Abstract [en]: The German Whistleblower Protection Act (HinSchG) will enter into force on 2nd July 2023. On 12 May 2023, the law was passed by the Bundesrat (upper house of the German parliament); before that, it had already passed the German Bundestag on 11 May after a lengthy voting process. The article provides a condensed overview of the most important milestones up to the law’s entry into force and places them in a comprehensive compliance management system. In addition, the main requirements that will apply to companies in the future as a result of the law and possible sanctions for failure to comply are named. Finally, a critical appraisal is made and the explanations are summarised in an outlook. The intention of the law to fundamentally protect whistleblowers is seen as welcome and correct. However, from a legal perspective, especially due to unclear legal terms, it is assumed that there will be difficult implementation problems in the future. Finally, the tension between the desire for transparency in democratic coexistence and the danger of subjective self-interest in connection with possible denunciation is examined.

Abstract [de]: Das deutsche Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) tritt am 2. Juli 2023 in Kraft. Am 12. Mai 2023 wurde das Gesetz vom Bundesrat verabschiedet, zuvor hatte es am 11. Mai bereits den Deutschen Bundestag nach einem langwierigen Abstimmungsprozess passiert. Der Beitrag gibt einen komprimierten Überblick über die wichtigsten Meilensteine bis zum Inkrafttreten des Gesetzes und nimmt eine Einordnung in ein umfassendes Compliance-Management-System vor. Darüber hinaus werden die wesentlichen, aus dem Gesetz für Unternehmen zukünftig geltenden, Anforderungen und mögliche Sanktionierungen bei Unterlassung benannt. Schließlich wird eine kritische Würdigung vorgenommen und die Ausführungen in einem Ausblick zusammengefasst. Das Gesetz wird in seiner Intention, zum grundsätzlichen Schutz von Hinweisgebern als begrüßenswert und richtig eingeordnet. Aus juristischer Perspektive, vor allem durch unklare Rechtsbegriffe, wird jedoch von zukünftigen schwierigen Umsetzungsproblemen ausgegangen. Abschließend wird das Spannungsfeld zwischen dem Bestreben nach Transparenz im demokratischen Miteinander und der Gefahr von subjektiven Eigeninteressen in Verbindung mit möglichem Denunziantentum beleuchtet.


Juli 2023

Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) stellt neue Compliance-Anforderungen an die Unternehmensführung

Auf die Unternehmen kommt ein weiteres Regelwerk zu!

Inhalt

  1. Zur Historie
  2. Säulen der Compliance
  3. Eckpunkte des Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG)
  4. Pflichten für Unternehmen
  5. Empfehlungen für Unternehmen
  6. Fazit und kritische Würdigung

Das sogenannte Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) wurde nach einer „abenteuerlichen“ Abstimmungsphase (Verspätung von ca. 1,5 Jahren) durch den Vermittlungsausschuss des Bundestages am 12.05.2023 [1] verabschiedet. Mit dem Gesetz sollen zukünftig Whistleblower (darunter werden Personen verstanden, die für die Öffentlichkeit wichtige Informationen aus einem geheimen oder geschützten Zusammenhang veröffentlichen) besser vor Nachteilen geschützt werden. Ein derartiges Gesetz ist ein Novum. Bislang hat es international nichts Vergleichbares gegeben. In der Vergangenheit wurden derartige Fälle von den Gerichten nicht unbedingt im Sinne der Hinweisgeber behandelt. Oftmals wurde der Wert und Nutzen einer Information für die Allgemeinheit bezweifelt. Dem Hinweisgeber wurde teilweise unterstellt, dass subjektive Interessen gegenüber gesellschaftlichen Interessen übergeordnet waren. Einfach ausgedrückt, waren bislang Hinweisgeber nicht besonders geschätzt, da man ihnen negative Absichten unterstellte.

Zunächst müssen Unternehmen mit mehr als 249 Mitarbeitenden nach Inkrafttreten des Gesetzes im Juni 2023 ein sogenanntes Hinweisgebersystem einrichten und betreiben. Anderenfalls drohen ein empfindliches Bußgeld sowie der legale Abfluss von kritischen Unternehmensinterna und Know-how aus den Unternehmen in die Öffentlichkeit oder an nicht dazu bestimmte Dritte. Ab dem 17. Dezember 2023 gilt diese Verpflichtung darüber hinaus für Unternehmen mit mindestens 50 Mitarbeitenden. Die mittelständische Wirtschaft muss sich also auf einen zusätzlichen Verwaltungsaufwand einstellen. Vor diesem Hintergrund sollten sich die Unternehmen umgehend, wenn nicht schon passiert, mit der Thematik beschäftigen und Strukturen, Prozesse sowie möglicherweise Tools installieren.

Zur Historie

Im April 2018 hatte das Europäische Parlament den Mitgliedstaaten einen Vorschlag zur Schaffung von mehr Schutz der Whistleblower vorgelegt. Aus diesem Vorschlag resultierte schließlich im Oktober 2019 die Richtlinie der EU 2019/1937[26] zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht kommunizieren. Diese Richtlinie wurde von den Mitgliedsstaaten in der Folge unterzeichnet. Die Frist zu deren Umsetzung endete am 17. Dezember 2021. Im Juli 2022 wurde schließlich in der Bundesrepublik Deutschland das Gesetzgebungsverfahren durch die Verabschiedung des Regierungsentwurfs des Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG-E) eingeleitet. Im Dezember 2022 erfolgte die Verabschiedung des HinSchG durch den Bundestag. Allerdings wurde die Zustimmung im Bundesrat in der Folge verweigert. Aus diesem Grund musste im Mai 2023 eine Kompromissfindung im Vermittlungsausschuss herbeigeleitet werden. Wesentlicher Kritikpunkt war die mögliche Überforderung der Wirtschaft mit weiteren Verwaltungsaufgaben. Nach der finalen Verabschiedung ist das voraussichtliche Inkrafttreten für Ende Juni 2023 mit der Veröffentlichung des Gesetzes vorgesehen. [vgl. hierzu 2]

Bislang existierte keine derartige gesetzliche Regelung. In der Vergangenheit entschieden deutsche Arbeitsgerichte vor allem nach dem „Case Law“ – Prinzip. Rechtsverstöße mussten vor dem Hintergrund des bestehenden Arbeitsrechts durch die Hinweisgeber zunächst intern gemeldet werden, bevor die Weiterleitung der Informationen nach außen gerechtfertigt wurde. Exemplarisch ist in diesem Kontext, die Rechtsprechung im Fall von Brigitte Heinisch, die ihren Arbeitgeber wegen des „Pflegenotstandes“ anzeigte und daraufhin fristlos gekündigt wurde. Im Sommer 2011 bekam Frau Heinisch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte jedoch Recht. In der fristlosen Kündigung sahen die Straßburger Richter eine Verletzung der Meinungsfreiheit. Im Kern ging es darum, dass “Whistleblower”, die Skandale, Missstände, Straftaten in Behörden oder Unternehmen öffentlich anprangern, nicht einfach „hinausgeschmissen“ werden dürfen. In der Folge erfuhr das Thema in der Öffentlichkeit und der Rechtsprechung eine andere Wertschätzung und mehr Aufmerksamkeit.

Säulen der Compliance

Welche Aufgaben ergeben sich aus dem Gesetz für die Unternehmen? Grundsätzlich sind Unternehmen aufgefordert, geeignete Maßnahmen in prozessualer, technischer und organisatorischer Hinsicht zu ergreifen, um im Sinne des Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG) zukünftig compliant zu sein, sprich den gesetzlichen Anforderungen zu genügen. Im Wesentlichen lassen sich drei Handlungsfelder identifizieren, in welchen sich die Unternehmen adäquat aufstellen müssen. Dazu zählen geeignete Maßnahmen der Prävention, um im Sinne des Gesetzes regelwidriges oder gar strafbares Verhalten zu erschweren. Gefordert ist die Schaffung eines Bewusstseins für Fehlverhalten im Unternehmen, um im Falle des Auftretens von Regelverstößen diesen offensiv und transparent entgegentreten zu können. Mit Hilfe von Schulungen, Policies (schriftlich dokumentierte, Vorgaben und Verhaltensregelungen) und Betriebsvereinbarungen müssen die Unternehmen geeignete Maßnahmen in diesem Sinne ergreifen. Des Weiteren muss das Unternehmen mit seinen technischen und organisatorischen Möglichkeiten dazu in der Lage sein, Verstöße zu erkennen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen stichprobenartig Analysen durchgeführt und ebenso externe anlassbezogene Überprüfungen zugelassen werden. Die stichprobenartigen Analysen stellen die Basis für eine sogenannte umfassende Gefährdungsanalyse dar. Die dritte Säule der Compliance umfasst alle Maßnahmen der Reaktion auf ein identifiziertes, nichtgesetzeskonformes Verhalten. Dazu zählen eine lückenlose Aufklärung ebenso, wie die mögliche Einleitung von konsequenten Sanktionsmaßnahmen.

Eckpunkte des Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG)

Wie oben genannt, betrifft der Anwendungsbereich zunächst Unternehmen mit mind. 250 Beschäftigten und ab 17.12.2023 bereits Unternehmen ab 50 Beschäftigte. Verbunden damit ist die Pflicht zur Einrichtung interner Meldestelle. In einigen Punkten folgt das Gesetz der EU-Kommission ausdrücklich nicht. Danach ist die Einrichtung einer zentralen internen Meldestelle bei der Konzernmutter ebenso zulässig wie das Outsourcing der internen Meldestelle an Dritte. Die Verantwortung für die Aufklärung der Meldefälle soll lokal verbleiben. Weiterhin wurde der Bußgeldrahmen erweitert. So riskieren Unternehmen ein Bußgeld von bis zu EUR 20.000 wenn diese keine interne Meldestelle einrichten.

Repressalien (z.B. Abmahnung, Versagung einer Beförderung, Disziplinarverfahren oder Mobbing) gegenüber Whistleblowern, die Behinderung von Meldungen oder das (vorsätzliche oder leichtfertige) Missachten des Vertraulichkeitsgebots ist mit einem Bußgeld von bis zu EUR 50.000 belegt. Unter das Gesetz fallen z. B. Straftaten und Verletzungen von Arbeitnehmerrechten.

Im Vermittlungsausschuss konnten wichtige Aspekte des im Bundesrat abgelehnten Gesetzes angepasst werden. Dazu zählt der Umgang mit anonymen Meldungen. Die Parteien haben sich darauf verständigt, das interne und externe Meldestellen ebenso anonym eingehende Meldungen bearbeiten sollen. Die Verpflichtung hingegen, dass die Meldekanäle so gestaltet werden müssen, dass die Abgabe anonymer Meldungen ermöglicht bzw. gefördert wird, ist entfallen. Für externe Meldestellen wurde die Einschränkung aufgenommen, dass spezialgesetzliche Regelungen diesen Aspekt abweichend regeln können. Weiterhin hat man sich auf die bevorzugte Nutzung interner Meldestellen geeinigt. Interne Meldungen sollen in den Fällen bevorzugt werden, in denen innerhalb des Unternehmens wirksam gegen Verstöße vorgegangen werden kann, sowie keine Repressalien gegen die Hinweisgeber zu befürchten sind. Externe Meldestellen sollen weiterhin ebenso mit der Möglichkeit ausgestattet werden, über interne Meldungen zu informieren. Vorteile für Unternehmen bei internen Meldungen sind z. B., dass die Deutungshoheit über den Inhalt zunächst im Unternehmen verbleibt. Darüber hinaus wird die Gefahr minimiert, dass Know-how und Betriebsgeheimnisse nach außen dringen. Der Schutz der Unternehmen vor Reputationsschäden in der Öffentlichkeit kann bei dieser Lösung eher gewährleistet werden.

Eine wichtige Änderung nach der Anrufung des Vermittlungsausschusses betrifft die Beweislastumkehr. Im Falle, dass eine hinweisgebende Person eine Benachteiligung im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit erleidet und geltend macht, wird in der Auslegung des Gesetzes vermutet, dass diese Benachteiligung eine Repressalie, motiviert durch die Meldung oder Offenlegung, darstellt. Die Beweislastumkehr zugunsten der hinweisgebenden Person soll aber nicht im Bußgeldverfahren, sondern z. B. nur in arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen geltend gemacht werden können. Bzgl. des Schadensersatzes wurde aufgenommen, dass bei einem Verstoß gegen das Verbot von Repressalien der Verursacher verpflichtet ist, der hinweisgebenden Person den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Wieder gestrichen hingegen wurde die Pflicht zum Ersatz immaterieller Schäden.

Pflichten für Unternehmen

Im Zuge der Implementierung und im Rahmen des Betriebes eines Hinweisgebersystems sind Pflichten für das Unternehmen zu beachten. Dazu zählen Aspekte der Compliance, des Datenschutzes und des Arbeitsrechts. Ein Hinweisgeberstelle eröffnet für Unternehmen die Möglichkeit, rechtzeitig Informationen über mögliche Rechtsverstöße zu beziehen, ohne dass diese nach außen dringen. Damit verbunden ist allerdings auch die rechtliche Aufforderung an die Unternehmen, den gemeldeten Vorkommnissen konsequent nachzugehen. Werden keine Anstrengungen zur Aufklärung und Sanktionierung unternommen, drohen Haftungsansprüche wegen Unterlassung durch Organisationsverschuldung. Rechtsverstöße müssen grundsätzlich aufgeklärt, sanktioniert und Maßnahmen zu deren zukünftigen Vermeidung eingeleitet werden. Die Einführung einer Hinweisgeberstelle muss arbeitsrechtlich wirksam implementiert werden. Ohne eine arbeitsrechtliche Verbindlichkeit in Bezug auf Technik und Prozesse kann die regulatorische Verpflichtung zur Einführung nicht wirksam erfüllt werden. Dem Betriebsrat steht bei der Einführung eines webbasierten Hinweisgebertools grundsätzlich ein Mitbestimmungsrecht zu. Beim Betrieb eines Hinweisgeber-Systems sind in datenschutzrechtlicher Hinsicht sowohl die Daten der Hinweisgeber als auch der beschuldigten Personen oder sonstiger Dritter zu schützen und DSGVO-konform zu verarbeiten. Ist dies nicht der Fall, drohen ebenso Bußgelder und Schadenersatzansprüche der Betroffenen.

Bei der Ausgestaltung der Hinweisgeberstellung muss beachtet werden, dass der Empfänger der Hinweismeldung vorab zu bestimmen ist und dieser im Umgang mit den Hinweisgebern geschult werden muss. So muss z. B. der hinweisgebenden Person binnen sieben Tagen nach Eingang der Meldung eine Eingangsbestätigung übermittelt werden. Im Anschluss muss eine Prüfung erfolgen, ob der gemeldete Verstoß in den Anwendungsbereich des HinSchG fällt. Die betriebliche Hinweisgeberstelle ist verpflichtet, den Kontakt zur hinweisgebenden Person zu halten und einen Dialog zu initiieren. Im Verfahren muss eine Prüfung der Stichhaltigkeit der eingegangenen Meldung (sog. Relevanz-Check) durchgeführt werden. Möglicherweise muss die hinweisgebende Person um weitere Informationen gebeten werden. Weiterhin sind angemessene Folgemaßnahmen zu ergreifen (insbesondere die Einleitung einer internen Untersuchung gem. § 18 Nr. 1 HinSchG). Spätestens drei Monate nach Eingangsbestätigung ist der hinweisgebenden Person eine Rückmeldung zum Ermittlungsstand und etwaigen Abhilfemaßnahmen zu geben.

Jede Meldung muss streng vertraulich behandelt werden. Hierzu sollte der Compliance Officer sich in einer separaten Erklärung ausdrücklich verpflichten. Das „Least Privilege/Need-to-know-Prinzip“ (stellt eines der wichtigsten Konzepte für Informationssicherheit dar und besagt: Jeder Benutzer soll genau jene Berechtigungen innehaben, die er benötigt, um seine Aufgaben zu erledigen – und nicht mehr) muss konsequent angewendet werden. Die Vertraulichkeit muss nicht nur in Bezug auf die Identität des Hinweisgebers, sondern auch gegenüber allen in der Hinweismeldung genannten Personen gewährleistet werden. Ausnahmen vom Vertraulichkeitsgebot werden im § 9 HinSchG behandelt.

Aus Sicht der hinweisgebenden Person ergeben sich ebenso Rechte und Pflichten. So ist die Pflicht ausschließlich nach subjektiven Maßstäben wahrheitsgemäße Angaben zu machen, eine fundamentale Voraussetzung für die Wirksamkeit des Gesetzes. Das Gesetz ist allerdings nicht eindeutig bei der Auslegung der Pflicht an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. Der hinweisgebenden Person wird ein umfassender Schutz vor arbeitsrechtlichen Sanktionen, z. B. Diskriminierung oder Ausgrenzung, im Gesetz gewährt. Wie dieser Schutz praktisch gewährleistet werden soll, wird nicht klar ausgeführt. Teilaspekte, wovor der Hinweisgeber geschützt werden soll, sind z. B. negative Leistungsbeurteilungen, Abmahnungen, Kündigungen, Versetzungen, Suspendierungen, Degradierungen. Mit Hilfe der Beweislastumkehr soll die rechtliche Position der Hinweisgeber geschützt werden. So müssen Unternehmen beweisen, dass Sanktionen nicht wegen des Whistleblowings erfolgten. Jedoch muss die hinweisgebende Person sich darauf berufen. In diesem Kontext steht sich die Selbstbelastungsfreiheit vs. der Pflicht zur Schadensabwendung gegenüber.

Empfehlungen für Unternehmen

Im Zuge einer notwendig gewordenen Untersuchung eines im Sinne des Gesetzes gemeldeten Vorfalls müssen arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen mitbedacht werden. Sofern arbeitsrechtliche Sanktionen in Betracht kommen, sollte im Falle einer möglichen außerordentlichen Kündigung immer die Zweiwochenfrist des § 626 BGB in Betracht gezogen werden. Demzufolge muss nach Kenntnis des Arbeitgebers von den kündigungsrelevanten Umständen (bei interner Untersuchung nach Abschluss selbiger) binnen zwei Wochen die Kündigung ausgesprochen werden. Innerhalb dieser zwei Wochen ist der betroffene Arbeitnehmer vorab anzuhören. Der Betriebsrat muss zum Sachverhalt ebenso angehört werden. Der Betriebsrat hat bei einer außerordentlichen Kündigung drei Tage Zeit zur Stellungnahme. Vor diesem Hintergrund ist wohl überlegtes, aber gleichwohl umgehendes Handeln, insbesondere bei Sachverhalten geboten, die den Arbeitgeber zur außerordentlichen Kündigung berechtigen.

Fazit und kritische Würdigung

Ein Hinweisgebersystem muss im Kontext des umfassenden Compliance-Management-Systems gesehen und eingeordnet werden. Ein wirksames Compliance-Management-System verfolgt das Ziel, gesetzeskonformes Verhalten zu fördern und Verstöße zu unterbinden. Ein Compliance-Management-System dient übergreifend dazu, Schaden von der Gesellschaft, dem Unternehmen, der Umwelt und dem Einzelnen abzuwenden. In diesem Zusammenhang ist die grundsätzliche Intention des Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG) nachvollziehbar und ethisch geboten. In einer vernetzen, globalen Wirtschaft mit großen sozialen und politischen Unterschieden in den jeweiligen Gesellschaftsordnungen müssen Missstände und Straftaten mit gesetzlichen Regelungen sanktioniert werden. Übergreifende Ziele sind das Setzen von ethischen, verbindlichen Standards, die Orientierung an geteilten Wertvorstellungen, Nachhaltigkeit im Umgang mit Ressourcen und Gleichbehandlung, um nur einige herauszugreifen.

Aus juristischer Perspektive wird das Gesetz jedoch kritisch betrachtet. Dazu trägt die Fülle an unklaren Rechtsbegriffen entscheidend bei. Probleme wird es auf jeden Fall für den Hinweisgeber bei der Einschätzung von Sachverhalten geben, um zu erkennen ob seine potenzielle Meldung im Sinne des Gesetzes relevant ist oder dieser sich einer Unsicherheit aussetzt. So könnte es z. B. bei Fragen der Produkthaftung kompliziert sein, die juristische Sinnhaftigkeit zu erkennen, um sich nicht selbst zur Zielscheibe von juristischen Auseinandersetzungen zu machen. Sollte ein Hinweisgeber für die Klärung, ob es sich um einen relevanten Verstoß handelt oder nicht, selbst einen Rechtsanwalt benötigen, dann wird der Erfolg des Gesetzes begrenzt bleiben. In der Folge werden sich Gerichte mit der Auslegung von Meldungen befassen müssen. Damit wird es zu Zeitverzögerungen kommen und Unsicherheit der Beteiligten produziert. Einen schmalen Grat zwischen seriöser Aufklärung und Denunziantentum gilt es in der Praxis sachlich auszutarieren. Um der Gefahr, eines unterstellten Denunziantentums entgegenzuwirken, kommt es darauf an, zügig und nachvollziehbar die Stichhaltigkeit einer Information im Sinne des HinSchG zu prüfen. Dem Zirkulieren von falschen Behauptungen in der Öffentlichkeit muss unbedingt entgegengewirkt werden.

Trotz des langen Gesetzgebungsverfahrens welches mit vielen Dissonanzen verbunden war, ist handwerklich kein gutes Gesetz herausgekommen. Unklare Rechtsbegriffe schaffen Unsicherheiten für alle Beteiligten in der Anwendung. So werden z. B. vom neuen Gesetz die externe und die interne Meldung auf eine Ebene gestellt. Wie jedoch die praktische Handhabung aussehen soll, bleibt unklar. Vor allem ist unklar, ob sich der Hinweisgeber sofort an die externe Hinweisgeberstelle wenden darf oder zunächst der interne Weg beschritten werden muss. Ob in diesem Falle der Prozess bis zu einer Klärung abgewartet werden muss, bleibt ebenso unklar.

Mit der Möglichkeit, dass Dritte Aufgaben der Hinweisgeberstelle übernehmen können, wird den Unternehmen die Handhabung und der Verwaltungsaufwand erleichtert. Tochtergesellschaften können die Wahrnehmung der gesetzlichen Verpflichtungen an eine Zentralstelle delegieren. Im Hinweisgeberschutzgesetz wird jede legale Einheit für sich betrachtet. Grundsätzlich verbleibt die Verantwortung bei der jeweiligen lokalen Einheit. Dieser Grundsatz folgt der bisherigen Praxis wie bei anderen Compliance-Anforderungen auch. Jede Rechtseinheit hat die Möglichkeit, an Dritte outzusourcen. Der eigene Verwaltungsaufwand kann somit minimiert werden. Weiterhin muss bei der Umsetzung des Hinweisgeberschutzgesetzes eine nachvollziehbare Dokumentation die Übernahme der Aufgaben durch die Muttergesellschaft nachweisen. Bei der Nutzung von technischen Tools muss in Betracht gezogen werden, dass es sich um eine Auftragsdatenverarbeitung handelt. Dafür wird eine Annahmeerklärung der Muttergesellschaft als Beleg benötigt.

Der Paragraph 3 Absatz 1 regelt, welcher Personenkreis unter die Regelungen des Hinweisgeberschutzgesetzes fällt. So zählen z. B. auch Praktikanten unter bestimmten Voraussetzungen dazu. Ein Praktikant kann auch Arbeitnehmer sein. Weiterhin werden auch bestimmte Selbstständige miterfasst, wenn diese ausschließlich einen Auftraggeber haben. Der Anwendungsbereich erstreckt sich ebenso auf Heimarbeiter.

Aus juristischer Perspektive ist verwunderlich, dass das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) (verfolgt das Ziel, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen) nicht einbezogen wurde. Aus juristischer Sicht wäre dies der eigentliche „Klassiker“ für die Schaffung von Transparenz, den Schutz vor Ungleichbehandlung etc.

Welche Empfehlungen lassen sich für Unternehmen im Hinblick des Umgangs mit dem Gesetz formulieren? Aus Sicht der Unternehmen ist eine interne Meldung der bessere Weg. Aus diesem Grunde sollten Anreize geschaffen werden, dass sich der Whistleblower erst intern meldet. Die Meldestelle sollte allen Beteiligten im Unternehmen bekannt und die Kommunikationswege und Ansprechpartner transparent sein. Die eindeutige Aufforderung an die Unternehmen lautet, bringen sie die Kommunikation in ihre Hände! Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir in einer Zeit leben, in welcher das kritisch, reflexive Bewusstsein für Mensch und Gesellschaft vor dem Hintergrund existenzieller Bedrohungen wächst. Gleichzeitig wachsen durch die digitalen Informationsräume auch Gefahren von Fake-News und interessengetriebener Information. Zu schnell werden Informationen und Behauptungen öffentlich platziert, bevor diese auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft wurden. Eine gut gemeinte gesetzliche Initiative sollte, um nicht diskreditiert zu werden, mit der gebotenen Umsicht, Diskretion und geeigneten verantwortlichen Personen ihre Wirksamkeit zum Schutz von Menschen und Umwelt unter Beweis stellen. Diese Chance sollte man dieser Initiative unvoreingenommen geben!

Quellen:

[1] https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/hinweisgeberschutz-2064178; Abruf am 13.06.2023 um 10:20 Uhr

[2] https://www.taylorwessing.com/de/insights-and-events/insights/2021/12/faq-nichtumsetzung-der-whistleblower-richtlinie; Abruf am 13.06.2023 um 11:20 Uhr


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Posted by Oliver Bülchmann