April 2022

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Ein Internet-Sozialfonds für digital tätige Soloselbständige

Plattformökonomie braucht soziale Verantwortung

Das Internet und die vielen Plattformen für Angebote des täglichen Lebens sind nicht mehr aus unserem Alltag wegzudenken. Übersehen wird häufig, dass daraus auch eine neue soziale Frage entsteht. Denn für Menschen, die als Selbständige über eine Plattform an der Internetökonomie teilnehmen, fehlt jede soziale Absicherung. Dabei geht es um Clickworker, die digitale Texte und Formate bearbeiten, um Day Trader, die sich um Finanzanlagen kümmern, aber auch um Uber-Fahrer, die womöglich stundenlang auf einen Auftrag warten, dann aber nicht sozialversichert sind. Im Alter schauen sie in die Röhre.

Die Plattformökonomie löst die jahrzehntelange Klammer zwischen Arbeitgebern und Beschäftigen auf. Bei rund 2,2 Millionen Soloselbständigen in Deutschland führt dies in absehbarer Zeit zu einer prekären Rentensituation für diese Berufsgruppe. Sie alle über die steuerfinanzierte Grundsicherung in die Altersvorsorge zu bringen, ist keine gute Lösung.

Zu fordern ist daher eine Sozialversicherungspflicht für Soloselbständige, vor allem in Verbindung mit einer familienfreundlichen Rentenreform. Dabei sollte für jedes kindergeldfähige Kind eine Minderung des Arbeitnehmerbeitrags zur Sozialversicherung in Höhe von 2% des Einkommens greifen, ohne dass dies zu Verlusten bei Anwartschaften führt.

In gleicher Art und Weise ist der Gesetzgeber nun aufgefordert, die Plattformökonomie sozial auszugestalten. Dies kann durch einen verbindlichen Sozialfonds geschehen, der der staatlichen Rentenversicherung angeschlossen wird oder bei einem von der BaFin freigegebenen und beauftragten Finanzanbieter betrieben wird. Dann müsste ein Plattformbetreiber für jede Transaktion einen bestimmten Prozentsatz an den Internet-Sozialfonds abführen. Die zusätzlichen Kosten in Höhe von beispielsweise 10% können je nach digitaler Marktsituation an die Nutzerinnen und Nutzer weitergegeben werden. Ähnlich verhält es sich schon heute mit der Künstlersozialversicherung.

Die technischen Möglichkeiten zu einem solchen Schritt sind vorhanden. Denn jeder digital tätige Soloselbständige muss sich bei der Plattform seiner Wahl eh registrieren. Wenn er zusätzlich seine Sozialversicherungsnummer angibt, kann die Abführung von Beiträgen leicht durchgeführt werden. Meldepflichtig ist dann nicht der Arbeitgeber, sondern der betreffende Plattformbetreiber.

Weltweit werden rund 2000 Mrd. Dollar jährlich mit der Plattformökonomie umgesetzt. Nur ein Bruchteil davon entfällt auf digitale Soloselbständige in Deutschland. Wenn wir bei ihnen einen durchschnittlichen Umsatz von 10.000 Euro jährlich annehmen, könnte ein Internet-Sozialversicherungsfonds bei 10% Transaktionsgebühr jährlich etwa 2,3 Milliarden Euro einnehmen. Dieses Geld könnte und sollte systematisch für die soziale Abfederung von digitalen Soloselbständigen verwendet werden.

Schaltet der Gesetzgeber eine solche Lösung durch eine Sozialversicherungspflicht und eine transaktionsbasierte Internet-Sozialabgabe frei, kann die konkrete Ausgestaltung optional und im Rahmen der Sozialen Marktwirtschaft auch dem freien Markt durch entsprechende Finanzanbieter überlassen werden. 


An internet social fund for the digitally active self-employed

Platform economy needs social responsibility

The internet and the many platforms for everyday offers have become an integral part of our daily lives. What is often overlooked though is that this also gives rise to a new social issue – the lack of any social security for people who participate in the internet economy as self-employed via a platform. We are talking about clickworkers who work on digital texts and formats, day traders who take care of financial investments, but also Uber drivers who may wait for hours for an order but are not covered by social security. In old age, they will be left out in the cold.

The platform economy is dissolving the decades-old bracket between employers and employees. With around 2.2 million solo self-employed in Germany, this will lead to a precarious pension situation for this occupational group in the foreseeable future. Bringing them all into old-age provision via tax-financed basic security is not a good solution.

Therefore, compulsory social insurance for self-employed persons should be demanded, especially in connection with a family-friendly pension reform. For each child eligible for child benefit, the employee’s contribution to social security should be reduced by 2% of income, without this leading to a loss of pension entitlements.

In the same way, the legislator is now called upon to give the platform economy a social design. This can be done through a binding social fund that is connected to the state pension insurance or is operated at a financial provider approved and commissioned by BaFin. Then a platform operator would have to pay a certain percentage for each transaction to the internet social fund. The additional costs of, for example, 10% could be passed on to the users depending on the digital market situation. A similar situation already exists today with the artists’ social insurance.

The technical possibilities for such a step are available. After all, every digitally active self-employed person has to register with the platform of their choice anyway. If they also provide their national insurance number, contributions can easily be deducted. It is not the employer who is obliged to register, but the platform operator.

Worldwide, around 2,000 billion dollars are turned over annually with the platform economy. Only a fraction of this is accounted for by digital self-employed people in Germany. If we assume an average turnover of 10,000 euros per year for them, an internet social security fund could collect about 2.3 billion euros per year at a 10% transaction fee. This money could and should be systematically used for the social cushioning of digital self-employed persons.

If the legislator unlocks such a solution through a social insurance obligation and a transaction-based internet social levy, the concrete design can, optionally, and within the framework of the social market economy, also be left to the free market by corresponding financial providers.


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Posted by Ulrich Hemel