ifs Eröffnungsrede

Institut

Abstract [de]: Ein neues Institut zu gründen, es „Institut für Sozialstrategie“ zu nennen und seinen Gegenstand auf die Gestaltung der „globalisierten Zivilgesellschaft“ zu beziehen, ist, gelinde gesagt, reichlich wagemutig.


Februar 2009

IFS ERÖFFNUNGSREDE

Die globalisierte Zivilgesellschaft gestalten

Was ist das Institut für Sozialstrategie und was soll es bewirken?

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

ein neues Institut zu gründen, es „Institut für Sozialstrategie“ zu nennen und seinen Gegenstand auf die Gestaltung der „globalisierten Zivilgesellschaft“ zu beziehen, ist, gelinde gesagt, reichlich wagemutig.

Obwohl dies so ist, bin ich davon überzeugt, dass es nötig und zeitgerecht ist.

Die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise hat uns gezeigt, dass die durchgängige Ökonomisierung und Monetarisierung unserer Welt ein Irrweg ist. Jeder einzelne Mensch, aber auch jedes Unternehmen, jede gesellschaftliche Organisation und unsere soziale und kulturelle Welt lebt in Bezügen, die nicht nur durch Geld auszudrücken sind, sondern die auf den gegenwärtigen Stand der Technologien, auf wissenschaftliche Erkenntnisse, religiöse Überzeugungen, persönlichen Gefühlen, aber auch der Suche nach Sinn und Zugehörigkeit im Leben geprägt sind.

GLOBALISIERUNG UND DIE ENTSTEHUNG EINER GLOBALEN ZIVILGESELLSCHAFT

Das, was gegenwärtig „Globalisierung“ genannt wird, scheint sich in seiner emotionalen Anmutung von solchen grundlegenden Bezügen abzukoppeln. „Globalisierung“ weckt in vielen Köpfen eher die Assoziation frei vagabundierenden Kapitals ohne jegliche soziale Rücksicht und Wettbewerbs ohne jegliche Schranken. „Globalisierung“ ist das Zauberwort, das Arbeitsplatzverluste befürchten lässt oder Einschnitte in die gewohnte Lebensqualität begründen hilft. In den Ohren mancher hört sich „Globalisierung“ so an, als sei es die technokratische Umschreibung einer sich immer weiter drehenden sozialen Abwärtsspirale.

Da hilft es wenig, wenn Politiker und Ökonomen auf den rationalen Kern von Globalisierung hinweisen, der schlicht und einfach auf den weltweiten Austausch von Gütern, Dienstleistungen und Ideen verweist. So gesehen, vergrößert Globalisierung das weltweit das durchschnittliche Wohlstandsniveau. Nur kommen wir sofort wieder auf die eigene Weltsicht zurück, denn wir können gar nicht anders, als Begriffe an der eigenen Erfahrung zu messen.

Zu dieser Erfahrung gehören allerdings auch Reisen in Europa und Fernreisen, gastronomische Vielfalt quer durch die Kulturen, Produkte aus aller Herren Länder und die globale Gleichzeitigkeit technologischer Durchbrüche, wie wir sie in dieser Generation etwa beim Mobiltelefon und dem Internet erlebt haben.

Das damit gegebene Zusammenwachsen der Welt hat sicher etwas mit der ökonomischen und politischen Globalisierung zu tun, geht aber nach meinem Verständnis deutlich darüber hinaus. Auch wenn uns völlig bewusst ist, wie sehr wir Angehörige einer bestimmten regionalen Sprache und Kultur sind, so entsteht doch in unserer Zeit etwas Neues, das über Staaten und Staatenbünde wie die EU und die USA hinausgeht.

Dieses Neue nenne ich die globale oder die globalisierte Zivilgesellschaft. Die Adjektive „global“ und „globalisiert“ setzen hier unterschiedliche Akzente. „Global“ im Sinn von „weltweit“, „die Erde umspannend“ zeigt an, dass es zu definierende Gemeinsamkeiten der globalen Zivilgesellschaft gibt. Das Adjektiv „globalisiert“ akzentuiert eher den historischen Aspekt des Zusammenwachsens einer in sich differenzierten Zivilgesellschaft in Verbindung mit dem Prozess der Globalisierung.

Ich werde beide Begriffe verwenden. Dabei bleibt allerdings die Aufgabe offen, eine Definition für das zu finden, was mit „Zivilgesellschaft“ gemeint ist.

Dabei liegt es auf der Hand, dass der Begriff des „Zivilen“ – lateinisch „civilis“- im Grunde eine Übersetzung des griechi- schen „politikós“ darstellt (vgl. HWPh 12, 1357), also von der Wortbedeutung her schon auf den Bereich des Politischen verweist. Nur ist das Politische in verschiedenster Weise verfasst. Es lässt sich – kurz gesagt- auf den Raum des Parteipolitischen, auf die Sphäre des Staatlichen, aber eben auch auf das große Feld der am Gemeinwohl interessierten Aktion innerhalb einer gegebenen Gesellschaft beziehen.

Nun lässt sich trefflich darüber streiten, wer nun ein Definitionsprivileg für das „Gemeinwohl“ inne habe, und ohne je- den Zweifel würden staatliche und parteipolitische Akteure mit erhabenem Augenaufschlag auf ihren eigenen Einsatz zugunsten des Gemeinwohls verweisen.

Nimmt man solche Ansprüche ernst, wäre das Zivilgesellschaftliche derjenige Bereich, der vom eigenen Selbstverständnis her am Gemeinwohl Maß nimmt, aber nicht unmittelbar staatlich oder parteipolitisch verfasst ist. Insofern gehen mit dem Begriff der Zivilgesellschaft in vielen Fällen emanzipatorische, staatsskeptische und basisdemokratische Ansprüche einher. Dabei wird an dieser Stelle nicht der Versuch gemacht, die aktuelle geistesgeschichtliche und philosophische Diskussion nachzuzeichnen, die u.a. Ralph Dahrendorf, Jürgen Habermas und Michael Walzer wesentliche Impulse verdankt. Für unsere Zwecke reicht es aus, auf die von G. W. F. Hegel eingeführte Unterscheidung von Staat und Gesellschaft zurückzugreifen.

INHALTE UND HERAUSFORDERUNGEN DER GLOBALEN ZIVILGESELLSCHAFT

Will man den Begriff der globalen Zivilgesellschaft mit Inhalt füllen, brauchen wir nur auf unseren Alltag zu schauen, der gleichzeitig lokal, regional und global geprägt wird. Dies konnten wir beispielsweise anlässlich der Wahl Obamas zum neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten ab dem 20.1.2009 gut beobachten. Ob dabei der Einfluss einer einzelnen Person überschätzt wird, spielt dabei keine Rolle. Fakt ist, dass die globale Zivilgesellschaft in praktisch allen Ländern der Erde an seiner Wahl und seiner Amtseinführung großes Interesse gezeigt hat. Fakt ist, dass sein Wahlkampf nicht zuletzt durch die Nutzung des Internets und die sogenannte Blogosphäre entschieden wurde. Fakt ist aber auch, dass sich kein Land der Erde von der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise oder von den Herausforderungen durch den Klimawandel frei halten kann.

Die Informations- und Kommunikationstechnologie, namentlich das Internet und das Mobiltelefon, sind ebenso wie der eng verwobenen internationalen Finanz- und Warenströme Indizien dafür, dass tatsächlich eine globalisierte Zivilgesellschaft entsteht. Diese mag politisch in den unterschiedlichsten Systemen leben und kulturell vielfältig sein. Sie ist uns aber zur sozialen Tatsache geworden. Denn nicht nur Welthandel und Weltklima, sondern auch massenhafte persönliche Erfahrungen wie Reisen, aber und vor allem auch die Migration von Millionen Menschen werfen neue Fragen nach Interdependenz, Lebensstil und Lebensqualität auf: Wie können wir gut zusammen leben? Was müssen wir tun, um vermeidbare Konflikte zu vermeiden? Was fördert und was hemmt globale Lebensqualität?

Nimmt man die Thematik der globalisierten Zivilgesellschaft ernst, dann wird deren Gestaltung im 21.Jahrhundert zur epochalen Aufgabe. Eine Sache ist es, wenn die Runde der G8-Staaten auf G20 erweitert wird. Eine andere ist die immer wieder und mit Recht gestellte Frage nach der Partizipation der Zivilgesellschaft an weltweiten Entscheidungsprozessen. Es gibt zwar in der Zwischenzeit Nicht-Regierungsorganisationen oder NGOs, die bei den Vereinten Nationen akkreditiert sind. Nur reicht die Realität der weltweiten Zivilgesellschaft deutlich weiter als die von noch so engagierten Einrichtungen, Bewegungen und Gruppen.

Faktisch gibt es heute noch kein globales Forum für die Artikulation gesellschaftlicher, nicht unmittelbar staatlicher Interessen. Das Weltwirtschaftsforum in Davos nimmt ja allenfalls die ökonomische Facette in den Blick. Ein Weltrat der Religionen steht selbst vom Begriff her noch in weiter Ferne. Und die Erinnerung an Woodstock ist sicher nicht das Gleiche wie ein mögliches Weltforum für Kunst, Kultur und Lebensart.

Solche Überlegungen, meine Damen und Herren, können per heute nur tastende Versuche sein. Sie bezeichnen aber eine Leerstelle, die Beachtung verdient. Denn auch wenn wir noch keine klaren Lösungen sehen können, wird deutlich: Es gibt bereits heute, 2009, greifbare Herausforderungen, die die globale Zivilgesellschaft als ganze angehen. Drei davon möchte ich nennen:

  1. Die Rechte von Minderheiten
  2. Die Frage nach einer globalen Ethik
  3. Die Bewältigung des Klimawandels.

Nun bezeichnet jedes dieser Themenfelder mindestens eine abendfüllende Veranstaltung. Dies ist insofern günstig, weil es ja fatal wäre, wenn einem neuen Institut schon bei der Eröffnung die Themen ausgehen würden!

Dennoch ist die Auswahl der drei genannten Themen nicht zufällig.

Erstens gibt es kaum entwickelte Gesellschaften, die nicht ein hohes Maß ethnischer Vielfalt zu verkraften hätten, auch wenn sie dabei teilweise auf dem Lösungsweg von vorgestern verharren. Die Frage nach dem Blickwinkel „der anderen“, die Frage nach den legitimen und den abzuwehrenden Ansprüchen von Minderheiten ist, so gesehen, eine weltweite Frage nicht nur für Staaten, son- dern eben auch für die Zivilgesellschaft. Dies bedeutet beispielsweise, dass wir uns globale Mindeststandards für Min- derheiten vorstellen können. Dazu gehört zum einen, dass die Mehrheitssprache (hier in Deutschland also das Deutsche) das akzeptierte Kommunikationsvehikel in einem Land ist, aber gleichzeitig Sprache und Kultur von Minderheiten gefördert werden dürfen und müssen. Es heißt gleichzeitig, dass es Menschen möglich sein sollte, eine doppelte Staatsangehörigkeit zu behalten, einfach weil familiäre Bindungen in mehr als einem Land bestehen. Drittens spricht eine solche Politik der Achtsamkeit und des wechselseitigen Respekts dafür, Bildung tatsächlich und auch finanziell als Priorität im 21.Jahrhundert zu betrachten.

Die Frage nach einer globalen Ethik scheint gar keiner eigenen Begründung mehr zu bedürfen. Hans Küng hat mit seinem Projekt „Weltethos“ durchaus den Finger in die Wunde gelegt, auch wenn verfasste Religionen deswegen nicht auf den Geltungsanspruch ihrer eigenen Werte und Normen verzichten werden. Zu einer Ethik der globalen Zivilgesellschaft gehört allerdings auch die Frage nach der Legitimität politischer und sogar militärischer Aktionen dort, wo elementare Menschenrechte mit Füssen getreten werden. Über solche schwierigen Fragen nach einer Fortentwicklung des Völkerrechts hinaus sind aber auch höchst konkrete Fragen zu stellen: Gibt es gemeinsame Standards für eine Unternehmensethik? Gibt es eine zivilgesellschaftliche Konvergenz in heißen Fragen wie etwa Korruption, Kinderarbeit und Regulierungen in der Finanzwirtschaft? Wie kann sich die globalisierte Zivilgesellschaft gegenüber Wildwuchs und der puren Macht des Stärkeren behaupten, etwa im Blick auf multinationale Unternehmen und andere Interessengruppen? Solche Fragen führen immer wieder in das Gelände des Grundsätzlichen. Sie fordern uns auf, sensibel zu werden für die Macht und Ohnmacht des einzelnen. Sie lassen uns aber auch die Hypothese formulieren, dass zivilgesellschaftliche Organisationsformen an Einfluss gewinnen werden. Nicht so sehr elitäre Netzwerke, sondern von vielen einzelnen kollektiv getragene Schwärme werden unsere Zukunft bestimmen! Dass Informationstransparenz und der Aufbau von Vertrauen hier eine besondere Rolle spielen, versteht sich in diesem Zusammenhang von selbst.

Zu den Herausforderungen der globalisierten Zivilgesellschaft, nicht nur der weltweiten Staatengemeinschaft, gehört sicherlich auch der Klimawandel mit seinen Folgethemen wie Energieeffizienz, erneuerbaren Energien und der Zukunft der Landwirtschaft. Vor einigen Jahrzehnten wurde die Kernkraft entscheidende Innovation gepriesen, und neue Kernkraftwerke wurden merkwürdigerweise recht häufig sehr nahe an bestehenden Staatsgrenzen gebaut. Ohne nun näher auf einzelne Energieformen einzugehen, will ich hier nur darauf hinweisen, dass die Förderung von Solarenergie, Windkraft und Biowasserstoff nicht nur Auswirkungen auf den CO2 Ausstoß hat, sondern zugleich eine zivilgesellschaftliche Veränderung hin zu kleinräumigen und dezentralen Strukturen ermöglicht.

Lenin hat einmal gesagt, der Sozialismus in der Sowjetunion bedeute die Diktatur des Proletariats und die Elektrifizierung auf dem Lande. Er hat also auf die Rückständigkeit in der Infrastruktur großer Teile des damaligen Riesenreiches hingewiesen. Neu an den Herausforderungen des 21.Jahrhunderts ist aber, dass die Stromversorgung eines abgelegenen Dorfs im Amazonasgebiet oder in Burkina Faso heute nicht mehr über die landesweite Einrichtung von Stromleitungen erfolgen muss: Solarzellen tun es auch! Es geht also hier nicht nur um technologische, sondern auch um soziale und politische Veränderung.

Ich komme zurück zum Thema Macht und Ohnmacht des einzelnen. Natürlich wäre es abwegig, von einem neuen Institut mit begrenzten Kräften mehr als einen seinerseits begrenzten Beitrag zu erwarten. Einen solchen begrenzten Beitrag aber möchte das neue Institut für Sozialstrategie allerdings sehr wohl leisten.

„SOZIALSTRATEGIE“ ALS SUCHE NACH EINER STRATEGIE ZUR HUMANEN GESTALTUNG DER GLOBALEN ZIVILGESELLSCHAFT

Der bisher meines Wissens noch nicht verwendete Begriff der Sozialstrategie verweist in der Quintessenz auf die genannten Herausforderungen der globalisierten Zivilgesellschaft. Zum einen stehen wir vor einer gigantischen, aber notwendigen Gestaltungsaufgabe. Eine solche Gestaltung bedarf der vorgängigen Reflexion, aber auch der strategischen Handlungsorientierung. Der Begriff der Strategie hat ja zum Inhalt, dass unter Abwägen von Vor- und Nachteilen ein zu erreichendes Ziel definiert und dann im Sinn eines Masterplans Schritt für Schritt umgesetzt wird.

Dies mag im politischen und zivilgesellschaftlichen Raum schwierig sein. Gleichwohl gehört es zu den unbestreitbaren Vorteilen einer gut ausgearbeiteten Strategie, dass sie Handlungsorientierung und Praxiskriterien an die Hand gibt, die die konkreten Herausforderungen des Alltags zu beurteilen und zu gewichten hilft. Gerade die Frage nach politischen Prioritäten und verfügbaren Handlungsoptionen ist allerdings entscheidend, wenn wir im Blick auf das globale Ganze die Zukunft gewinnen wollen.

Voraussetzung für diese Überlegung ist zum einen der Gedanke, dass die Gestaltung der globalisierten Zivilgesellschaft von strategischen Überlegungen Nutzen ziehen kann. Auf der anderen Seite bleibt die realistische Einsicht, dass nicht die Gedanken eines einzelnen Instituts eins zu eins in politische Realität umgesetzt werden können, sondern dass es eine große Aufgabe bleibt, im Hin und Her der gesellschaftlichen Meinungen und der politischen Kräfte den best möglichen Weg zu finden. Zu diesem beizutragen ist allerdings schon Herausforderung genug!

Wie aus diesen Überlegungen hervorgeht, ist der Begriff des „Sozialen“ in der Namensgebung für das neue Institut weit gefasst. Er greift auf das Ganze der Gesellschaft aus, und dies nicht nur im einzelstaatlichen Rahmen, sondern unter den beschriebenen Bedingungen der globalen Zivilgesellschaft. Eine spezielle Perspektive zeigt hierbei der Gedanke auf, dass auch Unternehmen als Teil der globalen Zivilgesellschaft anzusehen sind. Zu ihrer Strategie und zu ihrem Verhalten gehört es also auch, dass sie anfangen, sich selbst als zivilgesellschaftliche Akteure zu begreifen.

Darüber hinaus setzte das in Rio de Janeiro in den 90er Jahren formulierte Programm der „Agenda 21“ im Ausgriff auf globale Zusammenhänge ähnliche Impulse.

ARBEITSAUFGABEN DES NEUEN „INSTITUTS FÜR SOZIALSTRATEGIE”

Wenn sich das Institut für Sozialstrategie der Herausforderung stellt, zur die Gestaltung der globalisierten Zivilgesellschaft beizutragen, so ist gleichwohl die Frage von Bedeutung, wie sich ein solches Institut aufstellt, welche Organisationsform es wählt und welches konkrete Arbeitsprogramm es sich vornimmt.

Aus diesem Grund möchte ich nun etwas näher auf die Vorgeschichte und die Grundinspiration des Instituts eingehen. Ich spreche dabei aus der Perspektive des Gründers.

Zur weiteren Vorgeschichte gehört mein lebenslanges Interesse an dem, was man in den 70er Jahren die „Ethische Bewältigung des technischen Fortschritts“ nennen konnte. Daraus wurde in der Zwischenzeit – mit signifikanten Differenzierungen- die Gestaltung der globalen Zivilgesellschaft.

Es gibt zwei konkrete Anstöße für die Gründung des Instituts. Zum einen gehörte zu den besonderen Erfahrungen, die ich als gewählter, aber nicht ernannter Präsident der Katholischen Universität Eichstätt 2008 machen durfte, die Erarbeitung einer Strategie für jene Universität, die in einer Reihe von Inspirationen mündete, deren Hinkunft fraglich war. Zum anderen traf ich auf der Tagung „60 Jahre Soziale Marktwirtschaft“ auf Prof. Dr. Nikolaus Knoepffler, der das Ethikzentrum im Rahmen des Bereichs„ Ethik in den Wissenschaften“ an der Universität Jena leitet. Ich stellte ihm das Konzept vor, und wir beschlossen, miteinander zu kooperieren. Ich freue mich daher besonders, wenn wir nun, im Februar 2009, unsere Pläne in die Tat umsetzen konnten und einen unterschriebenen Kooperationsvertrag vor uns haben.

Zur grundlegenden Intuition des Instituts gehört es, soziale Innovation, soziale Gerechtigkeit, aber auch die ökosoziale Marktwirtschaft auf globaler Grundlage zu reflektieren. Das Institut für Sozialstrategie soll idealer Weise als unabhängiger Think Tank und als konzeptionelles Magnetfeld rund um das Thema „globalisierte Zivilgesellschaft“ dienen. Zu bearbeitende Themenfelder sind dabei etwa – ohne Anspruch auf Vollständigkeit- die Bildung und Bildungspolitik, die Angewandte Ethik inkl. Wirtschaftsethik und Politikfolgen-Abschätzung, ferner auch die Frage nach Religionen und Religiosität im 21.Jahrhundert bis hin zu einer politischen Ethik der Religionen in der demokratischen Gesellschaft. Die grundlegende Inspiration ist dabei die Achtung vor dem Weg der Freiheit und die Suche nach der praktischen Umsetzung von Achtung, Wertschätzung und Menschenwürde. Das Leitbild besteht darin, auf der Grundlage einer christlich inspirierten, aber dialogoffenen Kultur, zur bewussten Partizipation an der globalen Zivilgesellschaft beizutragen und diese nicht nur als Schicksal hinzunehmen, sondern als Chance zu begreifen.

Aus dem gleichen Grund geht das Institut in seinen Interaktionen über das Feld der akademischen Wissenschaft hinaus und öffnet sich für die Bereiche der Öffentlichkeit, der Politik und der Wirtschaft. Dies ist konsistent zur Überlegung, dass die Öffnung zur Zivilgesellschaft nötig ist, wenn diese zum Gegenstand von Reflexionen und Handlungen wird. Gemeint ist damit ein Austausch auch über Grenzen hinweg, gemeint ist der Vorrang für das Gespräch, für das gute Argument und für den Austausch der „besten Köpfe“, gleich welcher Provenienz.

Die Anschubfinanzierung des Instituts wird über meine wirtschaftliche Tätigkeit privat getragen. Angestrebt wird aber eine Förderstiftung, die dauerhafte Unterstützung leistet. Herr Ralph Sandstedt wird uns hier tatkräftig unterstützen. Wenn Sie das Institut finanziell unterstützen wollen, so können Sie dies auch hier und heute tun – aber nur, wenn Sie wollen!

Bereits jetzt kooperiert das Institut mit dem Forschungsinstitut für Philosophie in Hannover, der Umwelt-Akademie in München und der Galerie „Magnificat“ in Berlin, deren Anliegen „Mit den Augen der Anderen“ zu sehen, hervorragend in die zivilgesellschaftliche Strategie des Instituts passt. Herr Peter Echtermeyer, der heute hier ist, kann dazu Auskunft geben. Die Schwerpunkte der Galerie „Magnificat“, nämlich die Bereiche „Religion und Spiritualität“, „Wirtschaft“ sowie „Gefangene und Minderheiten“, sind durchaus mit dem Institut für Sozialstrategie verknüpft, so dass wir uns hier eine fruchtbare Zusammenarbeit erhoffen.

Gehen wir auf die konkreten Jahresziele 2009 ein. Das „Institut für Sozialstrategie“ wird ein jährliches interdisziplinäres Symposium organisieren, das in Laichingen veranstaltet werden soll. Für das Jahr 2009 ist hierfür das Thema „Gefühlte Menschenwürde“ geplant. Leitend ist dabei der Gedanke, dass Menschen Wertschätzung brauchen, um gut und produktiv leben zu können. Das Thema „Gefühlte Menschenwürde“ spiegelt zum einen die verbreitete Ohnmacht unserer Mitmenschen, die das Vertrauen in die Vernunft übergeordneter Entscheidungen zu verlieren drohen. Zum anderen wählt es eine Perspektive, die nicht das juristische Konstrukt der Menschenrechte, sondern deren Hinwendung zum Subjekt thematisiert: Wie komme ich eigentlich dazu, mich selbst als Träger von Menschenrechten und Menschenwürde zu empfinden? Wie „erlebe“ ich Menschenwürde? Wie hängt eine Kultur der Wertschätzung – oder des Mangels an Wertschätzung- mit der Thematik „Menschenwürde“ zusammen? Das Symposium wird Wissenschaftler und Praktiker zusammen bringen, damit unterschiedliche Perspektiven zur Sprache gebracht werden können.

Schließlich gehören zum Arbeitsprogramm der Stiftung auch Veröffentlichungen, Gespräche und öffentliche Impulse. Bereits für 2009 wird ein Buch von Ulrich Hemel zum Thema „Bildung: Aufgabe des Staates oder der Bürgergesellschaft?“ (Berlin 2009) vorgelegt. Zu den Grundthesen darin gehört es, dass der Staat stärker in die Rolle des Regisseurs, nicht so sehr des Trägers von Schul- und Bildungsaufgaben hineinwachsen sollte. Dabei wird es vorrangig auf die Formulierung von Kriterien einer guten Schule ankommen, und hierzu gehört nicht nur die akademische Leistung, sondern beispielsweise auch die soziale Integrationsleistung. Um die Familien in die Lage zu versetzen, sich in Bildungsfragen aktiv einzubringen, wird der Vorschlag des „Bildungssparens“ vorgebracht. Es funktioniert wie das Bausparen, nur würde der Staat auf einen Höchstbetrag von etwa jährlich 1200 Euro keine Bausparprämie, sondern eine „Bildungsprämie“ in Höhe von 120 Euro zahlen. Mit einem Aufwand von rund einer Milliarde Euro könnten hier erhebliche Mittel in das Bildungssystem fließen. Um auch finanziell benachteiligte Gruppen zu ermutigen, könnte es darüber hinaus kommunale Bildungsfonds geben, die zivilgesellschaftlich organisiert würden. Voraussetzung ist natürlich die steuerliche Absetzbarkeit von Einzahlungen in einen solchen Bildungsfonds.

In den Arbeits- und Sozialformen hält sich das Institut offen für vielfältige Kooperationen, immer auf der Grundlage anerkannter Professionalität der Akteure. In diesem Zusammenhang ist u.a. ein Beirat geplant, an dem die Professoren Dr. Hans-Ferdinand Angel (Graz) und Dr. Nikolaus Knoepffler (Jena) mitwirken werden. Im Vordergrund stehen dabei Akzente wie die Förderung kooperativer Verfahren in Wirtschaft und Gesellschaft, die gleichzeitig einem integrativen „Multilateralismus“ der Perspektiven verpflichtet ist.

Was das Institut letztlich bewirkt, steht – wie alles Zukünftige- in den Sternen. Ich bin davon überzeugt, dass es – ähnlich wie eine lokale Agenda 21- gesellschaftliche Impulse setzen kann, die der humanen Fortentwicklung der globalen Zivilgesellschaft zu gute kommen werden und die ein Zeichen gegen die galoppierende Erosion des Vertrauens in der gegenwärtigen Wirtschafts- und Finanzkrise setzen. Denn immer noch gilt: Nur wer einen Baum pflanzt, kann sich der Hoffnung hingeben, dass er dereinst Früchte ernten kann.

In diesem Sinn stellt das Institut für Sozialstrategie einen Beitrag zur Ausgestaltung eines friedlichen und solidarischen Zusammenlebens in der Welt des 21.Jahrhunderts dar. Es würde mich sehr freuen, wenn Sie alle das Institut im Sinn eines Brückenschlages zwischen Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Öffentlichkeit freundlich begleiten und auf die eine oder andere Art unterstützen könnten!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Ulrich Hemel, Laichingen/Jena, im Februar 2009

LITERATUR

Der Fischer Weltalmanach 2009, Frankfurt/M. 2008

P. Jehle, Zivil; Zivilgesellschaft, in Historisches Wörterbuch der Philosophie, in: J. Ritter, K. Gründer und G. Gabriel (Hrsg.), Bd.12, Darmstadt 2004, Sp. 1357-1362

U. Hemel, Spuren der Zukunft- Netzwerke und Schwärme, in: H .K.Stahl/F.von den Eichen (Hrsg.), Vernetzte Unternehmen, Berlin 2005, S.395-410.

U. Hemel, Wert und Werte, Ethik für Manager, 2. erw. Auflage München 2007

U. Hemel, Wertschöpfung durch Wertschätzung, Werteorientierte Unternehmensführung in der Praxis, in: OrganisationsEntwicklung 2008, H.4, 30-37

U. Hemel, Bildung: Aufgabe des Staates oder der Bürgergesellschaft, Kleine Reihe Bd.78 der Walter-Raymond-Stiftung, Berlin 2009

Ch. Starck (Hrsg.), Kann es heute noch „gerechte Kriege“ geben? Göttingen 2008

M.Walzer (Hrsg.), Toward a global civil society, Providence/Oxford 1995

Das könnte dich auch interessieren …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert