Abstract [en]: The Inheritance Tax is, at the same time, the most just and unjust of all taxes. On the one hand, it means the taxation of after-tax assets. On the other hand, it promotes non-performance-related privileges…

Abstract [de]: Die Erbschaftssteuer ist zugleich die gerechteste und die ungerechteste aller Steuern. Handelt es sich einerseits um die Versteuerung bereits versteuerten Vermögens, be- fördert sie andererseits leistungsunabhängige Privilegien. Gerade, wenn es um die Ver- erbung von Unternehmen und somit von Arbeitsplätzen geht, wird die Forderung nach einer erhöhten Erbschaftssteuer besonders heiß diskutiert.


Juli 2015

Erbschaftssteuer und Unternehmensnachfolge – was ist gerecht?

Lösungsweg durch die zeitweilige Umwandlung gestundeter Erbschaftssteuer in stimmrechtslose Kapitalanteile des Staates

Die Erbschaftssteuer ist zugleich die gerechteste und die ungerechteste aller Steuern.

Sie ist besonders ungerecht, weil es sich tatsächlich um die Besteuerung von Vermögen handelt. In einem entwickelten Land wie Deutschland wird Vermögen aus versteuerten Einkünften aufgebaut, ist also schon eine Residualgröße nach Berücksichtigung von Abgaben an die Allgemeinheit!

Die Erbschaftssteuer ist andererseits die gerechteste aller Steuern, weil eine Erbschaft schon von der Definition her nichts mit Leistung und alles mit Abstammung oder Geburt zu tun hat. Nicht umsonst haben Anarchisten aller Zeiten die Abschaffung der „automatischen“ Vererbung von Vermögen gefordert. Schließlich ist die Erbschaftssteuer, so gesehen, ein korrigierender Eingriff im Sinn größerer Verteilungsgerechtigkeit von Besitz und Eigentum.

Dass Fragen der Erbschaftssteuer besonders heiß diskutiert werden, wenn es um Unternehmen und folglich um Arbeitsplätze geht, ist aufgrund der beiden dargestellten Extreme kein Wunder. Und so gibt es auf der einen Seite die Befürworter einer „arbeitsplatz-getriebenen“ Argumentation, bei der es stark um die Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art.14 GG) und die Sicherung überlebensfähiger Unternehmen mit entsprechenden Beschäftigungsmöglichkeiten geht. Nicht übersehen sollten wir dabei den Umstand, dass Schuldner der Erbschaftssteuer letztlich nicht das Unternehmen, sondern eine natürliche Person als Allein-Erbe oder Mit-Erbe sein wird. Und die Vermögensverhältnisse dieser Personen unterscheiden sich ebenso stark voneinander wie überall sonst auch!

Dennoch wirkt die Erbschaftssteuer des Unternehmenserben auf seine Firma zurück und schmälert deren Substanz dann, wenn beim Erben sonst kein liquides Vermögen vorhanden ist. Das bedeutet dann, dass er oder sie auf nichts Anderes als auf das geerbte Unternehmen zurückgreifen kann und entweder die ganze Firma verkauft oder diese mit Entnahmen, Zahlungen oder dem Verkauf von Unternehmensvermögen belastet.

Da aber die Eigenkapitalquote bei deutschen Unternehmen aus verschiedenen Gründen recht niedrig ist, wirkt die Substanzbesteuerung eines Unternehmens im Erbschaftsfall manchmal Existenz gefährdend. Denn Unternehmens-Erben müssen Erbschaftssteuer bezahlen, die ihnen in Form von privat oder geschäftlich vorhandener Liquidität gar nicht zur Verfügung steht. Daraus folgt, dass Betriebe in die Insolvenz oder bestenfalls in den Verkauf an fremde Dritte getrieben werden können. Auf jeden Fall wird die Kontinuität im Leben eines Unternehmens gestört, manchmal sogar Existenzen vernichtet. Denn selbst wenn Unternehmen das Geld für die Erbschaftssteuer aufbringen oder sich entsprechend verschulden können, gilt der eiserne Grundsatz, dass jeder Euro nur einmal ausgegeben werden kann. Geld für Steuern fehlt bei Investitionen, also für die Zukunftssicherung von Unternehmen!

Auf der anderen Seite stehen die Argumente all derer, die eine zunehmende Ungleichheit im Vermögen der Bevölkerung beobachten und die Spreizung zwischen „Arm“ und „Reich“ , zwischen den am besten bemittelten oberen 10% der Bevölkerung und der schwierigen materiellen Lage des unteren Drittels ansprechen. Gerade die Erbschaftssteuer bei Unternehmen wird in dieser Sichtweise zu einem Baustein von Gerechtigkeit, denn schließlich haben Erben eben gerade nichts (oder allenfalls wenig) für den Aufbau eines zu vererbenden Vermögens geleistet!

Gehen wir aber durchaus vom schwierigen Fall aus, dass ein Alleinerbe eines Unternehmens sonst kein nennenswertes liquides Vermögen besitzt. Hat nun auch das Unternehmen nur geringe flüssige Mittel, tritt das „Vernichtungsproblem“ auf: Die aus dem Unternehmen zu entnehmenden Mittel zur Bezahlung der Steuerschuld überfordert dieses so stark, dass es untergehen würde.

Dem kann man entgegnen, dass dies nur auf sehr wenige Fälle zutrifft, und das ist richtig. Man kann aber noch strenger sein und sagen: Ein solches Unternehmen hat keinen Überlebenswert, sonst stünde es besser da. Entgegen steht diesem Gedanken der Wunsch nach der Sicherung von Arbeitsplätzen, aber auch die Vielfalt des Lebens. Denn nicht jede ungünstige Konstellation ist aufgrund von Unfähigkeit oder mangelnder Überlebensfähigkeit entstanden.

An dieser Stelle soll daher ein Lösungsansatz vorgestellt werden, der eine Privilegierung von Erben ebenso wie die sinnlose Zerschlagung von Unternehmen vermeiden wird. Es handelt sich darum, die festzusetzende Erbschaftssteuer in einem gesetzlich geregelten Verfahren so zu stunden, dass das Unternehmen und die Erben des Unternehmens ein Interesse daran haben, die Erbschaftssteuer so schnell wie möglich zu zahlen. Und dies idealerweise so, dass die Liquidität und Bonität (also die Bewertung durch Banken und Gläubiger) nicht gefährdet werden.

Dies wird regelmäßig dann der Fall sein, wenn ein Stundungsanspruch für die Erbschaftssteuer mit der zeitweiligen Umwandlung der Steuerschuld in stimmrechtslose Kapitalanteile des Unternehmens verbunden wird. Die Steuerschuld des Erben würde also aufgrund eines entsprechenden Gesetzes in eine Art staatlich gehaltenen Mezzanin-Kapitals umgewandelt, letztlich in stimmrechtlose Kapitalanteile.

Was sind stimmrechtlose Kapitalanteile?

Kapitalanteile verleihen Eigentumsrechte an einem Unternehmen. Zugleich ist die Höhe des Eigenkapitals ein wesentlicher Indikator für die Bonität eines Unternehmens, etwa bei der Bewertung durch Kredit gebende Banken. Anders gesagt: Wenn etwa bei einer Bilanzsumme von 3 Millionen Euro für die Allzweck-Handels-GmbH ein Eigenkapital von 300.000 Euro ausgewiesen ist (d.h. 10% Eigenkapitalquote), dann ist es schwieriger, einen Bankkredit zu erhalten als beim doppelten Eigenkapital (d.h. in diesem Fall 600.000 Euro oder 20%).

Wird die festzustellende Erbschaftssteuer als Steuerschuld des Erben (also vom Grundsatz her nicht „des Unternehmens) aufgrund einer gesetzlichen Option eben doch dem Unternehmen zugeschlagen und mit einem Stundungsanspruch im Gegenzug zur Beteiligung am Kapital des Unternehmens verbunden, ergeben sich mehrere Vorteile.

Zum einen wird die Steuerschuld nicht als Verbindlichkeit gebucht, sondern als Kapitalanteil. Die Gegenbuchung im Unternehmen wäre dann eine Forderung an den Gesellschafter, der geerbt hat.

Die Verbuchung als Kapitalanteil ist deshalb gerechtfertigt, weil der Staat seine Ansprüche mit einem hohen Vorrang vor anderen Ansprüchen durchsetzt. Wird nun eine Steuerschuld nicht unmittelbar beglichen, ist es nicht unbillig, dem Staat Eigentümerrechte zu-zugestehen. Um allerdings zu vermeiden, dass Finanzbeamte zeitlich überlastet und inhaltlich überfordert werden, wenn sie bei einer Vielzahl von erbschaftssteuerpflichtigen Unternehmen und deren Erben zur Ausübung eines Kapitalstimmrechts herangezogen werden, sollte es um stimmrechtlose Kapitalanteile gehen.

Solche „stimmrechtslosen Vorzüge“ gibt es bereits in einer Reihe von Kapitalunterneh- men. Sie werden oft sogar mit einer besonders guten Ausschüttung versehen, im Gegenzug zum „Verzicht“ auf ein Kapitalstimmrecht, welches mit ihnen verbunden ist.

Die Dauer der Stundung der Erbschaftssteuer sollte kongruent zum Zeitraum ihrer Tilgung sein. Da ein Unternehmen aber nicht deshalb mehr verdient, weil der Staat über stimmrechtslose Kapitalanteile „zwangsbeteiligt“ ist, werden die den Eigentümern zustehenden Gewinnanteile zwangsläufig verwässert.

Nehmen wir an, die oben erwähnte „Allzweck-Handels-GmbH“ würde einen Gewinn nach Steuern von 1 Million Euro erwirtschaften. Der Wert des Unternehmens würde 6 Mio. Euro betragen, die zu zahlende Erbschaftssteuer in diesem Beispiel 1.5 Mio. Euro. Die Erben würden aber für die „stimmrechtslose Kapitalbeteiligung“ des Staates anstelle der direkten Zahlung von Erbschaftssteuer optieren. Nehmen wir an, die Beteiligung des Staates läge dann bei 25% (weil 1,5 Millionen Steuerschuld ein Vierteil des Unternehmenswertes darstellt). Dann hätte der Staat logischerweise 25% Anteile am operativen Gewinn nach Steuern (EAT), also 250.000 Euro.

Es liegt, so gesehen, sehr wohl im Interesse der übrigen Gesellschafter, die spezielle Kapitalbeteiligung des Staates so rasch wie möglich zu tilgen. Machen wir auch hier ein Beispiel: Würde die Allzweck-Handels-GmbH dazu optieren, die Hälfte des Gewinns nach Steuern für die Tilgung der Erbschaftssteuerschuld zu verwenden, dann müsste gestattet werden, dass in diesem Fall die Gewinnbeteiligung des Staates auf den verbleibenden Anteil berechnet wird, also auf 1 Mio. Euro – denn von den 1,5 Mio. Euro wurde ein Drittel ja bereits getilgt. Der Gewinnanteil des Staates würde folglich auf 16,67% sinken, also auf 167.000 Euro. Nun muss ein in einem bestimmten Jahr erwirtschafteter Gewinn nicht zwangsläufig auch ausgeschüttet werden. Er kann für die Innenfinanzierung des Unternehmens verwendet werden.

Dennoch zeigt das Rechenbeispiel, dass es im wohlverstandenen Eigeninteresse der Gesellschafter liegen wird, den Staat als „stillen Beteiligten“ möglichst bald wieder los zu werden, indem zur Zahlung der Erbschaftssteuerschuld optiert wird. Im Einzelfall kann es sich sogar „lohnen“, ein Bankdarlehen aufzuwenden, um den Staat als stillen Miteigentümer aus dem Unternehmen heraus zu bekommen.

Anders liegt der Fall dann, wenn es sich um ein schnell wachsendes, ertragreiches Unternehmen handelt, welches chronisch kapitalschwach ist. Hier würde die unternehmerische Entscheidung anders ausfallen: „Statt teures Kapital zu tilgen, lasse ich die staatlichen Anteile lieber stehen, denn das dafür nötige Geld kann ich für das Wachstum im laufenden Geschäft besser verwenden.“ Das wäre dann eine Art deutsche Amazon-Gesellschaft, die nicht auf Ertrag, sondern auch Wachstum aus ist.

Insgesamt ist das vorgestellte Modell also auch für die Gesellschafter vorteilhaft. Denn die Anteile an einem Unternehmen sind ja nicht immer mit flüssigen Mitteln verbunden.

Hat ein Erbe aber die Aussicht, seine Steuerschuld ohne Unternehmensverkauf abzuarbeiten, wird er dies in vielen Fällen auch tun. Auf jeden Fall hat er größere Handlungsfreiheit als ohne ein solches Modell. Schließlich wird vermieden, dass Unternehmen „nur aufgrund steuerlicher Angelegenheiten“ in Existenz gefährdende Krisen geraten. Vermieden wird aber auch eine systematische Ungerechtigkeit, die Unternehmenserben vor allen anderen ohne Not privilegiert und damit sozialer Ungleichheit weiteren Vorschub leistet.

Vorausgesetzt wird in jedem Fall, dass die Erbschaftssteuerschuld mehrerer Erben genau und individuell ermittelt wird. Dies ist in Zeiten ausgeklügelter mathematischer Verfahren aber kein Hexenwerk.

Schwieriger ist schon die Unternehmensbewertung. Denn auf diesem Gebiet gibt es nach wie vor unterschiedliche Ansätze. Außerdem schwanken die Preise für Unternehmen im Lauf der Zeit.

Gelöst werden kann diese Herausforderung durch ein Regelwerk, welches einen Bewertungskorridor vorgibt und bei dem es zusätzlich zum Einsatz qualifizierter Sachverständiger kommt. Dies können anerkannte Berater für Unternehmensverkäufe sein, die auf dem Markt verfügbar sind und die Sachkunde nachweisen können. Einzelne Bundesländer verfügen sogar über eigene Wagnis-Kapital-Beteiligungs-Gesellschaften mit ausgewiesenen Spezialisten.

Nicht entschieden wird durch ein solches Verfahren, wie hoch die Erbschaftssteuer sein soll und ob sie überhaupt gerecht ist. Solche Gerechtigkeitsfragen stellen hohe philosophische Hürden auf. Gesellschaftlich sind sie nur über den Weg der Politik des Interessensausgleichs zu lösen, der über das Parlament und seine gewählten Abgeordneten vorgezeichnet ist.

Das Modell der Stundung der Erbschaftssteuer mit zeitweiliger Umwandlung in stimmrechtslose Kapitalanteile ist im Bereich der Unternehmensnachfolge jedoch von beachtlicher Stimmigkeit, weil es sowohl eine als ungerecht empfundene Privilegierung von Unternehmenserben wie auch eine sozial unsinnige steuerbedingte Zerstörung von Unternehmen vermeiden helfen wird!


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Posted by Ulrich Hemel

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