Deutschland, lange Zeit durch wirtschaftlichen Erfolg verwöhnt, sieht sich nun auch in wirtschaftlichen Belangen einer „Zeitenwende“ ausgesetzt. Ein Stillstand ist eingetreten, Dunkle Wolken künden davon, dass sich das Blatt so bald nicht wenden wird. Selbst die Bundesregierung hält lediglich ein Wachstum von 0,2 % für realistisch. Damit befindet sich die deutsche Politik in einem Dilemma. Denn der Sozialstaat wird wachsen – wer ihn aber in Zukunft finanzieren? Die Ursachen des wirtschaftlichen Niedergangs sind vielfältig. Gewiss, China kauft nicht mehr so viel in Deutschland wie früher. Hinzu kommt der Ukrainekrieg. Die Strompreise sind hoch, die Inflation nicht wirklich im Griff und es herrscht ein Fachkräftemangel. Doch sind dies nur Randnotizen. Die eigentlichen Ursachen liegen tiefer. Notwendige Reformen blieben lange aus. Die letzte, wirkliche wirtschaftliche Reform war Schröders Agenda 2010. Letztlich hat man bis heute davon gezehrt.

Der Wirtschaftsminister sieht die Lösung nicht etwa in einer „Agenda 2024“, sondern anderswo: Die Schuldenbremse müsse weg. Mantrahaft wird dies wiederholt. Dabei wird auch das Bundesverfassungsgericht als Schuldiger ausgemacht. Doch vermag dies die erhoffte wirtschaftliche Wende zu bewirken? Kurzum: Die Regierung sucht nach Geld. Und da Sparen bzw. Kürzungen als Alternative de facto ausgeschlossen werden, sucht man nach Fördertöpfen bzw. Sondervermögen.

Besteht jedoch der wirkliche Grund tatsächlich nur darin, dass „zu wenig“ Geld für die Wirtschaft da ist? Oder liegt nicht die eigentliche Ursache in der Politik selbst, im parteipolitischen Graben von sich gänzlich widersprechenden politischen Vorstellungen und Prioritäten? Das Entlastungsgesetz wird jedenfalls am wirtschaftlichen „status quo“ wenig ändern. Dazu ist allein die Summe zu gering. Was indes benötigt wird, sind stabile wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Unternehmen brauchen klaren Aussagen, die Vertrauen in die Politik schaffen und so notwendige Investitionsbereitschaft fördern Danach sucht man in der aktuellen deutschen Politik jedoch vergebens. Stattdessen finden sich eine Vielzahl unbeantworteter Fragen.

Die ständig betonten Forderungen der Koalitionspartner nach fortschreitendem Klimaschutz, steigenden Sozialleistungen und nachhaltiger Wirtschaftskraft werden sich kaum vereinbaren lassen. Wer dies meint, muss den Haushalt aufblähen, kann – salopp formuliert – nur die Gelddruckmaschine anwerfen. Stattdessen müssten Schwerpunkte gesetzt werden. Dabei gilt eines zu bedenken: Ohne eine konkurrenzfähige Wirtschaft werden die beiden anderen politischen Ziele, d.h. des Klimaschutzes und des Sozialstaates nicht umzusetzen sein. Wer die Wirtschaft „tötet“, tötet unisono auch den Sozialstaat und den Klimaschutz.

Folgt man diesem Gedanken, dann macht es durchaus Sinn, vermehrt auch öffentliche Gelder in den Wirtschaftskreislauf fließen zu lassen. Die amerikanische Regierung hat dies mit dem Inflation Reduction Act vorgemacht. Dieser unterscheidet sich aber wesentlich von den deutschen Vorstellungen einer Lockerung der Schuldenbremse und ihrem Zwilling, dem Sondervermögen. Deutschland würde aller Voraussicht nach, die Geldmittel gerade nicht verwenden, wie dies in den USA geschehen ist. Das Problem liegt wesentlich in der deutschen Politik selbst. Zu groß ist der Dissens über die politischen Schwerpunkte.

Daher ist – anders als in den USA – zu befürchten, dass die deutsche Politik sich für Transferleistungen entscheiden wird. Mit einem erhöhten Konsum lässt sich aber eine zukunftsfähige Umgestaltung der Wirtschaft kaum erreichen.

Nur, wenn die in der Diskussion stehenden Gelder auch in klar definierte und konkret benannte Unternehmungen fließen würden, wäre ein solcher Schritt auch sinnvoll. Prädestiniert dafür wären etwa die vernachlässigte Infrastruktur wie etwa Brücken, der Schienenverkehr oder die nicht vorhandenen Ladestationen für die E-Mobilität. Nur wenn der Rahmen stimmt, wenn dieser zielgerichtet definiert ist und politische Verlässlichkeit herrscht, werden und können die Unternehmen handeln und vieles von dem Erstrebten umsetzen. Der Staat kann die angestrebten Projekte dann auch zielgerichtet – d.h. gesetzlich fördern – etwa durch geeignete Abschreibungspolitik.

Solches Handeln würde nicht wieder öffentliche Mittel „versenken“, sondern das Bruttosozialprodukt längerfristig steigern. Und eine solche Wirtschaftspolitik wäre auch sozial, weil sie allen Betroffenen – auch und gerade der Umwelt – zugute kommen würde.

Andreas Gröpl (FORUM Kirche & Wirtschaft – Region Nord (Mannheim) in der Erzdiözese Freiburg)

Posted by Andreas Gröpl