Abstract [de]: “Kirche muss und darf von ihrem Selbstverständnis her eine Vorreiterin in Sachen Transparenz und Compliance sein.”

Im Editorial des Compliance Beraters schreibt Ulrich Hemel über Compliance-Forderungen an die Kirche und ihr Verhältnis zur kirchlichen Zivilgesellschaft. Als öffentliche Institution muss sie Transparenz im finanziellen Bereich sowie in ihrer Funktion als Arbeitgeberin gewährleisten, auch wenn es dabei “um nichts weniger als um eine Revolution kirchlicher Führungskultur” geht.
(Erschienen im Compliance Berater Nr.9, 2013)


Dezember 2013

Compliance – Soll die Kirche ihre eigenen Spielregeln überwachen?

Compliance für die Katholische Kirche? Ja- Dringend!

In den letzten Jahren ist das Thema Compliance in der Wirtschaft immer wichtiger geworden.

Dabei muss man unterscheiden zwischen:

  • Corporate governance,
  • Corporate citizenship, und
  • Compliance.

Es handelt sich um große Organisationen, so dass es nahe liegt, darüber nachzudenken, was die Kirche- die immerhin auch (aber nicht nur)- eine große Organisation ist, daraus lernen kann.

Zunächst einmal fällt auf: Kaum jemand versucht derzeit, von der Kirche zu lernen. Das ist deshalb auffällig, weil es immerhin heißt „seht wie sie sich lieben“. Und weil es Zeichen von „best practice“ ist, wenn Unternehmen dafür ausgewählt werden, anhand einer Fallstudie zu lernen. Es liegt an der Zeit, dass es hier von englischen Fachausdrücken nur so wimmelt: Ziel ist es, „best in class“ zu sein, „benchmarkfähig“ zu werden. Die Benchmark wird als Referenzwert für Vergleiche gewählt; Abweichungen von der Benchmark weisen Verbesserungsmöglichkeiten auf. Wenn bestimmte Vorgehensweisen der fachlich anerkannten Kunst entsprechen, werden sie zur „best practice“ (wobei manchmal auch de Wortsinn zu tragen kommt, also für dasjenige Unternehmen verwendet wird, das einen bestimmten Prozess am besten von allen beherrscht).

Corporate Governance: Wie ist die Verteilung von Macht und Einfluß? Welche Spielregeln sind ausdrücklich definiert und werden auch eingehalten, ja sogar kontrolliert? Ein Beispiel ist der Deutsche Corporate Governance Codex, der allerdings wegen der vielen Sonderkonstellationen in aller Regel mit der Kategorie des Sollens arbeitet. Ein Beispiel ist der Wechsel vom VV zum ARV: Normalerweise wird hier eine Cooling Off Phase erwartet. Das bedeutet eine Wartezeit von z.B. 2 Jahren mit dem Ziel, eine zu starke Prägung durch eine einzelne Persönlichkeit nach Möglichkeit zu vermeiden. Ein Beispiel: Joseph Ackermann, Chef der Deutschen Bank, wechselt in den ARV.

Geschieht so etwas, heißt es: Comply or explain. Die Soll-Regelungen sind also so gestaltet, dass durchaus anerkannt wird: Abweichungen können sinnvoll oder jedenfalls in einer speziellen Konstellation geboten sein. Verdeutlicht wird hier aber: In diesem Fall ist eine Erklärung notwendig. Es geht nicht von selbst, Regeln außer Kraft zu setzen. – Theologisch finden wir hier einen schönen Anwendungsfall für Regel und Ausnahme, vielleicht auch von Epikie.

Corporate Citizenship. Hier tritt auch das Thema CSR auf. Ein vielschichtiger Bereich, der vom ernsthaften zivilgesellschaftlichen Engagement zum marketingtechnischen Feigenblatt geht. Es setzt sich mehr und mehr die Einsicht durch: CSR soll zur Strategie des Unternehmens beitragen (die ja ihrerseits eine Strategie der werteorientierten Unternehmensführung sein soll). Sogar Porter kommt zum Schluß „shared values“ statt „shareholder value“. Missdeutung des Friedmanschen Ansatzes, aber auch sinnvolle Entdeckung des „community learnings“, wie es andernorts längst praktiziert wird.

Compliance: Überwachung der Einhaltung von Spielregeln. Tatsächlich so etwas wie die interne Polizei eines Unternehmens. Bis über 1000 Leute in großen Banken. Probleme sind die Schatten der Korruption (vgl. UH Jena 2009); Problem ist das Insider-Trading; Problem ist die Rolle des Whistleblowers. Wie geht man mit ihm um?

Frage der Unternehmenskultur wird wieder virulent.

Und hier ist der Kirche ein denkbar schlechtes Zeugnis auszustellen. Nicht in allen Gliederungen, aber in vielen. Es ist eine Kultur der Angst, auch und gerade bei Menschen, die Macht haben. „Ich habe Angst vor Kardinal Meißner“, bekannte ein Weihbischof im vertraulichen Gespräch. „Daher will ich zu Ihrem Anliegen nichts sagen.“

„Offiziell kann ich das nicht sagen“. „Persönlich will ich dazu nichts sagen“. Viele Züge einer großen kognitiven Distanz, die in emotionaler Distanzierung endet.

Loyalitätskonflikte: Mangelnde Loyalität der Bischöfe  gegenüber dem Kirchenvolk. Das spricht keinem ab, dass er sich bemüht. Es spricht aber für eine sehr enge Systemgrenze.

Wie könnte ein Compliancesystem in der Kirche aussehen?

Wer weiß.

Warum braucht man das?


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Posted by Ulrich Hemel

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