Die Digitale Transformation als Chance für einen Bedeutungsgewinn der Human Resources-Funktion

Human Resources

Abstract [en]

Prosperity and justice will be more and more connected to the advancing digitization in the future. Business models and the world of work necessary for their realization are already under extensive change. In this context, there is a chance for the HR function to redetermine. In the past, recruitment and administration were often in the foreground. In the future, the human resources departments should gain greater significance in the context of strategic corporate governance through well-thought-out concepts for further education and the creation of an ethical sense of responsibility.

The article develops a process model for education and training in the context of the respective digitization strategy of the company. The focus is on the link between future business models, the development of necessary competence profiles and the associated personnel development measures. With a conceptual and structured process, HR can help to ensure that people do not fall by the wayside as part of digitization and that meaningful work is still possible even in a digital future.

Abstract [de]

Wohlstand und Gerechtigkeit werden in der Zukunft in immer stärkerem Maße mit der fortschreitenden Digitalisierung in Verbindung stehen. Geschäftsmodelle und die für deren Realisierung notwendige Arbeitswelt stehen bereits heute unter einem umfassenden Veränderungsdruck. Die Anforderungen an die Mitarbeiter steigen nicht nur in technologischer Hinsicht sondern auch die ethische Verantwortung im Zusammenspiel zwischen Technik und Mensch wird komplexer und anspruchsvoller. In diesem Zusammenhang bietet sich für die HR-Funktion eine Chance zur Neubestimmung. In der Vergangenheit stand häufig die Personalbeschaffung und -verwaltung im Vordergrund. In Zukunft sollten sich die Personalabteilungen durch durchdachte Konzepte zur Weiterbildung und die Schaffung von ethischem Verantwortungsbewusstsein einen Bedeutungsgewinn im Rahmen der strategischen Unternehmensführung erkämpfen.

Der Artikel entwickelt ein Vorgehensmodell zur Aus- und Weiterbildung im Rahmen der jeweiligen Digitalisierung-Strategie des Unternehmens. Im Zentrum stehen dabei die Verknüpfung zwischen zukünftigen Geschäftsmodellen, die Entwicklung von notwendigen Kompetenzprofilen und die dazugehörigen Personalentwicklungsmaßnahmen. Mit einem konzeptionellen und strukturierten Verfahren kann der HR-Bereich dazu beitragen, dass der Mensch im Rahmen der Digitalisierung nicht auf der Strecke bleibt und sinnerfülltes Arbeiten auch in einer digitalen Zukunft noch möglich ist.

 

Februar 2018

Die Digitale Transformation als Chance für einen Bedeutungsgewinn der HR-Funktion

 

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In der öffentlichen Diskussion werden Begriffe mit Bezug zur Digitalen Transformation und Industrie 4.0 synonym verwendet. Im Kern der Begriffe stehen die Möglichkeiten, die das Internet bietet. Am Anfang dieser Entwicklung waren unterschiedliche Dokumente miteinander verknüpft, dann konnten Menschen über das Internet miteinander kommunizieren. In der nächsten Ausbaustufe wird die Vernetzung der „Dinge“ wie Maschinen, Logistik, elektrotechnische Geräte mit Sensoren und Aktoren realisiert werden. Es zeichnet sich die Fähigkeit ab, dass globale Wertschöpfungsnetzwerke in Echtzeit auf Grundlage von durch Daten und deren Auswertung gewonnener Erkenntnisse für ein gemeinsames Ziel miteinander interagieren können.

Der Begriff hat sich zu einem Buzz-Word entwickelt, das für die Einen alles möglich erscheinen lässt und den Anderen Angst einflößt. Die beschriebenen Entwicklungen stellen vollkommen neue Fragen an die zukünftige Gestaltung der Arbeitswelt. Unternehmen und Mitarbeiter sind mit dem Wandel in bislang nicht gekanntem Ausmaße beschäftigt. Die Vernetzung durch die digitalen Technologien hat unsere Welt verändert. Diese Entwicklung wird sich rasant fortsetzen. Was uns als Konsumenten in der privaten Welt erfreut, kann in der Arbeitswelt zu einem sklavenhaften Zwang werden, wie z. B. die permanente Erreichbarkeit und der Zwang online zu sein. Die ständige Verfügbarkeit immer neuer Informationen hat unser Leben verändert. Die Möglichkeiten der Nutzung digitaler Medien im privaten und beruflichen Umfeld durchdringen einander. Die Grenzen zwischen privat, öffentlich und beruflich werden fließender. Diese Entwicklung birgt Chancen und Risiken gleichermaßen. Um letztlich im internationalen Wettbewerb bestehen zu können, müssen die Möglichkeiten der Aus- und Weiterbildung unbedingt verbessert und an die neuen Bedingungen angepasst werden.

In diesem Kontext werden Begriffe und Modelle wie das lebenslange Lernen und die Arbeitswelt 4.0 als Pendant für die Entwicklungen rund um die Digitale Transfor-mation/Industrie 4.0 verwendet und in den gesellschaftlichen Sprachgebrauch integriert.

Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Fragestellung, welche Instrumente und Vorgehensweisen den Unternehmen im Rahmen der HR-Funktion zur Verfügung stehen und wie die Akteure sich mit dem gesellschaftlichen Wandel durch die Digitalisierung auseinander setzen.

Kernthesen 1

  • Um die Chance der Digitalisierung voll entfalten zu können, muss die HR-Funktion eine stärkere strategische Rolle im Unternehmen einnehmen.
  • Die Unternehmensführung muss im Veränderungsprozess zu einem frühen Zeitpunkt Klarheit über die strategischen Ziele schaffen.
  • Neben der Formulierung der Anforderungen an zukünftige Stelleninhaber und Kooperationspartner müssen die Interessen des einzelnen Mitarbeiters sowohl thematisch als auch von der Sinnhaftigkeit seiner Arbeit her berücksichtigt werden.

 

Wie in den vorangegangenen Phasen des wissenschaftlich-technischen Fortschritts auch, wird sich jedoch an den ökonomischen Grundprinzipien nichts ändern. Der Mensch tritt im Wertschöpfungsprozess wie bisher auch als Konkurrent zur Technologie auf. Was in der Vergangenheit die Maschine war, wird in der Zukunft eine hochkomplexe Technologiewelt, perspektivisch sogar die künstliche Intelligenz sein. Diese Entwicklung kann so weit gehen, dass der Mensch sich durch die autonome, selbstlernende Intelligenz irgendwann in den „Schatten“ stellt und quasi selbst überflüssig macht. Um dieser Entwicklung entgegen treten zu können, ist es unbedingt notwendig, dass der einzelne Mitarbeiter als kritische aufgeklärte Persönlichkeit gestärkt wird. Um die Chancen der Entwicklung positiv nutzen zu können, ist es erforderlich, dass der Mensch mit seinen Fähigkeiten und Wünschen in den Mittelpunkt der unternehmerischen Praxis gestellt wird.

In einer immer stärker technologieorientierten Welt, in welcher sogar die öffentlichen Meinungen technologisch produziert werden können (siehe bots), kommt dem Einzelnen eine wichtige ethische Bedeutung zu. Was der Einzelne im Ganzen bewirken kann, mit welchen konkreten und reflektierten Handlungen er für humane Wertvorstellungen eintritt, ist eine anspruchsvolle Herausforderung in unserer zukünftig immer mehr digital durchdrungenen Welt. Der Mensch als solches muss auch in Zukunft das Maß der Dinge bilden und ein Gegengewicht zur Technologie der Roboter- und Datenwelt bilden.

Kernthesen 2

  • Der Mensch wird auch in Zukunft die wesentliche Rolle im Rahmen der Digitalisierung von Unternehmen und Gesellschaft spielen.
  • Aus diesem Grunde muss die Unternehmensführung und speziell die HR-Funktion ein besonderes Augenmerk auf die Entwicklung der Fertigkeiten, die Kompetenzen und das persönliche Verantwortungsbewusstsein aller Mitarbeiter legen.

 

Die Unternehmensführung und die Personal-Funktion (HR) in Verbindung mit den Sozialpartnern im Unternehmen (Betriebsrat etc.) müssen die strategisch richtigen Schlussfolgerungen für die zukünftige digitale Entwicklung ziehen, damit darauf eine erfolgreiche Personalmanagementstrategie aufgebaut werden kann. Bedingt durch die Komplexität und die technologische Dimension, die alle Lebens- und Geschäftsbereiche durchdringt, wird eine systematische und methodisch gestützte Vorgehensweise notwendig. Diese Managementaufgabe basiert auf der Analyse und Identifizierung der technologischen Neuerungen als auch der Wertvorstellungen über die künftige Rolle des Menschen in der sich entwickelnden Arbeitswelt 4.0.

Die wesentliche Grundlage für die Digitale Transformation sind die technischen Voraussetzungen, die unsere Welt entscheidend verändert haben. Zu den Treibern der digitalen Transformation gehören die digitalen Technologien. Dazu zählen die digitalen Infrastrukturen (zum Beispiel: Netze, Computer-Hardware) und die digitalen Anwendungen (zum Beispiel Apps auf Smartphones, Webanwendung), sowie die auf den digitalen Technologien basierenden Verwertungspotenziale zum Beispiel digitale Geschäftsmodelle und digitale Wertschöpfungsnetzwerke.

Die aufgeführt Grafik zeigt die wesentlichen technologischen Enabler (Treiber, Befähiger) für die Digitale Transformation:

 

Abb. 1: Treiber für die Digitale Transformation. Eigene Darstellung

Hauptakteure der digitalen Transformation sind Unternehmen, Individuen und Gemeinschaften, die Wissenschaft (mit Forschung und Lehre) sowie der Staat. Diese Akteure üben einen vielfältigen Einfluss aufeinander aus. Die bislang sehr gute Wettbewerbsposition der deutschen Industrie muss sich den gravierenden Veränderungen im digitalen Zeitalter stellen. Eine hervorragende Basis ist vorhanden. Die deutsche Industrieproduktion hat einen Anteil von ca. 25 % am Bruttosozialprodukt und übertrifft z. B. die USA, die mit ca. 10 % bewertet ist [1]. In den USA und in Asien werden enorme Anstrengungen unternommen, um den Anteil der Industrieproduktion wieder zu steigern. Hier wurden Lehren aus den Entwicklungen der neunziger Jahre und der Finanzkrise gezogen. Gar zu schnell wurde ein Übergang in die Dienstleisungs- und Wissensgesellschaft postuliert, der so nicht funktioniert hat. Mit der Vernetzung der physischen und der digitalen Welt wissen wir heute, dass die Industrieproduktion in diesem Prozess weiterhin eine entscheidende Rolle spielen wird. Durch die neuen Technologien sind globale Daten-Oligopole wie Google, Amazon, Facebook etc. entstanden. Diese Unternehmen nutzen die Prinzipien der Netzwerkökonomie. Mit ihrem ausgeklügelten analytischen Verhalten wird Schritt für Schritt um Einfluss auf Kundenverhalten und auch auf politische Entscheidungen abseits ihres eigentlichen Stammgeschäfts gekämpft. Damit stellen diese Konzerne für alteingesessene Unternehmen eine gravierende Gefahr dar. Vor diesem Hintergrund ist die permanente Beschäftigung mit den entstehenden neuen technologischen Chancen und Risiken eine unabdingbare Voraussetzung für die Erhaltung von Wohlstand und qualitativ akzeptabler Beschäftigung in Deutschland.

Wo liegt das Potenzial?

Laut Bitkom wird das Potenzial für die sechs Branchen Maschinen- und Anlagenbau, Elektrotechnik, Automobilbau, chemische Industrie, Landwirtschaft und Informations- und Kommunikationstechnologie auf einen zusätzlichen jährlichen Effekt von 1,7 Prozent geschätzt. Dies entspricht allein für diese ausgewählten Branchen bis 2025 einem Volumen von mindestens 78 Mrd. Euro Bruttowertschöpfung am Standort Deutschland [2]. Diese Zahlen machen deutlich, wie wichtig und entscheidend der Erfolg der Initiativen für den Wirtschafsstandort Deutschland ist.

Die Potenziale werden vor allem in den folgenden Technologiefeldern erwartet:

  • Embedded Systems,
  • Smart Factory,
  • Cloud Computing,
  • IT-Security

Welche Wirkmechanismen sind zu beobachten bzw. noch zu erwarten? Die Digitalisierung setzt z. B. beim Erlösmodell, bei den Kundenzugängen oder bei den Partnerbeziehungen zu Lieferanten und Kooperationspartnern an und verändert Kooperationsmodelle und Geschäftsbeziehungen. Vielfach bleibt das zentrale Nutzenversprechen eines Geschäfts-modells jedoch erhalten. Beispiele für neue Akteure in der Interaktion zwischen Produzenten und Kunden sind z. B. Bewertungsplattformen, Bezahldienste, Online-Portale die ganze Anbietergruppen auf eine Plattform bringen und mit Services aus anderen Branchen ergänzen (z. B. Booking.com, Trivago). Sie agieren zwischen Kunden und Herstellern oder Dienstleistern, bzw. schaffen vollkommen neue Angebote (Uber, Airbnb). Damit werden neue Kundenbindungen hergestellt und schließlich neue Märkte entwickelt.

Die Industrie 4.0 und die Digitale Transformation haben die deutsche Wirtschaft erreicht. Die Unternehmen setzen sich verstärkt mit eigenen Initiativen und mit den Auswirkungen durch die neuen Technologien in ihrer Geschäftstätigkeit auseinander. Eine Untersuchung der Bitkom [3] zeigt jedoch, dass die Unternehmen bzgl. Investitionen in innovative digitale Technologien für vernetzte Produktion und Produkte noch zurückhaltend sind. Das ist ein Kernergebnis einer Befragung von 559 Industrieunternehmen ab 100 Mitarbeitern, die die Bitkom in 2016 beauftragt hatte. Besondere Beachtung sollte finden, dass die Unternehmen laut der Befragung das primäre Ziel verfolgen, ihre Prozesse zu optimieren. 69 Prozent nennen diesen Punkt unter den drei wichtigsten Zielen. Nur 14 Prozent verfolgen mit Industrie 4.0 zuvorderst das Ziel, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln oder bestehende Geschäftsmodelle zu verändern. Mit dieser Schwerpunktsetzung droht die deutsche Wirtschaft in absehbarer Zeit ins Hintertreffen zu geraten. Es ist bereits heute zu erkennen, dass die eigentlich gravierenden Umwälzungen von Industrie 4.0 nicht in der Produktion, sondern bei den Geschäftsmodellen stattfinden.

Kernthesen 3

  • Konsumenten und Produzenten werden durch die Weiterentwicklung der Vernetzung in Zukunft enger zusammenrücken.
  • Produkte werden in Zukunft nur noch mit dazugehörigen digitalen Dienstleistungen nachgefragt werden.
  • Die Kreativ- und Arbeitsprozesse verschmelzen im Produktentwurf, in der Entwicklung und in der Produktion (in diesem Prozess wird die künstliche Intelligenz eine immer größere Rolle spielen und den Menschen z. B. mit Assistenzsystemen unterstützen).

 

Für Unternehmen kommt es darauf an zu erkennen, welcher Grad der Digitalen Transformation in der jeweiligen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Situation sinnvoll und erstrebenswert ist. Dabei können die Wahlmöglichkeiten von einer geringfügigen Veränderung des Geschäftsmodells (ein Automobilhersteller wie z. B. VW-Finanztochter erwirbt einen Park-Bezahldienst „PayByPhone“ und erweitert damit das Serviceportfolio) bis hin zu einer radikalen Veränderung des Geschäftsmodells liegen. Die Unternehmenslenker werden sich also in Zukunft in einer enormen Spannbreite ihrer Entscheidungen bewegen müssen. Einmal gemachte Fehleinschätzungen können Auswirkungen nicht nur für einzelne Produktserien, sondern für die gesamte Geschäftstätigkeit haben.

Ganz gleich, wie die Ausprägungen der Digitalisierung erfolgen werden. Eines bleibt festzuhalten: Die Digitalisierung soll für den Menschen da sein. Welche Schritte sind also auf der Unternehmensebene zu veranlassen, damit die Mitarbeiter ihre universellen Fähigkeiten entfalten können.

Auswirkungen der Demografie und Arbeitsmarktentwicklungen auf die Digitale Transformation

Neben den technologischen Rahmenbedingungen müssen sich die Verantwortlichen Unternehmenslenker und im Besonderen die Personalleiter über die Entwicklungen ihres Personals Gedanken machen. Der demografische Wandel ist in Deutschland zunehmend spürbar. Die Bevölkerungszahl von rund 82 Millionen ist nach einem zwischenzeitlichen Rückgang wieder in etwa auf dem Niveau von vor 20 Jahren. Heute gibt es deutlich mehr ältere Menschen. Ende der 2020er Jahre wird fast ein Fünftel der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter zur Gruppe der 60 bis unter 67 Jährigen gehören. In den 2040er Jahren wird mehr als jeder Zehnte in Deutschland älter als 80 Jahre sein. 2015 waren es nur knapp 6 Prozent der Bevölkerung. Ein weiterer Aspekt ist die Lebenserwartung. Im Vergleich zum Jahr 1960 ist die Lebenserwartung von heute Neugeborenen um 11,5 Jahre gestiegen. Die Lebensjahre, die bei guter Gesundheit verbracht werden können, nehmen zu [4]. Mit diesen Veränderungen wandeln sich auch die Wünsche der Menschen in der Arbeitswelt. Diversität und lebenslanges Lernen sind nur einige Schlagworte, die die Unternehmen vor große Herausforderungen stellen.

Auf dem deutschen Arbeitsmarkt ist in den vergangenen Jahren eine stetige Umschichtung von Arbeitsangebot und Beschäftigung zu höher qualifizierten Tätigkeiten einerseits und Dienstleistungstätigkeiten andererseits zu beobachten. Dieser Trend wird sich bis zum Jahr 2030 fortsetzen. Prognostiziert wird, dass die Zahl der Expertinnen und Experten (mit einem mindestens vierjährigen Hochschulstudium) weiterhin steigen, die Zahl der Spezialistinnen und Spezialisten (mit Bachelor, Meister oder Technikerabschluss) jedoch eher stagnieren wird. Damit einhergehend wird die Zahl der auf dem Arbeitsmarkt verfügbaren Fachkräfte (mit gewerblicher, kaufmännischer oder sonstiger Ausbildung) voraussichtlich eher rückläufig sein, ebenso wie die Anzahl der Helferinnen und Helfer (mit einer höchstens einjährigen Ausbildung). Die Beantwortung der demografischen Fragen spielt für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen eine entscheidende Rolle. Wie die Fertigkeiten, Kompetenzen und Fähigkeiten in Zukunft aussehen sollen, wie sich die Arbeitsinhalte gestalten werden und inwieweit es zu Arbeitsplatzverschiebungen bzw. Arbeitsplatzabbau kommen wird. All diese Fragen müssen auf die Agenda.

In der öffentlichen Debatte ist jedoch nur wenig Lösungskompetenz wahrnehmbar. Die Instrumentalisierung der Schlagworte verhindert einen klaren Blick auf die Frage nach den Entwicklungen und nach einem gerechten Interessenausgleich in der zukünftigen Arbeitswelt. Kurzum, es fehlt an einer Vision, wie für welche Bevölkerungsgruppen Arbeit und Leben in der zukünftigen, durch Technologie dominierten Welt, aussehen kann. Eine Überlebensfrage insbesondere für jene, die nicht den Schutz eines großen Konzerns genießen dürfen. (siehe Debatte um Click-Worker)

Ein kontroverser Ausgangspunkt der jüngeren Diskussion war die Studie von Frey und Osborne im Jahr 2013. Diese Studie kam zu dem Ergebnis, dass 47 Prozent der heute in den USA existierenden Arbeitsplätze in den nächsten 10 bis 20 Jahren durch die fortschreitende Digitalisierung automatisierbar seien. Allerdings bezogen sich Frey und Osborne in ihrer Analyse auf Berufe. Dieses Raster ist nicht präzise. Nimmt man hingegen an, dass es nicht Berufe sind, die automatisiert werden, sondern einzelne Tätigkeiten innerhalb von Berufen, so fällt die Automatisierungswahrscheinlichkeit von Arbeitsplätzen sehr viel geringer aus. Denn selbst Berufe, die als hoch automatisierbar eingeschätzt werden, beinhalten einzelne Tätigkeiten, die nicht oder noch nicht durch Computer substituiert werden können. Wird also die einzelne Tätigkeit betrachtet anstatt ganzer Berufsbilder, so ergibt sich für Deutschland, dass etwa 12 bis 15 Prozent der existierenden Arbeitsplätze potenziell automatisierbar wären. Hinzu kommt jedoch der große strukturelle Wandel innerhalb von Berufen selbst. Für Deutschland wird der Anteil der Arbeitsplätze, in denen die Digitalisierung zu signifikanten Änderungen der Tätigkeiten führen wird, auf etwa 30 Prozent geschätzt [4].

So zeigen die Modellrechnungen der für das Bundesministerium für Arbeit und Soziales durchgeführten Prognose zum Arbeitsmarkt 2030, dass selbst eine beschleunigte Digitalisierung, wenn diese klug in Gesellschaft und Wirtschaft eingebracht wird, positive Wachstums-, Produktivitäts- und Beschäftigungseffekte auslösen kann [5]. Voraussetzung hierfür sind jedoch Investitionen in Bildung und Weiterbildung, um die Kompetenzen der Beschäftigten den sich wandelnden Anforderungen stetig anzupassen. Insgesamt ist bis zum Jahr 2030 mit einer noch stärkeren Verlagerung der Arbeitskräftenachfrage zu Gunsten der Hochschulabsolventen und zu Lasten der Arbeitskräfte ohne berufliche Bildung zu erwarten. Unter der Annahme einer beschleunigten Digitalisierung wäre bis 2030 mit einer Zunahme der Zahl der Erwerbstätigen mit Hochschulabschluss um etwa 2,5 Mio. zu rechnen, während der Bedarf an Arbeitskräften ohne Berufsabschluss um knapp 2 Mio. sänke [4].

Anforderungen an den Fachkräftebedarf durch den digitalen Wandel

Für den deutschen Arbeitsmarkt würde eine beschleunigte Digitalisierung in erster Linie eine Fortsetzung des Strukturwandels bedeuten. Sie würde vor allem in den Hersteller-branchen für digitale Technik und Dienste starke Beschäftigungsimpulse auslösen. Dazu gehören klassische Industriebranchen wie Fahrzeugbau und Elektronikindustrie, ebenso wie IT-Dienste, Unternehmensdienste wie auch Forschung und Entwicklung. Weiterhin würde im Bereich Maschinenbau die Beschäftigung durch eine forcierte Digitalisierung in der Summe deutlich weniger stark zurückgehen, da im Vergleich zum Basisszenario mehr neue Jobs geschaffen würden. Allerdings können diese Zuwächse den generell abnehmenden Beschäftigungstrend nicht umkehren. In den Anwenderbranchen wird die digitale Technik eher zu einem Rückgang der Beschäftigung führen. Dies gilt vor allem für den Einzelhandel, die Papier- und Druckindustrie sowie die öffentliche Verwaltung. Dieser Verlust von etwa 750.000 Arbeitsplätzen würde jedoch mit dem Beschäftigungszuwachs der gewinnenden Branchen von gut einer Million Arbeitsplätzen mehr als ausgeglichen.

Insgesamt stünde bei einer beschleunigten Digitalisierung ein Beschäftigungsgewinn von etwa 580.000 Arbeitsplätzen in den begünstigten Berufen einem Beschäftigungsverlust von ungefähr 310.000 Arbeitsplätzen in den benachteiligten Berufen gegenüber [4]. Die Digitalisierung ist derzeit ein wesentlicher Treiber dieser Verschiebung. Eine Studie des Branchenverbands Bitkom [6] hebt hervor, wie sich diese Entwicklung in den vergangenen Jahren in deutschen Unternehmen niedergeschlagen hat: Rund jedes zehnte der befragten Unternehmen gab an, dass im Zuge der Digitalisierung in den letzten zehn Jahren Jobprofile im Unternehmen verschwunden seien, während gut doppelt so viele Unternehmen bestätigten, dass sie aufgrund der Digitalisierung im gleichen Zeitraum neue Jobprofile eingeführt hatten. Die Qualifizierung wird dabei zu einer zentralen Frage, um die individuelle Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten und die Fachkräftebasis in einer innovativen und produktiven Wirtschaft zu sichern. Insbesondere in der Produktion ist es notwendig, Grundwissen über die Technik, Internet und Mediennutzung zu schulen, da grundsätzliche Regeln, Gefahren und Möglichkeiten des Arbeitens mit digitaler Technologie an allen Arbeitsplätzen eine Rolle spielen.

Die Herausforderungen für die HR-Funktion sind vor dem beschriebenen Hintergrunde immens. HR muss sich einerseits selbst digital transformieren und anderseits eine Führungsrolle in Bezug auf das Personalmanagement für die Digitale Transformation im Unternehmen einnehmen. Als strategische Orientierung für die Entwicklung einer adäquaten Vorgehensweise können die neuen Geschäftsmodelle dienen, die Unternehmen hervorbringen und entsprechende Kompetenzen verlangen.

Neue Geschäftsmodelle erfordern neue Kompetenzen

Die geschäftlichen Aktivitäten der Unternehmen werden sich umfassend wandeln. Die Unternehmen müssen sich darüber bewusst sein, dass die „eigentliche Revolution“ bei den Geschäftsmodellen stattfindet. Über alle Branchen hinweg eröffnet die Digitale Transformation und speziell Industrie 4.0 neue Möglichkeiten der Wertschöpfung. In Zukunft werden die Unternehmen die Chance haben, mit durchdachten sowohl analogen als auch datenbasierten Geschäftsmodellen neue Märkte zu schaffen bzw. in diese vorzudringen. Eine Schlüsselstellung werden durch das Voranschreiten der Digitalisierung Unternehmen bilden, die Plattformdienstleistungen zu attraktiven und flexiblen Bedingungen anbieten können. Product-as-Service bietet wegen der betriebswirtschaftlichen Vorteile eine steigende Anziehung und neue Chancen für die potenziellen Kunden.

In diesem Kontext stehen z. B. die Automobilhersteller vor der Herausforderung einer umfassenden Transformation ihrer Geschäftsmodelle. Die Wertschöpfungsketten müssen geprüft und einer digitalen Neuausrichtung unterzogen werden. Im Ergebnis wird es zur Entwicklung von neuen Geschäftsmodellen kommen. Ein Unternehmen kann nur die richtigen Schlussfolgerungen ziehen, wenn es sich über die eigene Rolle innerhalb der Digitalen Transformation eine umfassende Klarheit verschafft hat und weiß, welche Themen in welchem Zeitraum angepackt werden sollen. Vor diesem Hintergrund wird es in Zukunft zu einer stärkeren Einbindung des Personalbereiches kommen müssen.

Der Personalbereich als reiner Personalbeschaffer und Sachverwalter von Ressourcen muss sich Schritt für Schritt wandeln, um mit diesen komplexen Entwicklungen Schritt halten zu können. Die geschäftsentscheidenden Kompetenzen zur richtigen Zeit im Unternehmen zu haben und damit Innovation und Zukunftsfähigkeit zu gewährleisten, ist eine anspruchsvolle Aufgabe. HR muss sich dieser zukünftigen Rolle im Unternehmen stärker als in der Vergangenheit stellen.

Digitale Prognose und Personalmanagementstrategie

Die Digitale Transformation und im Besonderen die Industrie 4.0 werden zu einer zunehmenden wechselseitigen Durchdringung von IT und Ingenieurswissenschaften führen. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Digitalisierung das Anforderungsprofil der Mitarbeiter radikal verändern wird. Dabei sollte nicht zuerst nach Mitarbeitern außerhalb des Unternehmens geschaut werden. Mitarbeiter mit einer langjährigen Betriebszuge-hörigkeit können Erfahrung und interne Netzwerke einbringen, die für den Kulturwechsel von Vorteil sein können. Die Verantwortlichen sollten für ein umfassendes Weiterbildungsangebot sorgen, damit die Mitarbeiter die notwendigen Zusatzqualifikationen und Kompetenzen erwerben und den Anschluss an die Unternehmensentwicklung nicht verlieren. Bei Neueinstellungen sollten in Zukunft auch immer die digitalen Kompetenzen der Bewerber beurteilt und in die Entscheidungsfindung einbezogen werden. Die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft wird die Zukunft der Arbeit gravierend umgestalten. Beispielsweise stehen bei den klassischen Ausbildungsberufen wie Bank- oder Einzelhandelskaufmann große Veränderungen an, wenn Blockchain-Technologien angewandt oder Drohnen beim Ausliefern von Lebensmitteln eingesetzt werden. Die Digitale Transformation der Wirtschaft erfordert digitale Kompetenzen der Beschäftigten in sämtlichen Qualifizierungsstufen. Es werden gänzlich neue Berufsbilder entstehen. Der Data-Scientist und Scrum-Master wird schon heute gesucht. Im Zuge der Digitalen Transformation werden weitere Tätigkeitsprofile hinzukommen. Arbeitsplätze werden insbesondere in technischen, wissensintensiven, kreativen und sozialen Berufen geschaffen sowie im Bereich der neuen Geschäftsmodelle und Plattformen.

Um die Erfordernisse der gegenwärtigen und zukünftigen Entwicklung richtig einschätzen zu können, müssen sich die einzelnen Partner mit den Ausprägungen der Digitalisierung in ihrem jeweiligen Gestaltungs- und Verantwortungsbereich eingehend beschäftigen. Für die Unternehmen bedeutet dies, einen kontinuierlichen Strategieentwicklungsprozess mit Fokus Digitalisierung auf allen Ebenen des Unternehmens zu konzeptionieren und zu implementieren.

Das Bindeglied in diesem Wandlungsprozess zwischen der Unternehmensstrategie und der HR-Funktion ist die Personalmanagementstrategie. In der Personalmanagementstrategie müssen verbindliche Aussagen über die Zukunft des Unternehmens und die notwendige Personalstruktur für die erfolgreiche Bewältigung der Themen und der Aufgaben enthalten sein. Die Grafik zeigt die aus Sicht des Autors entscheidenden Handlungsfelder:

 

Abb. 2: Komponenten und Handlungsfelder. Eigene Darstellung

Im Rahmen der Personalmanagementstrategie spielt die kurz-, mittel- und langfristige Personalplanung eine entscheidende Rolle für die Erreichung der unternehmerischen Ziele. Die Personalplanung ist ein Teilbereich der Unternehmensplanung. Sie verfolgt das Ziel, die benötigten Arbeitskräfte in der erforderlichen Anzahl, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort und mit der besten Qualifikation zur Verfügung zu haben. Die Personalplanung hat hierbei nicht nur die Funktion, für einen aus betriebswirtschaftlicher Perspektive optimierten Personaleinsatz zu sorgen, sondern es sind auf die zukünftigen prognostizierten und gewollten Entwicklungen hin die Perspektiven der jeweiligen Beschäftigungsgruppen durch den Arbeitgeber aufzuzeigen. Damit die beteiligten Parteien sich auf zukünftige Entwicklungen einstellen können, ist eine entsprechende Transparenz zwischen der Ist-Situation und dem Ziel-Bild in der Personalplanung herzustellen. In diesem Zusammenhang soll nicht unerwähnt bleiben, dass der Gesetzgeber einen gesetzlichen Rahmen für den Umgang mit technologischen Neuerung und dem Umgang mit der Belegschaft im Betriebsverfassungsgesetz vorgegeben hat. Mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen im Rahmen der Digitalen Transformation gibt der Gesetzgeber zum Erkennen von neuen Bedarfen folgenden Praxis-Tipp:

„…Im Rahmen der Unterrichtung und Beratung zur Personalplanung sollte der Arbeitgeber zu den erwarteten personellen Auswirkungen neuer Technologien auf den Personalbedarf und die qualifikatorischen Anforderungen während des Planungszeitraumes Auskunft geben und ggf. explizit danach gefragt werden. Der Betriebsrat kann beispielsweise die aktuelle Diskussion über die Digitalisierung der Wirtschaft als Anlass nehmen, um unter Verweis auf die Unterrichtspflicht des Arbeitgebers gemäß § 92 BetrVG dessen Prognosen und Planungen zur Personal- und Qualifikationsentwicklung in Erfahrung zu bringen….“.

Mit den angeführten Punkten wird deutlich, dass die Sozial-Partner vom Gesetzgeber aufgefordert und verpflichtet sind, sich über die Auswirkungen der Digitalisierung im Bezug auf die Arbeitsplätze eine Position zu erarbeiten und entsprechende gezielte Maßnahmen zur Zukunftssicherung einzuleiten.

Die Personalplanung umfasst nicht nur die quantitativen Aspekte, sondern hat explizit auch „Maßnahmen der Berufsbildung“ mit einzubeziehen. Deshalb ist neben der „Personalbedarfsplanung“ auch eine „Personalentwicklungsplanung“ zu erstellen. Die gegenwärtigen und künftigen Qualifikationsanforderungen („Anforderungsprofile“) müssen gegenübergestellt werden können. Auf dieser Grundlage kann der betriebliche Bildungsbedarf festgestellt und eine Planung von passenden Weiterbildungsmaßnahmen für die identifizierten Zielgruppen durchgeführt werden. Zwei Ziele sollen damit verbunden sein: einerseits die Ermöglichung der betrieblichen Aufstiegschancen und andererseits die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit des Einzelnen.

Die digitale Zukunft kann nur in einem „schöpferischen Anpacken“ gemeistert werden. Zukünftige Probleme werden noch vernetzter und komplexer sein. Fähigkeiten wie strukturiertes Denken (Klassifizieren von Informationen, kontextuelles Denken (Zusammenhänge, Interdependenzen verstehen), kreatives Denken (Informationen neu denken und kombinieren), logisches Denken (logische Schlussfolgerungen ziehen), analytisches Denken (systematische Annährung an Fragestellungen) sind noch stärker als bisher eine unabdingbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Tätigkeit in der Arbeitswelt 4.0. In der zukünftig stärker digitalen Arbeitswelt wird die reine Aufgabenverrichtung mehr und mehr in den Hintergrund treten. Mitarbeiter sind zukünftig stärker in der Rolle des Problemlösers und Schöpfers von neuen Geschäftslösungen gefragt.

Ein Erfolgsfaktor für das Gelingen der Digitalen Transformation ist die strategische Ausrichtung der HR-Funktion auf die Anforderungen der Digitalen Transformation. Eine besondere Herausforderung besteht in der Bereitstellung des „richtigen“ Personals bzw. bei der Entwicklung einer digitalen Personalstrategie. HR sollte der Initiator für eine fachbe-reichsübergreifende Arbeitsgruppe mit Fokus Personal und Digitale Transformation sein. Als Ausgangspunkt für die Personalmanagementstrategie sollte eine Qualifikations-bedarfsanalyse erstellt werden [7].

Die folgende Übersicht zeigt die einzelnen Instrumente und Analysefelder:

Abb. 3: Instrumente und Analysefelder. Eigene Darstellung

Die HR-Abteilung sollte in diesem Team die Verantwortung und die Führungsrolle übernehmen. Es ist auf eine fachbereichsübergreifende, alle Hierarchiestufen beinhaltende Aufstellung des Teams zu achten. Auf umfassende Fachgebietskenntnisse, sowie ein tiefes Problemverständnis für die jeweiligen Mitarbeitergruppen muss fokussiert werden. Das Team muss Einblicke in die strategische Planung und Weiterentwicklung des Unter-nehmens haben, damit eine Verknüpfung zu den strategischen Zielen gewährleistet ist. Um sich einen umfassenden Überblick zur Weiterbildungssituation im Unternehmen zu verschaffen, sollten so viele Partner und Quellen wie möglich befragt werden. Dazu können unter anderem Statistiken zur Weiterbildungssituation etc. herangezogen werden. Eine der Kernfragen in diesem Zusammenhang ist: Gibt es im Unternehmen eine dokumentierte und systematische Weiterbildungsplanung, die auf die neuen oder veränderten Qualifikationsanforderungen ausgerichtet ist?

Der Prozess der Digitalisierung wird unsere Arbeits- und Lebenswelten stark beeinflussen. Damit die notwendigen Umstellungen erfolgreich und vor allem auch human verlaufen, sollten Experten in den in  ein umfassendes Change Management mit einer spezifischen Kommunikationsstrategie eingebunden werden.

Klarheit und Transparenz über den Weiterbildungsbedarf schaffen

Ein umfassend an die Bedürfnisse des Unternehmens und den strategischen Zielsetzungen angepasstes Bildungscontrolling ist ein wirksames Instrument und dient als Positionsbestimmung. Das Bildungscontrolling als ganzheitliches Instrument der betrieblichen Weiterbildung umfasst dabei die Elemente: Bildungsbedarfs- oder Qualifikationsbedarfsanalyse, die Erarbeitung der Zielsetzung, die Ausgestaltung der Entwicklungsschritte, sowie die Realisierung von Maßnahmen sowie die Erfolgskontrolle und Transfersicherung. Das Bildungscontrolling ist als ein Prozess zu verstehen. Die einzelnen Bestandteile sind von den Verantwortungsträgern in einen Managementprozess einzuordnen und müssen zyklisch durchlaufen werden.

Das Bildungscontrolling zielt darauf ab, die Belegschaft zukunftsorientiert zu entwickeln. Orientierung für die Ausgestaltung des Vorgehens geben die strategischen Unternehmensziele.

Instrumente zur Qualifikationsanalyse

Der Erfolg des Bildungscontrollings hängt ganz stark von der Verfügbarkeit von bildungsrelevanten Informationen qualitativer und quantitativer Art ab. Betriebliche Weiterbildung befähigt die Mitarbeiter zu den betrieblich geforderten Leistungen, sichert die berufliche Existenz und stellt dem Unternehmen die qualitativ und quantitativ benötigten Fachkräfte zur Erstellung der Unternehmensleistung zur Verfügung

Mit Hilfe der Altersstrukturanalyse wird systematisch ermittelt, wie die Belegschaft altersmäßig aufgebaut ist. Folgende Aspekte sollten neben dem Alter erfasst werden: Qualifikation, Funktion, Abteilung, Geschlecht und der Status der Beschäftigung. Damit wird die aktuelle Situation zu einem bestimmten Zeitpunkt dargestellt. Um die Aussagekraft zu erhöhen müssen Aussagen auf Bereichs-, Abteilungs- oder Gruppenebene gemacht werden. Durch die Abbildung der Altersverteilung in Schlüsselfunktionen sowie Arbeits- und Tätigkeitsbereiche werden personalpolitische Herausforderungen für die Zukunft, wie beispielsweise Organisation von Wissenstransfer, Nachfolgeplanung oder Rekrutierung erkennbar. Zum anderen können über eine Altersstrukturanalyse auf Basis der gegen-wärtigen Personalsituation und prognostizierter Zukunftsszenarien (bezogen auf die nächsten fünf oder zehn Jahre) betriebliche Maßnahmen in unterschiedlichen Handlungs-feldern abgeleitet werden. Diese können in den Bereichen Aus- und Weiterbildung, Arbeitsorganisation und -gestaltung, Gesundheitsmanagement, etc. liegen. Die Ergebnisse können als Basis für die Erstellung einer Qualifikationsbedarfsanalyse herangezogen werden. Sie gibt Aufschluss darüber, welche Qualifikationen und Kompetenzen vorhanden sind und welche zukünftig benötigt werden.

Ein Mittel um zukünftige Ausgestaltungen der Arbeitsplätze und die damit verbunden Arbeitsinhalte zu identifizieren, ist die Arbeitssystemanalyse. Das Grundkonzept dieses Verfahrens geht von der Annahme aus, dass sich Hinweise zum Wandel der Qualifikationen direkt aus der Arbeitspraxis ableiten lassen. Im Zentrum der Analyse steht ein ausgewählter Bereich, eine darin arbeitende Fachkraft, sowie aktuelle Arbeitsaufgaben, die konkret zu beobachten und zu beschreiben sind. Im Rahmen der Analyse werden die für die jeweilige Zielstellung notwendigen Daten erhoben. Das Verfahren wird auf Basis von explorativen, leitfadengestützten Beobachtungsinterviews mit verschiedenen Ge­sprächspartnern durchgeführt. Im Anschluss an die durchgeführten Beobachtungen wird eine aktuelle Arbeitsaufgabe detailliert beschrieben und ausgewertet. Im Ergebnis liegt eine detaillierte Beschreibung von aktuellen und zukünftigen Qualifizierungsanforderungen in Bezug auf eine konkrete Tätigkeit vor.

Das Verfahren des Branchen-Scoutings und der Trendqualifikationen basiert auf der Annahme, dass sich angesichts der zunehmenden Dynamik betrieblicher Veränderungsprozesse das System der Berufsbildung in einem permanenten instabilen Zustand befindet. Aus diesem Grund lassen sich neue Qualifikationsbedarfe nicht einfach aus den Abläufen der Vergangenheit in die Zukunft extrapolieren. Es ist eine neue Erforschung und Analyse der Prozesse notwendig. Das Verfahren geht davon aus, dass neue Qualifikationen in einer frühen Phase ihrer Herausbildung erkannt und beschrieben werden können. Diese Trendqualifikationen entstehen in der Arbeitswelt oftmals aus der Notwendigkeit heraus, dass neuartige Aufgaben oder Prozesse bewältigt werden müssen. Ein Fakt der auch auf die Veränderungen der Digitalen Transformation zutrifft. Im Ergebnis des Branchen-Scoutings und Trendqualifikationen–Verfahrens liegt ein Branchenbericht vor. Dieser gibt einen systematischen Überblick über den Zusammenhang von wirtschaftlich-technischen Entwicklungen sowie der damit einhergehenden Entwicklung von Tätigkeiten und Trendqualifikationen.

Das kooperative Analyseverfahren schließlich betrachtet die Schnittstelle von einfacher Arbeit und Facharbeit. Unternehmen schätzen die Bedeutung von einfachen Tätigkeiten oft gering. Unternehmen gehen von einer schnellen Ersetzbarkeit dieser Arbeitskräfte aus. Das Verfahren sieht drei verschiedene Analysephasen vor. Im Ergebnis liegen die Qualifizierungsbausteine sowie Empfehlungen für die konkrete Umsetzung in Maßnahmen vor.

Zusammenfassung

Künftig wird es stärker auf das tatsächliche Vorhandensein von Kompetenzen ankommen als auf den Abschluss formalisierter Ausbildungs- und Studiengänge. Für das Vorgehen des HR-Bereiches und des Projektteams für die Erstellung der Qualifikationsbedarfsanalyse ist es von entscheidender Bedeutung, dass die richtigen Bezüge zu den Erfordernissen der Digitalen Transformation hergestellt werden. Digitale Vernetzungen und datenbasierte Services spielen im Rahmen der Fertigungs- und Prozessindustrie eine immer größere Rolle. Anzustrebende Nutzenpotenziale in den neu zu definierenden Wertschöpfungsketten treten in den Fokus. Die Verantwortlichen rund um das Thema Personal sollten sich an konkreten, greifbaren Prognosen, Use Cases und Projekten orientieren und diese mit dem Kompetenz- und Qualifizierungsbedarf, der im eigenen Unternehmen identifiziert wurde, abgleichen. Beispielhaft seien die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung [8] begleiteten und geförderten Projekte/Fokus Industrie 4.0 mit Partnern aus Wissenschaft und Forschung genannt.

Eine weitere mögliche Orientierungshilfe sei an dieser Stelle mit dem „Standpunkt der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Produktionstechnik“ [9] erwähnt. In diesem Dokument werden die wesentlichen Handlungsfelder von 1300 Professoren im Bereich Produktionswissenschaft definiert. Die Felder: Cyber Physikalische Systeme, Cloud – und dienstebasierte Produktionsplattformen, Digitaler Schatten (Spiegelungen aller im Rahmen des Produktionsprozesses entstehenden Daten) und Analytics werden als die Entscheidenden Handlungsfelder aus Sicht der Forschung benannt.

Ethische Einordnung

Mit der Digitalisierung rückt die Weltgesellschaft unseres Planeten als Schicksals-gemeinschaft dichter zusammen. Neuartige Chancen zur Kooperation zwischen ganz unterschiedlichen Akteuren, gleich ob Maschine, Roboter oder Mensch bieten sich weltumspannend. Diese Chancen sollte unbedingt für die Verbesserung unserer Welt im Sinne eines humanen und solidarischen Miteinanders genutzt werden. Jedes Unternehmen sollte sich die Frage stellen: Was tragen wir dazu bei, um unsere Welt zu einem besseren Planeten zu machen? Der Bezugsrahmen für eine Antwort sollte die eigene Unternehmensphilosophie als oberstes Wertesystem sein. Die Unternehmensgrundsätze und das Unternehmensleitbild sollten vor dem Hintergrund der laufenden Veränderungen stetig überprüft und angepasst werden. Dabei muss als Leitmotiv des Handelns berücksichtigt werden, dass wirtschaftliches Handeln zur Versorgung von Bedürfnissen unter limitierten Bedingungen dient und in zweiter Linie die Profitmaximierung stehen sollte. Damit einher geht die Überzeug, dass große Menschheitserrungenschaften nicht als erstes monetäre Aspekte im Fokus hatten, sondern Innovations-und Pioniergeist sowie die freien mensch-lichen Kräfte der Kreativität und der Phantasie. Materielle Aspekte bieten Grundlagen und schaffen Möglichkeiten, die Triebfedern für die Gestaltung der Zukunft liegen jedoch im Menschen selbst begründet. Daran wird auch die Digitalisierung nichts ändern. Im Gegenteil – diese Entwicklungsphase sollte als Aufbruch umgedeutet werden, um über die scheinbare Alternativlosigkeit des bisherigen Wirtschaftssystems und der Steigerungslogik des Wachstums intensiver als bisher nachzudenken und im globalen Diskurs fair miteinander zu streiten. Die Digitalisierung bietet aus dieser Perspektive auch die Chance auf Ausgestaltung der Demokratie, unter Aspekten von Gerechtigkeit und Freiheit im globalen Maßstab.

Handlungsempfehlungen

  • Machen Sie die Digitale Transformation zu einer absoluten Chefsache in der HR-Funktion.
  • Entwickeln Sie eine langfristige Digitalisierungsstrategie für ihr Unternehmen und leiten sie daraus eine konsequente Roadmap mit konkreten Messgrößen ab.
  • Seien sie offen für die disruptiven Möglichkeiten der Digitalisierung. Überwinden sie partnerschaftlich Denk- und Anschauungsunterschiede zwischen den Generationen.
  • Holen sie sich die richtigen Digital Leader an Bord. Digitale Erfahrung ist wichtig, aber auch Mut zum Spielen und Ausprobieren – schaffen sie Raum und Zeit dafür.
  • Denken sie radikal nutzen- und kundenorientiert. Bündeln sie schrittweise ihre Erkenntnisse in der Anpassung einer digitalen Wertorientierung.

Ausblick

Das Prinzip der Nachhaltigkeit im Umgang mit Ressourcen und der Schutz unserer Umwelt sollten entscheidende Kriterien dafür sein, die Digitale Transformation und die smarten Technologien in Verantwortung zu nehmen. Weiterhin bietet sich mit der Digitalen Transformation die Möglichkeit der Reindustrialisierung von Regionen, die einen hohen Wegzug und den Niedergang von ganzen Industriezweigen zu verzeichnen hatten. Nicht zuletzt sollte mit Hilfe der neuen Technologien die Arbeit an sich verbessert werden. Die Qualität der Arbeit, die gerechte Verteilung von guter und sinnvoller Arbeit mit einer gerechten Bezahlung und die Erwartungen an ein würdevolles Leben sind die Kriterien. In diesem Kontext sollte ebenfalls die Chance genutzt werden, Beruf und Familie in eine bessere Balance zu bringen. Stichworte wie mobiles Arbeiten sind in einer vernetzten Welt mit Leben und Vertrauen auszugestalten. Schlussendlich sollte die Digitalisierung keine neue Steigerungsdynamik auslösen, sondern dazu führen, dass das Leben der Menschen sich qualitativ verbessert und global gesehen gerechter wird. In all diesen Fragestellungen hat die HR-Funktion ein zukunftsweisendes Gestaltungsfeld.

Quellen:

[1] „Die Vierte Industrielle Revolution – Der Weg in ein wertschaffendes Produktionsparadigma“ Springer Vieweg; Beitrag von Prof. Henning Kagermann acatech- Deutsche Akademie der Technikwissenschaft „Chancen von Industrie 4.0 nutzen“

[2] „Politische Handlungsempfehlungen Industrie 4.0 – Deutschland als Vorreiter der digitalisierten Vernetzung von Produkten und Produktionsprozessen“  Bitkom, 2015

[3] Bitkom (2016): „Geschäftsmodelle in der Industrie 4.0 Chancen und Potentiale aktiv mitgestalten“– Ein Faktenpapier

[4] „Forschungsbericht 2017 – Zum Fachkräftekonzept der Bundesregierung“ Bundesministerium für Arbeit und Soziales, August 2017[6] „Industrie 4.0 – Status und Perspektiven“ Bitkom, Studie 2016

[5] „Wie Big Data die Rolle des Controllers verändert“ Alexandra Schulte, Oliver Bülchmann Springer 2016

[6] ver.di Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Landeskreis Baden-Würtemberg; „Digitalisierung und Qualifizierung Weiterbildungsbedarfe Erkennen, Bewerten und Handeln“

[7] Bundesministerium für Bildung, Forschung „Industrie 4.0 Innovationen für die Produktion von morgen“ August 2017

[8] Wissenschaftliche Gesellschaft für Produktionsforschung „WGP-Standpunkt Industrie 4.0“

 

 

 

 

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