Unabhängige und fachliche Kompetenz

Erzbistum

Abstract [de]: Zur Finanzausicht und Ausgabenkontrolle sieht das Kirchenrecht mit einem unabhängigen Diözesanverwaltungsrat und Ökonom Instrumente vor. Diese Positionen werden aber oft entgegen der Intention des Kirchenrechts mit Personen besetzt, die selbst in der Bistumsverwaltung tätig sind. Damit die Aussicht wirksam ist und Schutz vor Finanzkrisen besteht, müssen Personen außerhalb der Bistumsverwaltung eingebunden werden, vorzugsweise Gläubige mit wirtschaftlicher Kompetenz.


September 2012

Unabhängige und fachliche Kompetenz

Möglichkeiten effektiver Finanzaufsicht in der Kirche

Über den Reichtum der katholischen Kirche wird in der Öffentlichkeit viel spekuliert. Aber viele Zahlen, die aus kirchenkritischer Ecke in den Raum geworfen werden, sind als deutlich übertrieben zu betrachten sind, weil zum Beispiel der Kölner Dom trotz hoher Herstellungskosten schwerlich zu verkaufen ist. Es bleibt dennoch festzuhalten, dass die deutschen Diözesen über erhebliche Finanzmittel verfügen, mit der pastorale Arbeit ermöglicht wird. Allein das Erzbistum Köln hat einen Jahreshaushalt von mehr als 900 Mio. Euro, größtenteils bestritten durch Kirchensteuermittel. Von den ökonomischen Dimensionen her ist Köln nicht das einzige Bistum in Deutschland, welches mit einem Großunternehmen vergleichbar ist.

Nicht vergleichbar sind aber die finanziellen Aufsichtsstrukturen eines Bistums und einer großen Aktiengesellschaft. Als kirchliche Körperschaft öffentlichen Rechts unterliegt ein Bistum aufgrund des verfassungsrechtlich gewährten Selbstbestimmungsrechts weder einer gesetzlichen Rechnungslegungspflicht, noch einer externen Aufsicht. Das Kirchenrecht bestimmt die Aufsichtsfunktionen und schreibt entsprechende Kontrollgremien vor. Ein genauerer Blick darauf zeigt aber, dass die Wirksamkeit dieser Aufsicht nicht annähernd an die von vergleichbaren Instanzen in öffentlich handelbaren Aktiengesellschaften heranreicht.

Entscheidendes Kennzeichen diözesaner Finanz- und Vermögensverwaltung ist die Trennung zwischen dem zum Großteil kirchensteuerfinanzierten Bistumshaushalt und dem Bischöflichem Stuhl, dem die maßgeblichen Teile des Diözesanvermögens zugeordnet werden. Der Bistumshaushalt wird im Allgemeinen veröffentlicht, seine Aufstellung wird vom Kirchensteuerrat festgesetzt.

Einen genauen Einblick in das diözesane Vermögen, welches im Bischöflichen Stuhl geführt wird, bekommen diese Vertreter aber meist nicht. Obwohl beide Bereiche für die Finanzierung des kirchlichen Wirkens maßgeblich sind, werden sie separat voneinander geführt. Der Bischof ist über die Vermögenswerte im Bischöflichen Stuhl gegenüber der Allgemeinheit nicht rechenschaftspflichtig, auch dem Kirchensteuerrat gegenüber nicht, der zum großen Teil aus Ehrenamtlichen aus Pfarreien und Verbänden gebildet wird.

Hier versucht das Kirchenrecht eine Aufsicht über das Vermögen und damit den rechten Gebrauch der Kirchenmittel sicherzustellen, indem es entsprechenden Vorschriften macht. Die kirchlichen Vermögenswerte sind laut Kirchenrecht zweckgebunden für „die geordnete Durchführung des Gottesdienstes, die Sicherstellung des angemessenen Unterhalts des Klerus und anderer Kirchenbediensteter, die Ausübung der Werke des Apostolats und der Caritas, vor allem gegenüber den Armen“ (CIC Can. 1254 § 2). 

Grundsätzlich begrenzt wird die Möglichkeit der Kontrolle durch die Tatsache, dass der Diözesanbischof nicht nur oberster Vertreter der Vermögensverwaltung ist, sondern er auch die Kontrolle darüber verantwortet (CIC Can. 1276). Eine strikte personelle Trennung zwischen Verwaltung/Management und Aufsicht/Kontrolle wie es zum Beispiel in Aktiengesellschaften durch die überschneidungsfreien Gremien des Konzernvorstandes und des Aufsichtsrates gegeben ist, liegt somit nicht vor. Trotzdem ist laut Kirchenrecht in jeder Diözese ein Diözesanvermögensverwaltungsrat (DVVR) einzurichten, der gegenüber dem Bischof die Rechtsaufsicht wahrnimmt. Damit diese Aufsicht wirksam sein kann, müssten die Mitglieder im DVVR unabhängig sein und dürfen nicht aktiv im diözesanen Verwaltungshandeln eingebunden werden. Gerhard Etzel stellt fest: „Die Abteilungsleiterkonferenz in der Diözesankurie ist streng vom Vermögensrat zu unterscheiden“(S. 254). Nur so könne einen Trennung von Leitungs- und Kontrollorgan erreicht werden.

Trotz dieser klaren kirchenrechtlichen Vorgaben ernennt der Diözesanbischof in etlichen deutschen Bistümern ausschließlich Leitungspersonen der Bistumsverwaltung zu Mitgliedern des DVVR. Als Beispiel sei das Erzbistum Köln angeführt, wo der DVVR ausschließlich aus der Riege der Hauptabteilungsleiter unter Vorsitz des Generalvikars gebildet wird. Unabhängige Kontrolle ist hier nur begrenzt möglich, weil die Handelnden sich selbst beaufsichtigen.

Das Kirchenrecht ermöglicht mit der Ernennung des Bistumsökonoms einen Mechanismus, um nachhaltige Haushaltspolitik sicherzustellen. Die Aufgabe des Ökonoms ist es, „gemäß dem vom Vermögensverwaltungsrat festgelegten Haushaltsplan das Diözesanvermögen unter der Autorität des Bischofs zu verwalten und aus den festgesetzten Einnahmen der Diözese die Ausgaben zu tätigen, die der Bischof oder andere von ihm dazu Beauftragte rechtmäßig angeordnet haben“ (CIC Can. 494 § 3). Konkret heißt dieses, dass der Ökonom für eine Haushaltsdisziplin sorgt und die Leitung eines Bistums dahingehend überwachen muss, dass die tatsächlichen Ausgaben nicht höher sind, als vorab im Haushaltsplan verabschiedet. Dafür muss er unabhängig sein, vor allem aber nicht selbst in für die Ausgaben verantwortlich sein. Für Georg Bier entspreche es „ohne Zweifel nicht der Intention des Gesetzgebers und dem Zweck der gesetzlichen Anordnung, wenn dem Generalvikar das Amt des Ökonomen übertragen würde“ (S. 494/6). 

Das Erzbistum Köln ist bei weitem nicht das einzige deutsche Bistum, in welchem der Generalvikar in Personalunion auch Ökonom ist und die Haushaltsdisziplin der ihm weisungsbefugten Hauptabteilungsleiter überwachen soll. Die kirchenrechtlich beabsichtigte Aufsichtsfunktion des Ökonoms gegenüber der Bischöflichen Kurie ist somit quasi außer Kraft gesetzt. 

Die bewusste Verhinderung einer kirchlichen Finanzaufsicht muss kein Problem sein: Im Erzbistum Köln wird seit Jahrzehnten sehr solide gewirtschaftet und die Verantwortlichen verfügen über hohen Sachverstand, die nötige Weitsicht und das richtige Risikobewusstsein. So wie man jahrelang ohne lästigen Sicherheitsgurt im Auto zum Ziel gelangen kann, sind auch finanzielle Kontrollmaßnahmen in mancher Augen bei guter und klar prognostizierbarer Finanzlage verzichtbar. 

Großen Aktiengesellschaften verbietet aber der Gesetzgeber, die Finanzaufsicht als „verzichtbar“ einzustufen und im Interesse der Aktienbesitzer und Arbeitnehmer liegt es, dass die Nachhaltigkeit des wirtschaftlichen Handels regelmäßig geprüft wird: Intern durch einen Aufsichtsrat, extern durch Wirtschaftsprüfer. Der Corporate Governance Codex in Deutschland sieht klare Regeln vor, wie Macht und Einfluss in einem Unternehmen verteilt sein dürfen und welche Kontrollinstanzen nötig sind. Es gab in der Vergangenheit etliche Beispiel, wo der Verzicht auf Kontrolle fatal war.

Ähnlich fatal war der Verzicht auf eine wirksame Finanzaufsicht im Erzbistum Berlin, welches im Jahr 2002 nur mit größten Sparanstrengungen und Notkrediten anderer Diözesen vor dem Bankrott gerettet werden konnte. Trotzdem mussten aber 440 Kündigungen ausgesprochen und die Zahl der Pfarreien halbiert werden. Der wesentliche Grund für die schmerzhaften Folgen der Sanierung war die Tatsache, dass über Jahre deutlich mehr Geld ausgegeben als eingenommen wurde und das Erzbistum vor einer Schuldenlast von 148 Mio. Euro stand. Es gelang in den Jahren vor der Sanierung nicht, die Ausgaben einzuschränken. Der ehemalige Generalvikar Peter Wehr stellt rückblickend fest: „Die sehr schmerzlichen und spektakulären Einschnitte wären in dieser Form nicht nötig gewesen, wenn die Verantwortungsträger im Erzbistum in den 1990er Jahren entsprechende Entscheidungen getroffen hätten“ (vgl. die Interviewzitate in Suermann, Kap. 7.4). Und da es keine wirkungsvollen, unabhängigen und konsequenten Aufsichts- und Kontrollgremien gegeben hatte, musste er „den Eindruck gewinnen, dass wirksame Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung in dem Gefüge des Erzbistums nicht diskutierbar und durchsetzbar waren“ (vgl. ebd.) 

Nach der Finanzkrise, so Peter Wehr, hat das Erzbistum „die finanztechnische Steuerung neu geordnet, bspw. wurde für den Diözesanverwaltungsrat eine neue Satzung verabschiedet. Diese Maßnahmen sollten nachhaltig sicherstellen, dass solch eine schwierige finanzielle Situation nicht mehr eintreten kann“ (vgl. ebd., Kap 8.12.5). Diese Satzungsänderung besagt Folgendes: „Die Mehrheit der Mitglieder des DVR ist vom Diözesanrat, vom Pastoralrat, von der Dekanekonferenz und von der Vertretung der Kirchengemeinden gewählt. Zu den vier Gewählten können bis zu drei weitere Mitglieder vom Erzbischof ernannt werden. Alle Mitglieder müssen in wirtschaftlichen und rechtlichen Dingen erfahren sein.“

Zum einen wurde darauf geachtet, dass die Mehrheit der Mitglieder von Gremien bestimmt werden, die außerhalb der bischöflichen Kurie stehen und somit unabhängiger ihrer Aufgabe nachkommen können, zum anderen wird eine entsprechende Fachkompetenz eingefordert. Um die Transparenz in finanziellen Dingen weiter zu erhöhen, veröffentlicht das Erzbistum Berlin als eines von zwei der 27 deutschen Diözesen die Vermögenshöhe des Erzbischöflichen Stuhls. 

Bei der Benennung des Ökonoms wäre es ebenso möglich, unabhängigere Personen zu wählen, um die Aufsicht zu stärken. Ein Ökonom muss Vollzeit in der Bistumsverwaltung arbeiten, um dort das Tagesgeschäft zu begleiten; zu groß sind die Finanzvolumina und zu umfangreich die Tätigkeit. Gleichzeitig dürfte er aber kein weisungsgebundener Mitarbeiter des Generalvikars sein, denn dann wäre es nicht unabhängig genug im Handeln. Es dürfte nur dem Bischof unterstellt sein, von dem er ernannt wurde und nur von dem er laut Kirchenrecht abgesetzt werden könnte. 

Diese im kirchlichen Verwaltungskontext ungewöhnliche Stellenkonzeption hat Parallelen zum Amt des Richters: Auch dieser ist nur dem Gesetz und dem Gewissen verpflichtet und hat keinen direkten Dienstvorgesetzten (vgl. GG Art. 97 Abs. 1 und § 26 Abs. 1 Dt. Richtergesetz). In dieser Rolleneinbindung könnte ein Ökonom seinen Auftrag, die Haushaltsplanungen zu überwachen, sehr wirkungsvoll nachkommen.

Aufsichts- und Kontrollstrukturen sind anstrengend: Sie verlangsamen Prozesse, erhöhen den Abstimmungsbedarf und sind gerade bei Leitungspersonen deswegen unbeliebt, weil Sie die eigenen Entscheidungsmöglichkeiten einschränken. Das gilt für die freie Wirtschaft genauso wie für kirchliche Institutionen. Aber bei allem Gottvertrauen gilt: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Und diese Kontrolle führt zu einer höheren Sicherheit, weil sie dazu zwingt, Entscheidungen tiefer zu durchdenken und weil sie Selbstüberschätzung vorbeugt. Dazu bringt die Einbindung von unabhängigen Aussichtsgremien den Vorteil mit sich, dass die Last der Entscheidungen auf die Schultern vieler verteilt wird. 

Während Diskussionen, in wie weit Nichtpriester in der Kirche Verantwortung übernehmen können und welche Entscheidungsgewalt das Amt hat, oft fokussiert auf die Frage der Gemeindeleitung, dem Gottesdienstvorsitz oder dogmatischen Verbindlichkeiten stark ekklesiologisch geführt werden, ist die Finanz- und Vermögensaufsicht ein Bereich, der weniger im öffentlichen Interesse zu stehen scheint.

Unverständlicherweise verzichten etliche Bischöfe in ihren Finanzgremien auf die breite Einbindung von Gläubigen, durch ihren beruflichen Hintergrund viel wirtschaftliche Erfahrung mitbringen und unabhängig von der bischöflichen Verwaltung ihre entsprechenden Aufgaben wahrnehmen können. Gerade in diesem Bereich ist eine stärkere Einbindung der kirchlichen Zivilgesellschaft in maßgebliche kirchliche Entscheidungen nicht nur möglich, sondern auch überaus empfehlenswert.

LITERATUR

Bier, Georg: Kommentar zu can. 494. In: Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici.

Etzel, Günter: Der Diözesanvermögensverwaltungsrat. Würzburg 1994.

Suermann, Thomas: Die Weisen aus dem Wirtschaftsland? Analyse der Zusammenarbeit von katholischen Diözesen und externen betriebswirtschaftlichen Strategieberatungen. Münster 2012.


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