Innovationsmanagement für Wohlfahrtsverbände

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Abstract [de]:

Wohlfahrtsverbände sind gewichtige Träger des deutschen Sozialsystems. Um ihre Innovationsfähigkeit zu erhöhen, werden Erkenntnisse aus der Innovationsforschung auf diesen Organisationstyp übertragen. Eine zentrale Rolle spielt hierbei die Möglichkeit, Social Entrepreneurship in den Strukturen zu verankern. Grundlage dieser Überlegungen ist unter anderem eine Analyse des Umgangs der katholischen Kirche mit Innovationen und den dort zu beobachtenden organisationsspezifischen Innovationshindernissen.

 

November 2012

Innovationsmanagement für Wohlfahrtsverbände

Auf dem Weg zu neuen Strukturen

 

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Inhaltsverzeichnis:

1       Einleitung

2       Kirche als Sozialorganisation

3       Bedeutung von Innovationen für die Kirche

4       Grundlagen der Innovationsforschung

5       Förderung von kirchlichen Innovationen

6       Erkenntnisse für Wohlfahrtsverbände

7       Fazit

 

 

1       Einleitung

Wohlfahrtsverbände sind gewichtige Träger des deutschen Sozialsystems. Um ihre Innovationsfähigkeit zu erhöhen, werden Erkenntnisse aus der Innovationsforschung auf diesen Organisationstyp übertragen. Eine zentrale Rolle spielt hierbei die Möglichkeit, Social Entrepreneurship in den Strukturen zu verankern. Grundlage dieser Überlegungen ist unter anderem eine Analyse des Umgangs der katholischen Kirche mit Innovationen und den dort zu beobachtenden organisationsspezifischen Innovationshindernissen.

Nach einer detaillierten Untersuchung kirchlicher Innovationsförderung werden die dortigen Erkenntnisse auf die Situation von Wohlfahrtsverbänden übertragen. Aufbauend auf Grundlagen der Innovationsforschung werden dann Faktoren vorgestellt, die die zukünftige Innovationsfähigkeit erhöhen können.

 

2       Kirche als Sozialorganisation

Die katholische Kirche in Deutschland ist eine Sozialorganisation, die soziale und personenbezogene Dienstleistungen anbietet. Auch wenn es nicht ihr ganzes Selbstverständnis widerspiegelt, kann man die Kirche bei der Betrachtung von Innovationen als eine Sozialorganisation auffassen – gewiss mit den speziellen Eigenschaften einer Religionsgemeinschaft.

Die Unterschiede, die im Eigenanspruch zwischen einem privatwirtschaftlichen Unternehmen und der Kirche bestehen, sind deutlich größer als die zwischen einem Wirtschaftsunternehmen und einem Wohlfahrtsverband, denn genau die Abgrenzungsmarkmale einer solchen Sozialorganisation finden sich in stärkerer Ausprägung bei der Kirche wieder: Die Arbeit mit und für den Menschen, die eigenen ethischen Ansprüche, die traditionell geringe Konkurrenz im direkten Marktumfeld und die staatliche bzw. kirchensteuerbedingte Finanzierung. Die Nähe zeigt sich auch dadurch, dass die Caritas zwar organisatorisch eigenständig , aber dennoch Teil der katholischen Kirche ist. Eine Betrachtung der Kirche kann somit Erkenntnisse liefern, die angepasst auch für Wohlfahrtsverbände nutzbar gemacht werden können.

 

3       Bedeutung von Innovationen für die Kirche

„Innovativ“ ist eine Eigenschaft, mit der die katholische Kirche gemeinhin nur sehr selten in Verbindung gebracht wird. Die Skepsis gegenüber Innovationen hat auch ihre Gründe:

  • Mit dem Ziel, bereits offenbarte Wahrheiten weiterzutragen, wird Veränderung in die Nähe von Verfälschung gesetzt.
  • Mit der Überzeugung, Abstand von der weltlichen Welt zu halten zu wollen, werden fremde Impulse schnell zu Eintrübungen in der Botschaft.
  • Mit dem Eindruck, gerade dadurch innovativ zu sein, indem man bewusst uninnovativ ist, nennt man diesen Weg auch noch strategisch.

Aber Innovationen können auch bereichern: In den achtziger Jahren entstand das „Neue geistliche Liedgut“, ein neues Genre von Liedern für den Gottesdienst, welches für vielen Menschen die Begegnung mit Gott stärkte. (Bezeichnend ist, dass dieses Liedgut auch heute, im Jahr 2012,  immer noch als „neu“ betitelt wird.)

Dem heiligen Thomas Morus wird folgendes Zitat zugeschrieben: „Tradition ist nicht das Halten der Asche, sondern das Weitergeben der Flamme.“ Und ausbleibende Innovationen führen zu fundamentalen Problemen:

  • Wird das kirchliche Wirken so stark auftragsorientiert wahrgenommen, dass die Gestalt pastoraler Arbeit universal und zeitlos vordefiniert ist, geraten die Bedürfnisse der Menschen in den Hintergrund. „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute“, was Gaudium et spes im Zweiten Vatikanischen Konzil als zentral ansieht, bleibt außen vor.
  • Ohne Innovationen kann das auf der Überlieferung basierende kirchliche Wirken nicht auf die Situation der Menschen angepasst werden. Eine Inkulturation ist nicht möglich, Theologie verliert ihre Relevanz für den konkreten Menschen in seiner individuellen Situation.
  • Die Kirche hat nicht die finanziellen Mittel, sich den Verzicht auf Innovationen leisten zu können. Orientiert sie die Ausrichtung ihrer Dienste nicht über innovative Wege an den Bedürfnissen der Menschen, kommt die Abstimmung mit den Füßen und dem Kirchenaustritt folgen ausbleibende Kirchensteuereinnahmen.
  • Ohne den Willen zu Innovationen bleiben die bestehenden Spektren an Diensten so , wie sie sind und werden in ihrer Ausgestaltung nicht hinterfragt. Es kommt zusätzlich zu einer Bürokratisierung der Organisation, bei der der ökonomischen Theorie der Bürokratie folgend automatisch immer mehr Verwaltungsaufwand gesehen wird und anfällt, sodass das eigentliche Wirken mit und für den Menschen schleichend in den Hintergrund gerät.
  • Ausbleibende Innovationen wecken den Eindruck von Starre und Unbeweglichkeit. Das führt dazu, dass Engagement in der Kirche für Außenstehende und junge Menschen unattraktiv sein kann. Das zentrale missionarische Element von Kirche kommt nicht zur Geltung.

Es wäre folglich fahrlässig, Innovationen allgemein einer bestimmten Grundüberzeugung zuzuordnen, die mit der Kirche nicht vereinbare wäre.

Eine unreflektierte Übernahme des Innovationsbegriffs in der Pastoral ist dennoch kritisch zu betrachten. Um dem vorzubeugen, ist vorerst zu definieren, was mit Innovationen in der Pastoral überhaupt erreicht werden soll: Sind vollere Kirchen schon ein hinreichendes Ziel? Kann die reine Ausrichtung an den Bedürfnissen der Menschen der Botschaft des Evangeliums gerecht werden?

Ohne an dieser Stelle eine ausführliche theologische Grundsatzdiskussion zu führen, sei an das Wort „Der Weg der Kirche ist der Mensch“ aus der Enzyklika „Redemptor Hominis“ von Johannes Paul II. erinnert. Das Wohl des Menschen steht im Mittelpunkt. Wo kirchliche Dienste es schaffen, dieses langfristig herbeizuführen, werden sie ihrem theologischen Anspruch gerecht.[1] Das ist eine klare Parallele im der Zieldefinition mit anderen sozial engagierten Organisationen.

 

4       Grundlagen der Innovationsforschung

Die Innovationsforschung kennt verschiedene Ansätze, wie Innovationen gefördert werden können. Ein klassischer Ansatz stammt vom Managementforscher Peter Drucker.[2] Ein Erfolgsfaktor für die Unterstützung von Innovationen ist demnach die gezielte, systematische Analyse der Möglichkeiten. Außerdem muss die Eigenart von Innovationen beachtet werden: „Innovation is both conceptual and perceptual. The second imperative of innovation is thereforre to go out to look, to ask, to listen. This cannot be stressed too often. Successful innovators use both the right side and the left side of their brains. They look at figures, and they look at people.”[3]

Ein weiteres Kriterium erfolgversprechender Innovationen ist deren Einfachheit: “All effective innovations are breathtakingly simple. […] Even the innovation that creates new uses and new markets should be directed toward a specific, clear designed application.”[4]

Dazu kommt die Tatsache, dass für Peter Drucker alle Innovationen im Kleinen beginnen und erst langsam ihre Wirkmächtigkeit zeigen: „Grandiose ideas, plans that aim at ‚revolutionizing an industry‘, are unlikely to work.“[5] Auf das Hervorbringen  von Innovationen hat die Leitung einer Organisation für ihn einen großen Einfluss, nicht in dem Verständnis, dass dort die Ideen entwickelt werden, sondern dass sowohl Freiräume, als auch Leitlinien definiert werden, innerhalb derer Neues aktiv entstehen kann. Innovationen bedeuten Arbeit, sie fallen nicht vom Himmel und es ist nötig, sich klar seiner Stärken bewusst zu sein: Die aufgebrachte Energie muss richtig eingesetzt werden.

 

5       Förderung von kirchlichen Innovationen

Naturgegeben sind die Möglichkeiten zur Veränderung des kirchlichen Angebots an Diensten begrenzt. Die Kirche ist, so Kardinal Marx aus München, „keine Wurstfabrik, die ein neues Label druckt, Marketingunternehmen bestellt und sagt, jetzt wollen wir mal wieder“[6]. Aber trotzdem wurde die Ausgestaltung der kirchlichen Dienste im Laufe der Zeit immer wieder den Nöten und Bedürfnissen der Menschen angepasst. Der Spielraum an Möglichkeiten, der Nachfolge Christi gerecht zu werden, ist größer als mancher denkt.

Um eine Kultur zu stärken, die Innovationen aktiv fördert, müssten die stark hierarchischen und zentralistischen Strukturen der Kirche aufgelockert werden. Die stark vertikale Verfasstheit der katholischen Kirche in Deutschland müsste zugunsten einer offeneren Organisationsstruktur verändert werden. Viele Ideen, die „unten“ entstehen, kommen „oben“ nicht an. Der Mut, pastorale Dienste komplett neu zu denken und sich nicht zwanghaft an Traditionen festzuhalten, sollte aktiv gefördert werden.[7]

Personen, die Einsatz und Veränderungswillen zeigen, sollten unterstützt werden, Ihnen sollte man in der Leitungsebene ein Vorbild sein. „Die Kirchenführer der Zukunft, um die sich Gläubige scharen, werden charismatische, spirituelle Menschen sein, burning persons, bei denen Amt und hierarchische Strukturen in den Hintergrund treten“[8], so Thomas von Mitschke-Collande, der sich kritisch mit der Innovationsfähigkeit der Kirche befasst hat. Dazu kommt die notwendige Fehlertoleranz, Neues auszuprobieren und dabei scheitern zu dürfen.

Verbunden mit der  Förderungen von Innovationen muss  die klare Priorisierung von Einsatzmöglichkeiten stattfinden. Wenn ein kirchliches Angebot nach reichlicher Überlegung keine Zukunft hat, dann müssen entsprechende Schlüsse gezogen werden, damit Ressourcen und Aufmerksamkeiten für zukunftsfähigere Modelle zur Verfügung stehen. Innovation kann auch durch die Ansprache neuer Zielgruppen in neuen Modellen geschehen: Während sich zur Zeit das kirchliche Engagement noch stark auf die Kerngemeinden konzentriert, beginnt gleichzeitig die Arbeit an niederschwelligen Programmen, mit denen Kirchenferne – die weitaus größte Gruppe der Kirchensteuerzahler – angesprochen werden sollen.

Hemmend für Innovationen ist der hohe Grad an Bürokratie in der deutschen Kirche. Zwischen 1980 und 2000 hat sich die gesamte Zahl der Verwaltungsmitarbeiter in den deutschen Diözesen verdoppelt, die Anzahl der hauptamtlich pastoralen Mitarbeiter ist aber insgesamt konstant geblieben.[9] Nicht wenige Katholiken halten die Kirche in Deutschland allgemein für überstrukturiert. „Tatsächlich erschwert die Überzahl von Strukturen in einer sich wandelnden, pluralistischen Gesellschaft häufig Anpassungsfähigkeit und Flexibilität. So droht die Kirche unter ihnen zu erstarren, mit dem gesellschaftlichen Wandel nicht mithalten zu können und ihre Zukunftsfähigkeit zu verlieren“[10], so zum Beispiel Thomas von Mitschke-Collande.

Kirche

Abbildung 1: Strukturelle Hindernisse für pastorale Innovationen

 

Dieser Analyse folgend können notwendige Maßnahmen aufgeführt werden, um Innovationen in der Kirche  zu fördern:

  • Der Bischof muss ein Klima schaffen, in dem pastorale Innovationen ausdrücklich gefordert werden
  • Kirchengemeinden in der Entwicklung neuer pastoraler Modelle mehr Freiheiten geben, damit dort Neues überhaupt gedacht und umgesetzt werden kann
  • Unterschiede müssen insoweit akzeptiert werden, als dass an unterschiedlichen Orten der Glaube verschiedene gelebt werden kann; nur so kann eine Vielzahl neuer Ideen erst entstehen, die dann weiterentwickelt werden können
  • Aufbau verschiedener Foren zur Vernetzung und zum Wissensaustausch, um Impulse zu verbreiten
  • Systematische Suche und Weiterentwicklung von pastoralen Innovationen an zentraler Stelle, Auswahl vielversprechender Ideen und fokussierte Weiterentwicklung
  • Intensive Förderung erfolgreicher Innovationen durch die Diözesanleitungen
  • Unterstützung der Umsetzung der Innovationen und Einführung der Neuerungen durch professionelles Veränderungsmanagement

Zu einem strukturell verankerten und breiten Innovationsmanagement ist es für die katholische Kirche in Deutschland noch ein weiter Weg. Strukturelle Innovationsförderungen lassen sich nicht ohne Veränderungen in der Organisationsstruktur und -kultur erreichen. Die Bereitschaft, solche Schritte mit Überzeugung zu gehen, bedürfte eines übergreifenden inhaltlichen Konsenses, der  aber noch nicht in der Mehrheit der Leitungshandelnden zu finden ist.[11] Aber dennoch können im Kleinen Innovationen entstehen, die auch ohne zentrale Förderung an Bedeutung gewinnen.

 

6       Erkenntnisse für Wohlfahrtsverbände

Diese Ergebnisse können auf Wohlfahrtsverbände im Sozialsektor übertragen werden. Sie haben auch eine hierarchische Organisationsform mit zentralen Leitungspersonen und nehmen dabei ein Aufgabenportfolio wahr, welches auf einer gewissen Tradition beruht. Dazu kommt durch die gesicherte Finanzierung mittels fester Einnahmen ein Ausbleiben von finanziellem Druck und damit keine Angst vor einem möglichen Konkurs. Oftmals findet sich dort ein Klima, welches Innovationen wenig fördert und eine Leitung, die diese nur bedingt vorantreibt.

Zur weiteren Analyse wird ein zusätzlicher Impulsgeber herangezogen. Eine  aktuelle Studie eines von der Mercator-Stiftung geförderten Forscherverbundes arbeitete zu Social Entrepreneurship und der Frage, wie dieses in Deutschland als Modell für sozialunternehmerisches Handeln dienen kann.[12] Diese Erkenntnisse sollen neben der Analyse von Innovationen in der Kirche im Folgenden genutzt werden.

Wie Peter Drucker schreibt, sind für Innovationen erstrangig die Führungspersonen verantwortlich, die durch ihre Vorgaben und gewährten Freiheiten den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Basis liefern, auf der Innovationen wachsen können. Zu fragen ist, inwieweit diesem in den aufgezählten Organisationen nachgekommen wird. Die Fallanalysen im Sozialsektor des Mercator Forscherverbundes zeigen, dass Mitarbeiter mit innovativen Ideen „unter Umständen die Organisation verlassen, um ihr Projekt auf einem anderen Weg zu realisieren bzw. dass dieses Innovationspotential wegen mangelnder Förderung verloren geht.“[13]

Bei allen Effizienzvorteilen einer Standardisierung innerhalb von Großorganisationen sollte Wert darauf gelegt werden, dass die inhaltliche Aufsicht über die operative Arbeit in den organisatorischen Untereinheiten stattfindet. Wie deren Ergebnisse erzielt werden, d. h. welche Programme durchgeführt und  welche Angebote gemacht werden, sollte möglichst in Basisnähe entschieden werden. Zu beobachten ist, dass Wirkungsmessung und Reporting im Sozialbereich häufig noch „wenig systematisch“[14] betrieben werden. „Dennoch sind Wirkungsmessung und Reporting wichtig, sowohl als interner Steuerungsmechanismus als auch für die Legitimation der eigenen Arbeit, und sollten daher systematisch betrieben werden“[15], so der Mercator-Forscherverbund.

Mitarbeiterfortbildung kommt im Rahmen der Innovationsförderung eine zentrale Rolle zu, denn sie sind Foren, in denen Ideen ausgetauscht und Kompetenzen erweitert werden können. Ähnliches gilt für verschiedenste Arten von Vernetzungstreffen. Es ist zu beobachten, „dass innovative Projekte vor allem auf lokaler Ebene in Kooperation von verschiedenen Organisationen und Akteuren entstehen.“[16] Dieser Austausch muss ermöglicht werden.

Auf die Ermöglichung von Vernetzung darf sich das Engagement aber nicht beschränken. „Ähnlich wie die staatlichen Strukturen sollten auch größere wohlfahrtliche Träger eine Innovationsschnittstelle einrichten, die neue innovative Lösungen im jeweiligen Sektor sichtet und als Ansprechpartner für die Skalierung unternehmerischer Initiativen dient. Formen des Umgangs mit innovativen Gründerorganisationen könnten neben Investitionen auch Kooperation und abgesprochene Übernahmen sein.“[17] Wohlfahrtsverbände können sich aktiv als Träger und Förderer von Social Entrepreneurship verstehen.

Es muss klar, sein, dass zwischen traditionellen und neuen Formen der Dienstleistungserbringung keine Konkurrenz besteht, sondern dass diese nebeneinander bestehen können. Dem Mercator Forscherverbund nach muss  ein stärkeres Bewusstsein dafür geschaffen werden, „dass Social Entrepreneurship bzw. soziale Innovationen und etablierte Trägerorganisationen kompatibel sind und sich nicht nur auf Neugründungen beziehen.“[18] Zum Beispiel könnten „größere Träger der freie Wohlfahrtspflege verstärkt in einer Logik von Sozialinvestoren agieren und in vielversprechenden Ansätze von Sozialunternehmen investieren.“[19] Diese können perspektivisch in die eigenen Strukturen übernommen werden.

Es gilt, die doppelte Rolle der freien Wohlfahrtspflege im Bezug auf Innovationen und Social Entrepreneurship zu erkennen. Sie können zum einen durch ihre breite Struktur und ihre finanziellen Möglichkeiten sozialunternehmerische Initiativen unterstützen. Zum anderen können sie unter dem Stichwort „intrapreneurship“ selbst unternehmerisch handeln. „Innovationen in etablierten, größeren wohlfahrtlichen Organisationen sind eine wichtige Voraussetzung, um die Existenz der Organisation an (Quasi-)Märkten zu sichern“[20], wie der Mercator-Forscherverbund festhält. Dieser betont in dem Zusammenhang auch die Notwendigkeit von innovationsfreundlichen Governance- und Kommunikationsstrukturen.[21]

Ein Punkt, der intern für Diskussionen sorgt, ist die Fokussierung auf vielversprechende Ideen. Um nicht an „Projektitis“ zu leiden und mit zu vielen Initiativen zu überfordern, ist es Aufgabe der Leitung, nach reichlicher Überlegung an der einen Stelle Innovationsvorhaben zu stoppen und an der anderen Stelle die Förderung noch zu intensivieren. Bei unterschiedlichen sozialen Anliegen, die auch immer mit viel Herzblut verbunden sind, ist das ein nicht immer leichter Schritt, vor allem wenn die Einschätzungen innerhalb der Organisation sehr unterschiedlich sind. So kann es zu Widerständen bei bestimmten Innovationen kommen, z. B. wenn dabei eben keine konsequente Fokussierung auf die Bedürfnisse der Menschen gesehen wird oder weil sich die persönliche Situation mit den Veränderungen verschlechtert. Hier ist oftmals ein ausschließlich bottom-up verlaufender Prozess zur Veränderungsgestaltung, bei der die Leitung nur reagieren kann, nicht hilfreich. Hier müssten von den Führungspersonen klare Leitlinien und Ziele vorgegeben werden.

 

7       Fazit

Vor allem strukturelle Änderungen können die Innovationskraft von Wohlfahrtsverbänden stärken. Hinter den dafür nötigen Faktoren Vernetzung, Offenheit und Eigenverantwortlichkeit kann Social Entrepreneurship stehen. Wohlfahrtsverbände können über dieses Konzept Strukturen schaffen, die Innovationen antreiben. Dieses kann durch Unterstützung externer Sozialunternehmen geschehen, aber auch durch den eigenen Aufbau solcher Organisationen.

 

 

LITERATUR

Pott, Martin: Kundenorientierung in Pastoral und Caritas? Anstöße zum kirchlichen Handeln im Kontext der Marktgesellschaft. Münster, Hamburg 2001.

Drucker, Peter: Innovation and entrepreneurship. New York 2006 (Reprint). S. 122ff

Marx, Reinhard: „Wir sind keine Wurstfabrik“. Der katholische Bischof von Trier, Reinhard Marx, über den Beistand für Arbeitslose und die Neuausrichtung seiner Kirche. In: Der SPIEGEL 2006/21 (22.05.2006) S. 60.

Matussek, Matthias: Das katholisches Abenteuer. München 2011.

Mitschke-Collande, Thomas von: Schafft sich die katholische Kirche ab? Analysen und Fakten eines Unternehmensberaters. München 2012. S. 213

Dessoy, Valentin: Vom Amt zum Dienstleister. Ansätze zur Modernisierung kirchlicher Behörden. In: Dessoy, Valentin (Hrsg.): “Denn sicher gibt es eine Zukunft” (Spr. 23,18). Strategische Perspektiven kirchlicher Organisationsentwicklung. Trier 2008. S. 155–193. S. 164.

Suermann, Thomas: Die Weisen aus dem Wirtschaftsland. Analyse der Zusammenarbeit von katholischen Diözesen und externen betriebswirtschaftlichen Strategieberatungen. Münster, 2011. S. 470-498

Mercator Forscherverbund Innovatives Soziales Handeln, Social Enrepreneurship (Hg.): Handlungsempfehlungen für Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Sozialunternehmer. Online verfügbar unter: http://www.stiftung-mercator.de/kompetenzzentren/wissenschaft/social-entrepreneurship.html. Essen 2012. S. 3

 

 

[1] Vgl. hierzu auch Pott, Martin: Kundenorientierung in Pastoral und Caritas? Anstöße zum kirchlichen Handeln im Kontext der Marktgesellschaft. Münster, Hamburg 2001.

[2] Vgl. im folgenden Drucker, Peter: Innovation and entrepreneurship. New York 2006 (Reprint). S. 122ff

[3] Ebd. S. 123

[4] Ebd. S. 123

[5] Ebd. S. 123

[6] Marx, Reinhard: „Wir sind keine Wurstfabrik“. Der katholische Bischof von Trier, Reinhard Marx, über den Beistand für Arbeitslose und die Neuausrichtung seiner Kirche. In: Der SPIEGEL 2006/21 (22.05.2006) S. 60.

[7] Vgl. als beispielhafte Gegenposition ein Plädoyer für eine sehr an Traditionen orientierte Kirche: Matussek, Matthias: Das katholisches Abenteuer. München 2011.

[8] Mitschke-Collande, Thomas von: Schafft sich die katholische Kirche ab? Analysen und Fakten eines Unternehmensberaters. München 2012. S. 213

[9] Vgl. Dessoy, Valentin: Vom Amt zum Dienstleister. Ansätze zur Modernisierung kirchlicher Behörden. In: Dessoy, Valentin (Hrsg.): “Denn sicher gibt es eine Zukunft” (Spr. 23,18). Strategische Perspektiven kirchlicher Organisationsentwicklung. Trier 2008. S. 155–193. S. 164.

[10] Schafft sich die katholische Kirche ab? aaO. S. 211

[11] Vgl. dazu auch Suermann, Thomas: Die Weisen aus dem Wirtschaftsland. Analyse der Zusammenarbeit von katholischen Diözesen und externen betriebswirtschaftlichen Strategieberatungen. Münster, 2011. S. 470-498

[12] Vgl. Mercator Forscherverbund Innovatives Soziales Handeln, Social Enrepreneurship (Hg.): Handlungsempfehlungen für Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Sozialunternehmer. Online verfügbar unter: http://www.stiftung-mercator.de/kompetenzzentren/wissenschaft/social-entrepreneurship.html. Essen 2012. S. 3

[13] Vgl. ebd. S. 17

[14] Ebd. S. 10

[15] Ebd. S. 10

[16] Ebd. S. 18

[17] Edb. S. 7

[18] Ebd. S. 14

[19] Ebd. S. 10

[20] Vgl. ebd. S. 11

[21] Vgl. ebd. S. 11

 

 

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Dr. Thomas de Nocker

Dr. Thomas de Nocker ist Berater bei Capgemini Consulting mit dem Schwerpunkt Organizational Design, Lehrbeauftragter im NGO-MBA-Studiengang der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg und freier Mitarbeiter am Institut für Sozialstrategie in Berlin.

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