kontext ein grundlegender Maßstab der Wissenschaft. Nach diesen Erläuterungen stellte die Referentin nochmals die Frage, wie es um die Wertfreiheit in der Wissenschaft bestellt sei? Trivial ausgedrückt ginge es auch um das Problem der Auftragsbearbeitung. Mit der Auftragsvergabe seien die Interessen des Auftraggebers verbunden und nicht vorrangig die Interessen des Auftragnehmers. Sollte sich hinter der Auftragsvergabe Werte verbergen, die z. B. gesellschaftlich weitestgehend akzeptiert sind, tut sich ein weiteres gravierendes Problem auf. Wie ist damit umzugehen, wenn diese Werte aus wissenschaftlicher Sicht nicht zu akzeptieren sind? Grundsätzlich müsse die Wissenschaft ergebnisoffen agieren und dürfe sich nicht allseits akzeptierten Werten oder Interessen unterordnen, betonte die Referentin.

Die Ausführungen wurden mit dem Leitgedanken zusammengefasst, dass der Maßstab für die anzulegenden Werte die Objektivität sein müsse. Es gebe einen Weg, Wissenschaft und gesellschaftliche Interessen zusammenzuführen. Der grundsätzliche Anspruch müsse es sein, dem Guten zu dienen und Einsichten über die Folgen der Wissenschaft in den Forschungsprozess zu integrieren. Den alles bestimmenden Fortschrittsgedanken betrachtete die Referentin hingegen als fragwürdig. Einem vermeintlichen Fortschritt gegenüber müsse immer die Frage gestellt werden, was bezahlen wir auf der anderen Seite dafür? Umweltschäden, Klimawandel, soziale Folgen, all das gilt es mit in den Blick zu nehmen, wenn wir von Fortschritt sprechen und Zukunftsentscheidungen in einem gefährdeten System fällen müssen.

Im nächsten Teil der Tagung wurden prägnante Impulsvorträge gehalten. So berichtete Prof. Dr. Manemann von seinem Forschungsgegenstand der Umweltphilosophie als einem Teilbereich der Praktischen Philosophie. Ziel in diesem Bereich sei es, eine Forschungsmündigkeit auszubilden, ein epistemischer Status soll den Bürgern*innen zugänglich werden. Die Umweltphilosophie ziele auf die natürliche Umwelt ab, nicht auf die vom Menschen geschaffene. Es gehe um eine dem Leben dienende Umweltphilosophie. Manemann führte den Philosophen Jürgen Gollstein mit seinem Gedanken des „nature righting“ an. Ziel müsse sein, Resonanz in einem noch empfindsamen Subjekt zu erzeugen, um anzuerkennen, dass die Natur über eigene Rechte verfüge.

In seinem Impulsvortrag hob Dr. Christopher Gohl zum Thema „Engaged Services“ hervor, dass sich in Tübingen eine Organisation Scientists for Future (S4F, auch Scientists4Future) als Ortsverband zusammengefunden habe, welcher sich als ein überinstitutioneller, überparteilicher und interdisziplinärer Zusammenschluss von Wissenschaftler*innen verstehe, die sich für eine nachhaltige Zukunft engagieren.  So entwickle sich auch wissenschaftliches Engagement für eine nachhaltige Zukunft in einem zivilgesellschaftlichen Rahmen teils außerhalb der jeweiligen Institution.

Wissenschaft hat im ursprünglichen Wortsinn die Bedeutung: „Wissen zu schaffen“. Über diesen Wortinhalt müsse man sich klar werden, wenn die Aufgaben der Wissenschaft im heutigen Sinne bestimmt werden sollten. Gohl hob hervor, dass sich Wissenschaft bekenntnishaft an ein gesellschaftliches Anliegen binden sollte. Um diese Intention zu verwirklichen, müsse die Wissenschaft sich bestmöglich in bestehende oder zu etablierende Wirkungsbeziehungen einbringen. Intellektuelle müssten dazu in der Lage sein, mit eigenen geografischen oder sozialen Herkunftssphären zu brechen und sich neuen Feldern zuzuwenden.

In seinem Impulsvortrag betonte Prof. Dr. Dr. Hemel, dass die gesellschaftlichen Potenziale durch die Organisation eines umfassenden Lern- und Suchprozesses genutzt werden sollten. Gesellschaftliche, demokratische, partizipative Regeln und Umgangsformen müssten trainiert werden. Entscheidendes Kriterium sei die jeweilige Wirksamkeit im Hinblick auf die gemeinsam vereinbarten Ziele und die geteilten Wertvorstellungen.  Wissenschaft ist mit seinen Worten „eine institutionalisierte Form der Erfassung der Welt“. Die Gesellschaftsform der Demokratie habe die Aufgabe, Regierungen hervorzubringen, die auf der Grundlage der Menschenrechte agieren und Garant für die Gewährleistung von anerkannten und durchsetzungsfähigen Grundrechten wie Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Presse- und Informationsfreiheit etc. seien.

Aus seiner Sicht gebe es einen zwingenden Zusammenhang zwischen der globalen und der lokalen Zivilgesellschaft. Die Frage, was nachhaltiges Wirtschaften mit einer Bevölkerung von 8 Mrd. Menschen bedeute, müsse zwingend beantwortet werden. Heutige Wirtschaftsformen müssten kritisch hinterfragt werden. Die Verantwortungszuweisung auf den unterschiedlichen Ebenen der globalen und lokalen Zivilgesellschaft müsste auf deren Wirksamkeit hin untersucht werden. Die wirklich entscheidenden Fragen im Zusammenspiel zwischen Staat und Zivilgesellschaft müssten herausgearbeitet werden.  Wahrheit ist ein primärer Anspruch an die Wissenschaft. Hemel stellte in diesem Zusammenhang die Frage, ob die „Welt“ überhaupt wahrheitsfähig sei und nahm damit Bezug zu dem Titel seines Impulsvortrages. Die Beantwortung dieser Frage blieb im Vortrag offen, darf jedoch mit einiger Skepsis gesehen werden.

Hemel erhebt die Forderung, dass es zu einer Kopplung zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und politischem Handeln kommen müsse. Um diese Kopplung zu ermöglichen, müsste geklärt werden, wer wann welche Verantwortung in diesem Zusammenspiel zu übernehmen habe. Ebenso sei die Frage nach gemeinsamen Werten der Akteure entscheidend. Eine anzustrebende normative Wissenschaft müsse die Grundlage für optimierte Prozessabläufe sein. Normativität im wissenschaftlichen Suchprozess sei unvermeidlich! Die Verantwortungsträger sollten die Bedürfnisse der Stakeholder kennen und daraus entscheidende normative Fragegestellungen ableiten. Für Zukunftsgestaltung benötige man ein klares Bild von dem, was sein, insbesondere wie gehandelt werden solle. Werte und Ziele müssten im wissenschaftlichen ebenso wie im politischen Such- und Gestaltungsprozess als Kompass verankert werden. Als Zielbegriff für diese Intention gab Hemel die „wissenschaftsfähige Demokratie“ aus. Hemel fasste die Aufgaben in diesem Zusammenhang wie folgt zusammen: Die Schaffung eines globalen Gemeinwohls müsste auf die Agenda. Erstrebenswert sei eine globale offene Gesellschaft, welche die Kräfte von zivilgesellschaftlichen Aktivitäten befördere. Die Suche nach zukünftigen Lösungen für die Umwelt und die Gesellschaft dürfte nicht isoliert von den grundlegenden Bedürfnissen der Menschen erfolgen. Der Suchprozess müsste offen, durchlässig und partizipativ gestaltet werden. Menschen hätten eine tiefe Sehnsucht nach einer Politik, die ihnen klare Antworten liefere. Auch vor diesem Hintergrund sei der Populismus eine ernsthafte Gefährdung der demokratisch-liberalen Systeme! Um diesem Phänomen entgegenzuwirken müsste erkannt werden, welche Produktionsbedingungen für die Erschaffung einer gedeihlichen Zivilgesellschaft notwendig seien. Ziel müsste es sein, eine Gesellschaft dahingehend zu entwickeln, das die „vernünftigen“ Kräfte der Zivilgesellschaft ändernd und nachhaltig auf die Lösung von Problemen einwirken könnten. In diesem Sinne gehe es um die Schaffung von Voraussetzungen dafür, dass gutes Zusammenleben möglich sei. Der „Horizont“ der globalen Zivilgesellschaft umfasse die Entwicklung einer „Balance-Ethik“. Diese Ethik müsse den Dreiklang aus einem zoon politikon, dem homo oeconomicus und dem homo cooperativus hervorbringen, um an den Anforderungen unserer Zeit zu erfassen, was der Mensch sei.

Fazit

Welche Einsichten, Erkenntnisse und Impulse hat die Tagung geliefert? Die Zivilgesellschaft wurde als ein Raum beschrieben, in welchem Menschen sich assoziieren, um gemeinschaftlich Probleme zu lösen. In diesem Sinne ist eine Stärkung der Bürgergesellschaft geboten. Bürger müssten Möglichkeiten erhalten, die eigenen Lebensräumen sinnvoll verändern und gestalten zu können. Die Erfahrbarkeit der eigenen Wirksamkeit sei entscheidendes Kriterium für die Anreizbildung einer aktiven Zivilgesellschaft. Zur Schaffung dieser Möglichkeiten, sei die Abgrenzung zwischen Staat und Zivilgesellschaft sinnvoll. Der Staat trage als bürokratische Institution immer die Gefahr einer Entfremdung zu den Menschen in sich. Die aus der Perspektive der Betroffenen heraus agierenden Kräfte der Zivilgesellschaft wirken dieser potenziellen Entfremdung entgegen. Als weiterer entscheidender Akteur müsse die Wirtschaft differenzierter in den Kontext der Zivilgesellschaft eingeordnet werden. Wirtschaftliche Interessen können nicht generell über zivilgesellschaftliche Interessen gestellt werden. Es mache einen großen Unterschied, ob es sich um einen globalen Konzern, einen lokal verankerten Mittelständler oder um selbstständige Unternehmer vor Ort handele. Der Begriff „die Wirtschaft“ ist generell zu unscharf und bedarf im Zusammenspiel mit den zivilgesellschaftlichen Akteuren intensiver sozialwissenschaftlicher Forschung und präziserer Definition.

Als weiterer wesentlicher Aspekt wurde die Zivilgesellschaft als ein Raum identifiziert, der die Chance auf Prozesse einer verantworteten Freiheitsausübung bietet. In diesem Raum können Menschen die eigene Wirksamkeit ausloten und mit anderen zusammen lernen, wie eine aktive Zukunftsgestaltung für Mensch und Umwelt gleichermaßen gelingen kann. Die Gesellschaft verfüge über ganz unterschiedliche soziale Räume. Einer dieser Räume ist der Wissenschaftsraum mit einer entsprechenden Wissenschaftskultur. Diese Wissenschaftskultur ist vielschichtig. Wissenschaftskultur ist auch als ein Kampfbegriff zu verstehen. Um Begriffe wird gekämpft! Das müsse man zur Kenntnis nehmen. Ziel sollte es sein, Zivilgesellschaft und die Wissenschaft in einem gemeinsamen Vorstellungsraum zu verknüpfen.

Aus Sicht des Autors hat die Tagung überwiegend Probleme skizziert. Eine Untersuchung konkreter Lösungen erfolgte partiell in den Diskussionen. Beispiele für zivilgesellschaftliches Engagement wurden erwähnt. Bestehende positive Ansätze wurden jedoch nicht auf der deren Wirksamkeit hin beleuchtet. Das Problembewusstsein und die Besorgnis einer unsicheren Zukunft für Mensch und Natur war stark ausgeprägt. Ein übergreifender strategischer Ansatz, wie die Probleme zu lösen und mit neuen Krisen umzugehen sei, wurde dem allseits neugierigen Teilnehmer nicht deutlich. Ebenso wenig wurden Versäumnisse der vergangenen Jahrzehnte auf verschiedenen Ebenen reflektiert und eingeordnet. Vielfach blieben die Ansätze in bekannten Postulaten verhaftet bzw. der anzustrebende Lösungsraum blieb diffus.

In dieser Schwäche der Veranstaltung könnten zwei Symptome für einen übergreifenden Zustand unserer Gesellschaft zu finden sein. Einerseits weiß ein großer Teil der Bevölkerung, was eigentlich zu tun wäre, ohne selbst Forschungsarbeit zu leisten. Die Lebenspraxis vermittelt einen untrüglichen Eindruck. Überfüllte Straßen, ein unausgereifter öffentlicher Nahverkehr, in die Jahre gekommene bauliche Infrastruktur und eine phasenweise mit sich selbst befasste Politik und Verwaltung, um nur einige wenige Aspekte zu nennen, sprechen für den Bürger eine deutliche Sprache. Die Wahrnehmung ist, dass Veränderungen langwierig sind, zu langwierig. Die Zeit läuft uns in vielen Bereichen davon. Immer wieder neue, noch gravierendere Probleme kommen hinzu. Von Experten werden in krisenhaften Situationen schnelle und eindeutige Antworten erwartet. Um diese Erwartung erfüllen zu können, bedarf es einer guten und koordinierten Zusammenarbeit, bereits im Vorfeld von Krisen. Es scheint ja so etwas wie einen allseits ersehnten und vorhersehbaren Normalzustand nicht mehr zu geben. Wissenschaft muss um eine maßgebliche und dynamische Rolle einnehmen zu können, mit verschiedenen Mitspielern und Disziplinen gut zusammenarbeiten. Die Art und Weise der Zusammenarbeit wird von großen Teilen der Bevölkerung jedoch oftmals als gegenseitig blockierend und unzureichend wahrgenommen. Die Interaktion zwischen Zivilgesellschaft und Wissenschaft ist gerade vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse schwer durchschaubar. Einzelne Sphären der Zivilgesellschaft müssen zu wissenschaftlichen Untersuchungszwecken intensiver einbezogen werden, um Wirkungsmechanismen im Hinblick auf Ziele und Erwartungen wirklich messen zu können. Die Interaktion zwischen der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft lasse sich gegenwärtig nur unzureichend operationalisieren, so eine weitere Feststellung der Referenten und Tagungsteilnehmer. Politik ist durch Situationen, Umstände, Meinungsbildung und Bürgerinteressen dazu aufgefordert, Entscheidungen zu fällen. Die Politik muss entscheiden, was die Parameter für die „Experimente“ sind, die in einer Gesellschaft möglich und gewünscht sind, so ein Tagungsteilnehmer.

Im Kontext der kritischen Anmerkungen abschließend wesentliche aus in der Tagung gewonnene potenzielle Forschungsfragen zum Wechselspiel zwischen Wissenschaft und Zivilgesellschaft:

  • Welche Handlungslogiken zwischen Wissenschaft, Staat und Zivilgesellschaft bestehen?
  • Wie sieht modernes politisches Handwerkszeug aus, um transformative Prozesse erfolgreich zu gestalten?
  • Ist der Wissenschaftsbetrieb zeitgemäß auf struktureller, prozessualer und personeller Ebene, aufgestellt, um als Interventionsinstanz im Zusammenspiel mit den politischen Entscheidungsträgern agieren zu können?
  • Wie könnte der Zielbegriff für eine aktive Trägerschaft im Kontext zivilgesellschaftlicher Sinnstiftung aussehen? (englisch: Ownership)

Wie könnte eine Wissenschaft mit Fokus Mensch und Natur, gleich welcher Disziplin, zukünftig aussehen? Die Vision könnte eine Wissenschaft sein, welche effektive Grundlagenarbeit und Hilfestellungen für die Befähigung und Urteilsfindung einer empathischen Zivilgesellschaft liefert. Mündige, mit vielfältigem Wissen und sozialen Kompetenzen ausgestattete Bürger könnten mit demokratisch legitimierten Werkzeugen eine eigenständige, aktive Ausgestaltung von sozialen Räumen, in denen „wirkliche“ Menschen leben, leisten. Unterstützende Lösungsorientierung sei eine entscheidende Intention, damit die Wissenschaft vom überwiegenden Teil der Gesellschaft als nutzbringend, sinnstiftend und nicht als elitär und abgehoben wahrgenommen werde, so ein Gedanke aus der Tagung.

Um es mit Brecht (aus „An die Nachgeborenen“ Gedicht zwischen 1934/38) auszudrücken:

„…Sich aus dem Streit der Welt halten und die kurze Zeit

Ohne Furcht verbringen …

Seine Wünsche nicht erfüllen, sondern vergessen gilt für weise.

Alles das kann ich nicht…“.

Uns bleibt also keine Wahl!


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Posted by Oliver Bülchmann